It’s Indie Time! Rund 15 neue Spiele auf Steam – jeden Tag! Wer kann denn da noch den Überblick behalten und gute Spiele für sich entdecken? Kein Wunder, dass die meisten Spieler es aufgegeben haben, sich alle Neuerscheinungen in Ruhe anzusehen.
Unser Redakteur Sven Evil hat sich für euch durch die aktuelle Flut an Indie Neuerscheinungen auf Steam gewühlt und ein paar interessante Indiespiele herausgesucht, die er euch kurz vorstellt. Darunter eine in Kolumbien spielende Wirtschaftssimulation (Cartel Tycoon), ein Bergsteigerspiel mit Hexfeldern (Insurmountable), ein humorvolles rundenbasiertes Strategiespiel mit einer sexy Heldin (Age of Fear 4: The Iron Killer), ein interaktives Comic (Fate of Kai), eine Kurzgeschichte in einem wunderschönen Wald mit einem dunklen Geheimnis (The Fabled Tales) und ein rundenbasiertes (!) Prügelspiel (Fights In Tight Spaces).
Cartel Tycoon
Im eben im Early Access erschienenen Cartel Tycoon von Entwickler Moon Moose (Publisher: Tiny Build) übernehmen wir die Kontrolle über ein Drogenkartell in Kolumbien. Das Spiel ist von den historischen Ereignissen in den 80ern inspiriert, erzählt jedoch eine vollkommen fiktive Geschichte. Wer wissen will, was damals wirklich abgegangen ist, schaut sich die populäre Netflix Serie Narcos an. Naja, die orientiert sich zumindest auch an ein paar tatsächlichen Ereignissen, Cartel Tycoon borgt sich nur das grundsätzliche Szenario von der Realität aus. Aktuell sind zwei der geplanten vier Spielmodi implementiert: Story und Sandbox. Ein Survival und ein Mehrspielermodus sollen in der Zukunft noch nachfolgen. Im Storymodus spielen wir einen jungen Mann auf Jobsuche, der bei einem Zeitungsinserat anruft und prompt als Geschäftsführer für ein sich im Aufbau befindliches Drogenkartell eingestellt wird. Einfach so. Wir bekommen also eine kleine Hazienda, ein wenig Spielgeld und ein paar Pflanzen, die wir anbauen müssen. Wir ziehen also die notwendige Infrastruktur hoch, um darin Pflanzen anzubauen. Von wegen versteckte Opium Felder mitten im Dschungel, der Drogenbaron mit Stil baut High-Tech Gewächshäuser auf seinem riesigen Grundstück gleich neben der Hauptstraße in unmittelbarer Umgebung zur nächsten Großstadt! Die Pflanzen ernten wir und schmuggeln sie auf unterschiedlichsten Wegen zu unseren Abnehmern im Norden.
Das Spiel ist im Kern eine Wirtschaftssimulation. Wir bauen Farmen, Warenhäuser, Verbindungswege, Drogenlaboratorien, einen Flugplatz und nicht zu vergessen unsere eigene Luxusvilla. Dort bauen wir Opium, Cannabis oder Gemüse an und verdienen immer mehr Geld mit dem Verkauf. Wir stellen Personal ein, erforschen neue Drogen (oder andere Verbesserungen) und übernehmen Krankenhäuser, Banken, Casinos, Kirchen und ähnliches, um unser Schwarzgeld blütenweiß zu waschen. Andere Drogenkartelle werden massakriert, die lokale Polizei wird bestochen, das eigene Imperium kontinuierlich vergrößert. Wer Spaß am Erstellen perfekter Warenkreisläufe hat, dem könnte Cartel Tycoon Spaß machen! Leider wird man auch manchmal erschossen, aber das fällt wohl unter Berufsrisiko bei einem Drogenbaron.
Insurmountable
Nachdem unser schönes Land zu zwei Dritteln von hohen Bergen bedeckt ist, ist eine Bergsteigersimulation doch genau das, worauf wir schon lange gewartet haben. In den letzten 40 Jahren sind nicht sonderlich viele davon erschienen, und schon gar keine wirklich guten oder realistischen. Kommt Insurmountable (auf Deutsch: Unbesteigbar) von ByteRockers‘ Games dem zumindest nahe? Die Aufgabe im Spiel ist einfach zu verstehen – den Gipfel erreichen und lebendig zurückkommen. Es gibt drei Berge mit jeweils drei Routen zu erkunden. Durch die Simulation des Wetters, des Fels-, Eis- oder Schneebodens, eines einfachen Tag/Nacht-Zyklus, der Körpertemperatur, der Energiereserven (des Körpers, nicht vom Handyakku), des Sauerstoffgehaltes im Blut und der eigenen geistigen Gesundheit gibt es einige Dinge, auf die man achten muss. Insurmountable hat eine ziemlich dämliche Hintergrundgeschichte – wir besteigen über 7000m hohe Berge auf einer neu entdeckten Insel. Vollkommen plausibel. Die Berge sehen aus wie eine Hexfeldkarte, wobei die verschiedenen Hexfelder unterschiedliche Höhen haben. Wie ein Berg sieht das ganze jedenfalls nicht aus. Sie werden zu Beginn jedes Spiels zufällig erstellt. Das gefällt mir nicht wirklich, denn Berge ändern sich in der Realität nicht, nur das Wetter oder sonstige Kletterbedingungen ändern sich.
