11-11: Memories Retold im Test

Dass es an Videospielen über den Ersten Weltkrieg mangelt, kann man nun wirklich nicht behaupten. Wo sich die meisten Titel, die diese Epoche als Setting nutzen, jedoch auf das Kampfgeschehen und das Dezimieren der anderen Seite konzentrieren, versucht 11-11: Memories Retold die Thematik von einer ganz anderen, beinahe zeitlosen Seite zu beleuchten und baut seine emotionale Geschichte somit rund um die Tatsache herum auf, dass hinter jedem Krieg – auf beiden Seiten des Konflikts – in erster Linie die Schicksale einzelner Menschen mit ihren persönlichen Hoffnungen und Ängsten stecken.

Ein Kampf mit zwei Seiten

11-11: Memories Retold versetzt euch in die Rolle zweier Charaktere, die auf unterschiedlichen Seiten des Kriegs kämpfen: Harry, ein junger Fotograf aus Kanada, der der Armee der Alliierten beitritt, um die Frau, der sein Herz gehört, zu beeindrucken, und Kurt, ein Mechaniker aus Deutschland, der sich dem Kampf anschließt, um seinen an der Front als vermisst erklärten Sohn zu finden. Im eigentlichen Spielgeschehen wechselt ihr ständig zwischen beiden hin und her und erlebt so hautnah beide Seiten des Konflikts aus völlig unterschiedlichen Perspektiven – und eines wird dabei schnell klar: So etwas wie Gut gegen Böse gibt es hier nicht.

11-11: Memories Retold macht es sich zur Aufgabe, aufzuzeigen, dass Verbündeter und Feind keine schwarz-weißen Gegenteile sind, sondern vom Zufall bestimmte Graubereiche, und dass auf beiden Seiten jeder Auseinandersetzung Menschen mit ähnlichen Ansichten und Einstellungen stehen, deren größter Unterschied es ist, dass das Schicksal sie an unterschiedliche Fronten gestellt hat. Beide Charaktere, die ihr spielt, treten dem Kampf aus Liebe bei und beide erwachen bereits nach kurzer Zeit aus ihrer romantischen Vorstellung von Unbesiegbarkeit und Ruhm und müssen sich der grausigen Realität aus Tod und Zerstörung stellen.

Während ihr Harrys Welt dabei vor allem durch die Linse seiner Kamera beobachtet und euch daran macht, die bedeutendsten Momente des Kriegs auf Film festzuhalten, hört ihr mit Kurt Verbündete sowie Widersacher gleichermaßen per Stethoskop durch Wände hindurch ab oder repariert im Rahmen kleinerer (und eher uninteressanter) Rätsel technische Geräte. Was beide Seiten dabei gemein haben ist jedoch, dass ihr den Großteil eurer Zeit damit verbringen werdet, die Umgebungen zu erkunden und mit euren Kumpanen zu sprechen, um mehr über den Krieg als Ganzes, eure Kammeraden als Individuen sowie euch selbst herauszufinden.

Eure Entscheidungen in 11-11: Memories Retold beeinflussen dabei die Geschichte im späteren Spielverlauf: Harry schickt geschossene Fotos nach Hause zu Julia, seiner Verehrten, und ändert so deren Sichtweise auf ihn, während Kurt in Briefen an seine Frau und seine kleine Tochter Lucie entscheiden muss, wie er ihnen wovon genau erzählt. Vor allem bei Kurt ist es dafür wichtig, möglichst viele Gespräche mit euren Mitstreitern zu führen und Interaktionsmöglichkeiten mit der Umgebung zu nutzen, da diese Dialoge und Aktionen oft weitere Schreibthemen freischalten, die für andere Story-Ausgänge sorgen. Bei Harry kommt es indessen vor allem darauf an, welche Fotomotive ihr wählt – beispielsweise eine friedliche Möwe, die Julia beinahe schon langweilig finden wird, oder ein eindrucksvolles Bild seines Majors, das Julia ins Schwärmen bringt. Schade ist dabei nur, dass das Spiel einem wenig Info dazu gibt, welche Dialoge und Aktionen einen direkt in den nächsten Abschnitt bringen, sodass man sich, gerade als Completionist, oft versucht finden wird, das aktuelle Kapitel neu zu starten, um vor dem Voranschreiten noch auf weitere Erkundungstour zu gehen.

