Vor 13 Jahren brachte das Studio von Remedy Entertainment mit Alan Wake einen kleinen Schatz auf den Videospielmarkt. Auch, wenn der Erfolg anfangs nicht so groß war wie bei Max Payne, hat Alan Wake bis heute seine Fans. 2012 gab es mit Alan Wake’s American Nightmare zwar eine Art Nachfolger aber so richtig eingeschlagen hat der Titel nicht. Das soll sich jetzt mit Alan Wake 2 ändern, aber kann die Geschichte um den Schriftsteller ein Jahrzehnt später immer noch fesseln?
Bäume links und rechts, endlose Straßen, die FBI-Agenten Saga Anderson und ihr Partner Alex Casey sind auf dem Weg nach Bright Falls. Das Opfer, ein Mann, nackt auf einen Tisch gebunden. Ein tiefer Schnitt in seiner Brust, das Herz neben der Leiche liegend. Die Zeugen sagen, er sei aus dem See gekommen. Eine wirre Geschichte von Gestalten mit Hirschmasken und Messern. Rituelle Gesänge, von Bäumen handelnd. Ach ja, das Hirschfest steht bevor!
Während Saga und ihr Partner die Ermittlungen aufnehmen, bereitet sich der Ort auf das Fest vor. Im Wald tauchen schattenartige Wesen auf, sie wirken besessen. Saga kann ihnen nur mit Licht entgegentreten und sie mit ihrer Taschenlampe schwächen. Manche von ihnen verschwinden dann, andere verlangen nach gezielten Treffern aus ihrer Dienstwaffe. Sie hat den Weg durch den Wald überlebt und musste sich nun den Spuren und Beweisen widmen. Sie tauchte in ihren Gedankenraum ein, ein großer Raum der einer Berghütte glich. Hier konnte sie Fallakten einsehen, ihre Waffe verbessern und durch Profiling ihre Ermittlungen voranbringen. Fein säuberlich pinnte sie Tatortfotos an die Wand und verband diese mit roten Fäden. Jeder Fall bekommt eine eigene Akte, damit sie nicht den Überblick verliert. Vielleicht hängen die Fälle ja zusammen? Während Saga sich diese Frage stellte, musste sie auf der Hut sein, denn die Schattenwesen konnten auch angreifen, wenn sie in ihrem Gedankenraum war.
Um mehr Informationen zu bekommen, musste Saga sich im Ort umhören. Es war ein kleiner, sehr schöner Ort, der an die Serie Twin Peaks erinnerte. Die Menschen, die dort lebten, waren teils sehr seltsam. Einfach alles hier war…anders. Ein Mann tanzte in der Hotel Lodge, obwohl keine Musik lief. Ein anderer saß ihn seinem Hotelzimmer im Dunkeln und wartete anscheinend nur darauf das jemand hereinkam um ihn oder sie dann anzustarren bis das Unbehagen so groß wurde, dass es kaum noch auszuhalten war. Überall in der Stadt fand Saga Kühltruhen oder ähnliche Behälter mit nützlichen Dingen wie Munition oder Erste-Hilfe-Sets.
Special Agent Alex Casey erinnerte an den Charakter eines bekannten Videospiels mit dem Namen Max Payne. Er war ein ruhiger Ermittler, der reges Interesse an dem Kaffee aus dem Ort zeigte. Er kannte einige Personen in Bright Falls aus seiner Vergangenheit, offenbarte diese Informationen aber nicht gerade im Übermaß. Manchmal wechselte er die Sprache. Seine Lippenbewegung passte auch nicht immer zu den Worten, die er sprach. Das störte aber bei den Ermittlungen nicht weiter. Die beiden FBI-Agents bewegten sich durch Bright Falls und dessen Umkreis stets mit ihrem Wagen, eine andere Möglichkeit von Ort zu Ort zu kommen gab es hier nicht. Ab und an konnten sie ihre Ermittlungsfortschritte mit einem kräftigen Schluck aus den Thermoskannen, die überall in dem Ort herumstanden sichern.