Zu Beginn des Spieles entscheiden wir uns, ob wir ein Abenteurer, ein Wissenschaftler oder ein Journalist sein wollen, wobei jeder von ihnen unterschiedliche Fähigkeiten und Ausrüstungsgegenstände besitzt. Danach klicken wir auf die erste Hexfeld-Kachel und sehen unserer Figur zu, wie sie sich auf den Weg macht. Wir finden Tiere, Höhlen, Pflanzen, Eingeborene, andere Bergsteiger (tot oder lebendig), heilige Schreine und Yeti-Spuren und können an verschiedenen Punkten entscheiden, was wir tun. Helfen wir verletzten Tieren oder essen sie auf, stehlen wir Ressourcen von den Eingeborenen, rasten wir oder gehen wir trotz Erschöpfung weiter. In unserem Zelt oder in einer Höhle können wir schlafen. Unser Charakter levelt auf und erlernt während des Aufstiegs neue Fähigkeiten. Trotzdem werden wir regelmäßig erfrieren, verhungern oder verrückt werden.
Ist das Spiel realistisch? Nein. Ihr könnt eure Kletterroute vor dem Start nicht wirklich planen. Sehr unvorsichtig. Ihr könnt nicht einmal entscheiden, was ihr mit euch führt, essentielle Dinge wie Sauerstoffflaschen oder Zelte findet man während der Klettertour… Sich zusammen mit einer Seilschaft auf den Weg machen geht nicht, ihr könnt nur alleine losklettern. Dafür könnt ihr problemlos in der Nacht klettern, obwohl ihr dann noch schneller erfriert. Wenn ihr eine Höhle oder Hütte findet, könnt ihr sie betreten oder nicht – schnell noch eine Runde in der Umgebung machen und danach wieder zurück kommen geht nicht, die Dinge verschwinden nämlich nach dem ersten Besuch. Ihr könnt die Umgebung aus allen Winkeln beobachten und herauszoomen – so kann man sich nur schwer verlaufen. Auf den Bergen ist viel los – Eingeborene, Monster und viele andere Bergsteiger – die allerdings nicht sonderlich gesprächig und auch immer alleine unterwegs sind. Oder schon tot. Dinge, die mir oberhalb von 7000 Metern begegnet sind: ein Baum, eine Bergziege, die an ein paar Kräutern knabbert, ein heiliger Schrein. Vielleicht habe ich schon halluziniert? Insurmountable ist ein Roguelike und keine Simulation. Schade drum. Spaß hat es aber dennoch gemacht.
Age of Fear 4: The Iron Killer
Im rundenbasierten Strategiespiel Age of Fear 4: The Iron Killer (eigentlich: The Mystery of the Iron Killer) von Leslaw Sliwko haben wir zu Beginn zwei Optionen: Entweder wir spielen die Kampagne, in der wir Angela, eine furchtlose junge Vampirjägerin auf der Spur eines brutalen Mörders spielen. Sie wird vom Magier Nazell begleitet. Oder wir spielen das Volk der Meeresbewohner in einem Open World Szenario. Hier haben wir die Landkarte vor uns, auf der wir Missionen auswählen können, Einheiten rekrutieren oder unsere Stadt ausbauen, wobei die Zeit mit jedem unserer Züge voranschreitet und sich Dinge in der Welt verändern.
Das Spiel ist unheimlich komplex – jeder Held und jeder Einheitentyp hat seinen eigenen Fähigkeitsbaum. Mit hunderten einzigartigen Einheiten und über 250 verschiedenen Zaubersprüchen und Fähigkeiten sind enorm viele Strategien möglich. Die KI spielt in den Kämpfen ziemlich gut und macht (fast) jede Schlacht zu einer echten taktischen Herausforderung. Neu in Teil 4 ist das Crafting System – wenn euer Held die erforderlichen Fähigkeiten, Ressourcen und den Bauplan hat, kann er verschiedene Gegenstände herstellen. Die Kampagne bietet verzweigte Handlungsstränge und unterschiedliche Enden – was will man mehr? Ok, vielleicht bessere Grafiken bei den Kämpfen, denn sind sicher nicht das Highlight der Serie. Leider wird auch Ultrawidescreen nicht unterstützt und ich muss in einem Fenster spielen. Dafür ist die Musikuntermalung gut. Insgesamt ist Age of Fear 4: The Iron Killer ein erfrischend spaßiges, aber gleichzeitig komplexes rundenbasiertes Strategiespiel, das eine riesige Vielfalt an Einheiten und herausfordernde Kämpfe bietet. Wer über die indiemäßige Präsentation hinweg sehen kann, erhält Spielspaß für viele Stunden.