Ein Spiel wie ein Gemälde

Ein Blick auf die Screenshots zu 11-11: Memories Retold zeigt euch sofort, dass der Titel nicht nur mit für Spielen einzigartiger Sicht auf den Ersten Weltkrieg aufwartet, sondern auch, passend dazu, mit einzigartigem Grafikstil. Das gesamte Game hindurch habt ihr dadurch das Gefühl, in einer Art Ölgemälde zu wandeln, wodurch die Umgebungen abstrakt und gleichzeitig verträumt wirken. Das Artdesign soll dabei durchaus ein Statement setzen – die romantisierte Form von Krieg, wie eben in einem Gemälde, oder auch wie unwirklich es ist, sich nach einem relativ ruhigen Leben zuhause an so einem Ort wiederzufinden. Was als Kunstwerk fantastisch klingt, macht im Spiel allerdings nur bedingt Sinn: Durch die ständigen Pinselstriche, die die Engine erzeugt, verschwimmen die Umgebungen und machen es teils schwierig, Dinge zu erkennen, selbst wenn ihr direkt davorsteht. Insbesondere die als Briefe dargestellten Sammelobjekte, die ihr in jedem Abschnitt finden müsst, um zusätzliche Hintergrundinfos zum Ersten Weltkrieg sowie kurze Videos zur Produktion von 11-11: Memories Retold freizuschalten, sind dadurch sehr schwer zu erkennen. Und auch die Charaktere selbst wirken in Nahaufnahme nicht mehr ganz so künstlerisch hübsch schön wie von weiter weg.

Die Sprachausgabe mit vollständiger Vertonung der Charaktere auf Deutsch (für die eine Seite) sowie Englisch (für die andere) schwankt von sehr gut zu mittelmäßig. Während Elijah Wood als Harry und Sebastian Koch als Kurt erstklassige Arbeit leisten, findet man gerade bei den NPCs auch recht motivationslose Sprecher, gerade auf der deutschen Seite. Als Spieler aus Österreich möchte ich an dieser Stelle aber zumindest positiv anmerken, dass man tatsächlich deutsche Sprecher angeheuert hat, die die Sprache wirklich beherrschen – was der Atmosphäre eindeutig zugutekommt.

Der Soundtrack mischt hingegen wieder ganz vorne mit und kommt mit hübschen Melodien sowie Soundeffekten, die sowohl die Ruhe vor dem Sturm wie auch die Feuergefechte selbst atmosphärisch untermalen.

FAZIT

11-11: Memories Retold nimmt sich eines erschreckenden Themas an und schafft es, daraus eine wundervolle, emotionale Story zu machen, die mich schon nach den ersten Kapiteln berührt hat. Ob der dafür gewählte Grafikstil ein Geniestreich oder ein Fehler war, darüber bin ich mir selbst nicht so ganz sicher: Einerseits unterstreicht der verworrene Gemäldestil die Verwirrung und Unwirklichkeit des Kriegsgeschehens und macht das Spiel somit zu einem wahren Kunstwerk, andererseits wird das eigentliche Gameplay dadurch aber unnötig erschwert. Hinzu kommen kleinere Steuerungs- und Kameraprobleme (in einer Sequenz schwebte die Kamera plötzlich weit über dem Geschehen und ich musste quasi blind weiterlaufen – ein offensichtlicher Bug) sowie eine umständliche Menüführung (die Punkte können nur mit Stick, nicht aber mit Digi-Kreuz angewählt werden), die weiteren Punkteabzug beim Handling bringen. Im Endeffekt hängt meine Empfehlung also davon ab, ob ihr über die Schwierigkeiten bei der Umsetzung hinwegsehen könnt, um eine ansonsten wirklich wundervoll erzählte Geschichte mit tiefgründiger und beinahe zeitloser Botschaft zu erleben.

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Was ist 11-11: Memories Retold? Emotionales Action-Adventure, das eine andere, menschlichere Seite des Ersten Weltkriegs, auf beiden Seiten der Front, beleuchtet
Plattformen: PC, PS4, Xbox One
Getestet: PS4-Version
Entwickler / Publisher: Aardman Animations, Digixart / Bandai Namco
Release: 9. November 2018
LinkOffizielle Webseite

Gesamtwertung: 8.0

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 8 | Motivation: 8

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