Während Saga und Alex…. AH… Mein Kopf! Was ist das? Diese Bilder… Erinnerungen? Visionen? Sind sie bereits geschehen? Ich muss hier weg! Ich laufe durch ein Gebäude, ein Fernsehstudio. Raum für Raum suche ich ab und finde einfach keinen Ausweg. Ich bin nicht allein… Jemand ist hier, oder etwas. Schatten, sie rufen meinen Namen. ALAN WAKE!…ALAN WAKE! Nicht bejubelnd, eher wie Jäger die ihre Beute erspäht und die Angriffshaltung eingenommen haben. Sie kommen auf mich zu. Was soll ich tun? Ich benutze eine Lampe und ziele mit meinem Revolver. Das Licht, es beschützt mich. Ein Schatten nach dem anderen weicht zurück und verschwindet. Aber nicht für lange, ich muss mich beeilen. Gefahr… Flucht… Gefahr… Flucht!
Ich nehme Batterien und Munition aus Werkzeugkisten mit und laufe weiter durch die teils immer gleichen Gänge. Eine Stimme, ein Mann, er singt. Ich finde ihn in einem Abstellraum. Der Hausmeister, ich kenne ihn…aus einem Roman? Nein! Ein Spiel. Control! Ich erinnere mich. Er hilft mir, auch wenn er nur wirre Worte von sich gibt. Meine Lampe kann Licht speichern und an anderer Stelle wieder abgeben. So öffnen sich neue Wege, so werde ich entkommen. Ich MUSS weiterschreiben, die Geschichte zu Ende bringen. Wenn ich die Geschichte umschreibe, ändert sich die Realität. Gebäude und Wege, die vorher da waren, sind es nicht mehr. Ich erinnere mich an einen See. Einen See der keiner ist. Was erwartet mich am Ende der Dunkelheit? Ich muss schreiben. Zeile für Zeile, Seite für Seite. Saga wird diese Seiten finden, sie werden ihr helfen. Sind unsere Geschichten miteinander verwoben?
Zusammenfassung
Grafik
Die Mischung aus Silent Hill und Twin Peaks Vibes findet sich in jedem Winkel des Spiels. Die Zwischensequenzen sind teils mit realen Schauspieler*innen gedreht und bringen so noch eine zusätzliche Ebene in das Geschehen. Im Spiel selbst erwartet uns keine Grafik wie bei TLOU, aber immer noch eine sehr gute Optik. Der Star in Alan Wake 2 ist und bleibt aber definitiv die Spielwelt. Die dunklen Wälder, die mit Graffiti übersäten Straßen oder U-Bahntunnel sind grandios und suchen ihresgleichen.
Sound
Für den Sound gibt es eine 10/10! Die Synchronisation (sofern sie nicht plötzlich die Sprache wechselt) ist großartig gelungen. Die Geräusche der Besessenen sind genauso intensiv wie die Hintergrundmusik die langsam lauter wird und ankündigt, dass gleich etwas passieren wird, oder auch eben nicht. Die Spannung wird so immer auf dem höchsten Level gehalten. Nach jedem Kapitel gibt es auch noch einen Song in voller länge, welchen ihr euch im Gedankenraum anhören könnt. Hier sieht man wieder wie wichtig das Sounddesign speziell im Horror-Genre ist.
Handling
Die Steuerung ist solide und tut, was sie soll. Keine großen Extras oder dutzende Möglichkeiten. Schnellauswahl, Laufen, Ausweichen, Zielen und Schießen. Mehr braucht es bei Alan Wake 2 nicht. Das alles funktioniert auch sehr gut und überfordert zu keiner Zeit. Sowohl die Kämpfe als auch unsere „Büroarbeit“ machen Spaß und funktionieren einwandfrei.