Age of Fear 4: The Iron Killer ist noch so neu, dass es noch nicht einmal auf der Seite des Herstellers erwähnt wird. Dort endet die Reihe noch mit dem dritten Teil der Serie, Age of Fear 3: The Legend, der zwei lange und völlig unterschiedliche Kampagnen bietet, in denen wir als eine attraktive Dryade oder als ein versoffener Zwerg spielen können. Die Age of Fear Serie gibt es übrigens bereits seit vielen Jahren, Teil 1 und 2 wurden komplett neu überarbeitet und sind als Gold Versionen auf Steam erhältlich.
Fate of Kai
Ein neues, gut aussehendes Point-and-Click-Adventure? Ja, das muss ich spielen! Aber, aber … Fate of Kai von Trylight Game Studio ist keines. Es ist etwas Neues. Etwas, das sich völlig anders spielt. Es ist eine Geschichte, die nicht dem Pfad der Zeit folgt. Es ist ein Buch, in dem man Dinge tut, etwas bekommt, ein paar Seiten zurückblättert und die Sache, die man gerade ein paar Seiten weiter vorne bekommen hat, in der Vergangenheit benutzt. So eine Art Back to the Future, aber ohne Probleme mit dem Raum-Zeit-Kontinuum. Ergibt das Sinn? Nein, um ehrlich zu sein, nicht für mich. Es ermöglicht aber einige interessante Rätsel. Wir lesen also ein wunderschön illustriertes Comicbuch, in dem wir einzelne Wörter (die Gedanken der Figur) aus einigen Panels herausreißen können. Bis zu drei dieser Gedanken können wir im Inventar haben, um sie in anderen Panels einzusetzen und dadurch die Geschichte in eine bestimmte Richtung zu lenken. Natürlich hat man oft keine Ahnung, was das Einfügen eines Wortes bewirkt, aber wenn man stirbt oder in eine Sackgasse gerät, kann man einfach ein paar Seiten zurückblättern. Im Endeffekt handelt es sich um eine Art Gamebook/Make-Your-Own-Adventure-Spiel mit dem neuen Konzept, „Gedanken“ aus der Zukunft zu bekommen und sie zu benutzen, um die Vergangenheit zu verändern.
Der Comic verwendet keine Worte (abgesehen von den wenigen zuvor erwähnten „Gedanken“). Das mag für Analphabeten gut sein, macht die Geschichte aber für Menschen mit begrenzter Vorstellungskraft (wie mich) verwirrend. Obwohl ich mir einige Panels sehr genau angesehen habe, habe ich immer noch nicht wirklich alles verstanden, was passiert ist. Ich habe die wenigen Wörter, die man zur Verfügung hat einfach an allen möglichen Stellen eingefügt (es gibt nicht so viele Stellen, an denen man sie einfügen kann), bis die Geschichte zum nächsten der sieben (kurzen) Kapitel weiter gesprungen ist. Wirklich schwer war das nicht, wenngleich mich die Orientierung im Wald oder vor allem das Bergwerk doch ein wenig länger beschäftigt hat. Alles in allem ein innovatives kleines Spiel zum fairen Preis, das für Spieler interessant sein könnte, die ein einfaches Abenteuerspiel mit einer kindgerechten Erzählung suchen.
The Fabled Woods
Publisher Headup Games hat mit The Fabled Woods von CyberPunch Studios ein neues Abenteuerspiel auf den Markt gebracht, das weder sonderlich lange ist noch mit neuartigem Gameplay überrascht. Dafür bietet es allerdings eine hervorragende Grafik, die eure Grafikkarte (soferne ihr bei der aktuellen Situation eine habt, ich wollte mir letzte Woche eine kaufen, aber das ist eine andere Geschichte…) ordentlich fordert (und Nvidia DLSS and RTX unterstützt) und dazu eine spannende Geschichte. The Fabled Woods ist grundsätzlich ein Vertreter der in den letzten Jahren als „Walking Simulator“ bekannt gewordenen Spiele, allerdings in diesem Fall mit einer düsteren, bedrückenden Stimmung, die sehr in Richtung psychologische Horrorspiele tendiert. Sterben könnt ihr aber trotzdem nicht. Wir werden von der Stimme von Larry begrüßt, der im Wald ein wenig Zeit mit seinem Sohn verbringen wollte, aber irgendwas scheint dabei schief gelaufen zu sein. Jedenfalls kennt uns Larry bereits und meint, dass wir hier im Wald die Antworten auf unsere Fragen finden werden, und dass wir „dieses Mal“ aufpassen sollen. Wir finden mitten im Wald ein Zelt und zwei Rucksäcke, aber keine Menschenseele. Eine Einblendung fordert uns auf, den Hinweisen zu folgen… und damit beginnt die makabre Kurzgeschichte auch schon. The Fabled Woods bietet übrigens volle Razor Chroma Unterstützung – mit der entsprechenden Hardware von Razer könnt ihr Maus, Tastatur, Kopfhörer und das Mauspad in den zum Spiel passenden Farben leuchten lassen.
Fights In Tight Spaces
Vom Entwickler Ground Shatter (Publisher Mode 7) ist ein interessanter Card Battler im Early Access herausgekommen, in dem ihr die Rolle eines Spezialagenten übernehmt, der auf seinen Missionen Raum um Raum voller Krimineller im Nahkampf ausschaltet. Die Hintergrundgeschichte ist ein wenig einfach gestrickt, das Gameplay ist es jedoch nicht. Fights in Tight Spaces (Kämpfe auf engem Raum) ist genau das – eine rungenbasierte Prügelei in engen Räumen. Was seltsam klingt, macht unheimlich Spaß. Ihr wählt ein Kartendeck, bekommt von eurem Boss eine Mission und schon beginnt das roguelite Kartenkampfspiel. Wie es sich für einen Geheimagenten gehört, seid ihr immer alleine unterwegs und müsst in jedem Raum eine Überzahl von Gangmitgliedern und schließlich den Boss k.o. schlagen. Dazwischen gibt es Räume, um eure Figur zu heilen oder neue Karten zu kaufen. Nach gewonnenen Kämpfen könnt ihr euer Kartendeck auch mit einer neuen Karte aufbessern. Eure Karten sind in vier Kategorien unterteilt: Angriffe, Verteidigungen, Bewegungen und Spezialkarten. Damit lässt sich schnell darauf losprügeln, aber um Erfolg zu haben müsst ihr die Karten bedacht und genau zum richtigen Zeitpunkt ausspielen. Beispielsweise um einen Gegner in den Feuerbereich eines mit einer Handfeuerwaffe bewaffneten anderen Gegners zu stoßen (der dann die für euch gedachte Kugel abkriegt), oder um einen Gegner mit seinem Kopf gegen die Wand zu stoßen – dazu muss natürlich eine Wand vorhanden sein. Generell ist bei Fights in Tight Spaces die Positionierung aller Figuren überaus wichtig. Angriffe bauen einen Kombo-Wert auf, der benötigt wird um manche Karten überhaupt erst ausspielen zu können oder zumindest noch effektiver zu machen. Ihr könnt zwischen vier verschiedene Starterdecks wählen, sobald ihr sie alle (durch das Erreichen bestimmter Punkte im Spiel) freigeschalten habt. Jedes Deck konzentriert sich auf einen anderen Spielstil. Das erste Deck ist ein ausgewogenes Deck, das sowohl Angriff als auch Verteidigungskarten beinhaltet, was es zu einem perfekten Anfänger-Deck macht. Das zweite Deck ist ein passives Deck mit Gegenangriffen und vielen Blockkarten, was es zur perfekten Wahl für vorsichtige Spieler macht. Das dritte Deck hat vor allem viele Karten mit hohem Schaden während das letzte Deck ein Trickster-Deck ist, das sich darauf konzentriert, Gegner zu überlisten und auszuspielen.
Seit dem letzten Update im April ist das Spiel ein wenig leichter geworden, da sich die Gegner nicht mehr in ihrer ersten Runde bewegen und man am Ende jedes Kampfes zwischen drei Belohnungen wählen kann. Auch wurden neue Zufallsereignisse eingebaut, die ein wenig Abwechslung in das Spiel bringen. Zum Beispiel müsst ihr manchmal einen Zivilisten beschützen und im Raum herumschubsen, damit ihn eure Gegner nicht töten können. Der minimalistische Grafikstil ist überaus gut gelungen, ein erfolgreicher Kampf schaut aus wie wenn sich der Held in einem Actionfilm durch einen Raum voller Statisten prügelt. Alles in allem bringt Fights in Tight Spaces einige neue Ideen in das Genre der Kartenkampfspiele und macht höllisch Spaß – zumindest solange man nicht gerade von einer Horde Krimineller zusammengeschlagen wird – einfach ist das Spiel nämlich nicht. Wer vor einem eventuellen Kauf erst ein wenig in das Spiel hinein schnuppern will, kann sich übrigens den kostenfreien Prolog auf Steam holen.