Spieldesign
Die Entscheidung für zwei spielbare Charaktere finde ich gut. Sowohl die Abschnitte mit Saga als auch die mit Alan haben ihren Reiz. Während Saga zusätzlich die Ermittlungsarbeit hat, haben wir mit Alan kleinere Rätselpassagen, die wir mithilfe seiner speziellen Lampe lösen müssen. Beide haben aber sowohl den direkten als auch den subtilen Horror in ihren Abschnitten. Genau diese Mischung macht das Spiel einzigartig. Mal haben wir einen dunklen Weg mit mehreren Gegnern vor uns und wissen was da jetzt auf uns zukommt und im nächsten Moment stehen wir in einem hell beleuchteten Raum mit einem Charakter, der eigentlich nicht hier sein kann oder soll und wir erleben wieder einen dieser WTF-Momente von denen es in Alan Wake 2 einige gibt. Die Idee, die Spielwelt zu verändern, indem man die Geschichte umschreibt, ist mal etwas Neues und auch recht gut umgesetzt. Natürlich wird man geführt, aber nie so sehr, dass man das Gefühl hätte die Kontrolle abzugeben.
Motivation
Jede Ecke im Spiel ladet zum Erkunden ein und ich habe selten ein Spiel gesehen, bei dem ich das auch wirklich machen will. Jedes Blatt Papier oder Plakat im Game ist interessant, da darauf nicht immer nur Informationen stehen, sondern auch mal Texte die aus Horrorromanen stammen könnten oder euch einfach nur verwirren sollen. Durch den eher linearen Spielaufbau kann man ohnehin nicht viel auslassen. Will man aber auch nicht. Da bereits zwei Story DLCs angekündigt wurden, sollte das Game nicht nach einem Durchlauf auf eurem Datenspeicher vergammeln.
FAZIT
Nach diesem literarischen Artikel, hier ein klassisches Fazit. Wer auf psychischen Horror steht und mit Stimmung und Geräuschen eher etwas anfangen kann als mit brutalem Gore, wird mit Alan Wake 2 sehr glücklich. Seit Silent Hill habe ich kein Spiel mehr gespielt, dass eine derartige Sogwirkung auf mich hatte. Wo der erste Teil noch ein bisschen mehr Action hatte, lässt uns der zweite Teil mehr in den Survival Horror tauchen. Macht mich das Game fertig? Ja, stellenweise schon! Wieso tu ich mir das dann an? Weil ich es Liebe! Diese irre Welt in der in jeder Ecke irgendetwas seltsames oder gruseliges passiert oder passieren könnte ist einfach herrlich. Statt panisch durchzulaufen, sehe ich mir jeden Winkel genau an. Das nicht zu tun, wäre als würde ich eine Seite aus einem Roman auslassen. Ich könnte der Handlung folgen, aber ich hätte definitiv nicht alles erlebt. Selten habe ich so viele Momente in einem Game gehabt, in denen ich dachte „Ah das war doch in dem Film“ oder „Erinnert mich an genau die eine Szene aus der Serie XY“. Auch Verbindungen zu Control, welches ja im selben Universum spielt, sind da. Das Spiel überhäuft euch nicht mit zig Haupt und Nebenmissionen. Es lebt von der Stimmung die es erzeugt, statt euch mit der Aussicht auf 80 Stunden Spielzeit oder mehr zu ködern. Ich könnte noch etliche Seiten schreiben, um euch zu erklären, wieso Alan Wake 2 ein tolles Spiel ist, aber das solltet ihr selbst rausfinden. Ist das Spiel perfekt? Nein. Doch auf seine eigene, seltsame Art irgendwie schon. Erinnert euch an den letzten Satz im ersten Teil, „Es ist kein See. Es ist ein Ozean.“ Also spielt Alan Wake 2, aber vergesst nicht das Licht… Das Licht schützt euch.