Samurai oder Shinobi? In Assassin’s Creed Shadows müsst ihr beide spielen – mal direkt und mit brutaler Gewalt, mal leise schleichend und mit tödlicher Präzision. Ubisoft hat den neuesten Teil seiner erfolgreichen Reihe veröffentlicht – und erstmals ins feudale Japan verlegt.
Das erste Assassin’s Creed ist bereits 2007 erschienen – und hat damals Maßstäbe gesetzt. Eine derart realistische Spielumgebung (und weniger realistische Kletterkünste) hat man bis dahin kaum in einem Spiel in solcher Grafikpracht sehen dürfen. Spätestens mit dem zweiten Teil aus 2009 war dann auch das Gameplay perfektioniert – schleichen, klettern, Parkour laufen, meucheln, Geheimnisse entdecken – und neben dem historischen Hauptspiel auch immer eine kleine Parallelstory in der Gegenwart. Assassin’s Creed Shadows ist nun – falls ich mich nicht verzählt habe – bereits der vierzehnte Teil der (Haupt-)Serie. Neben den Hauptspielen gibt es u.a. einen Kinofilm, Romane, Comics, Brettspiele, massenhaft Merchandise-Artikel und natürlich eine Menge an Spin-offs wie die Assassin’s Creed Chronicles-Titel oder mehrere Handyspiele. Es steht außer Frage – Assassin’s Creed ist eine der größten Computerspielserien aller Zeiten.
Assassin’s Creed Shadows will nun an die Erfolge früherer Spiele anschließen – und dem Assassin’s Creed Universum ein weiteres Epos hinzufügen. Wird ihm das gelingen?
Japan im 16. Jahrhundert
Japan steht an einem Scheideweg. Fremde Mächte greifen nach Einfluss, die alte Ordnung gerät ins Wanken. Doch die wahre Bedrohung lauert im Schatten: Eine geheime Liga zieht im Verborgenen die Fäden, um ihre eigenen Pläne zu verwirklichen. Es liegt an uns, sie aufzuhalten. Oder besser gesagt: an Yasuke und Naoe. Zwei Schicksale, zwei Wege. Yasuke, der legendäre afrikanische Samurai, dient Oda Nobunaga mit unerschütterlicher Loyalität. Naoe, eine Shinobi aus Iga, kämpft für die Freiheit ihrer Heimat. Gegensätze, die sich eigentlich ausschließen – und diesmal doch untrennbar miteinander verknüpft sind.
Eines vorweg: Assassin’s Creed Shadows erschafft eine faszinierende Kulisse, doch die eigentliche Story? Sie bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück. Zugegeben, auch frühere Teile der Reihe waren keine Meisterwerke der Erzählkunst, doch sie boten zumindest Spannung und Motivation, um tiefer in ihre Welt einzutauchen. Shadows hingegen leidet an seiner Vorhersehbarkeit. Überraschende Wendungen? Kaum vorhanden. Fesselnde Spannungsbögen? Fehlanzeige. Das Spiel webt zwar ein Netz aus Intrigen und Geheimnissen, doch es reißt, bevor es sich entfalten kann.
Das größte Problem? Die oft blasse Antagonisten, deren Identität oft schon nach wenigen Missionen offensichtlich ist. Wo frühere Teile mit cleverem Hocharbeiten in feindlichen Organisationen punkteten, fehlt Shadows jeglicher erzählerische Aufbau. Auch die Nebenfiguren bleiben farblos – sie haben Geschichten, doch kaum Gewicht.
Etwas mehr überzeugen können die persönlichen Werdegänge von Yasuke und Naoe. Sicher, auch diese haben einige erzählerische Schwächen, aber es macht dennoch Spaß, ihren Weg zu einem ehrenhaften Samurai oder einer tödlichen Shinobi zu verfolgen. Ihre Motivation ist klar, ihre Entscheidungen oft nachvollziehbar – doch für eine insgesamt epische Erzählung reicht auch das nicht. Alles in allem ist die Story leider eine vertane Chance von Ubisoft. Nach rund 30 Stunden, als schließlich der Abspann lief, wartete ich immer noch darauf, dass die Geschichte an Tempo gewinnt. Doch das passierte nicht. Zurück bleibt nur ein maues Gefühl– und die Frage: Das war’s jetzt?
Yasuke und Naoe
So, genug gemeckert – jetzt wird’s besser, versprochen! Denn die wahre Stärke von Assassin’s Creed Shadows liegt in seinem Gameplay. Ubisoft setzt hier auf eine Mechanik, die bereits in Syndicate zum Einsatz kam: Dank der zwei spielbaren Protagonisten haben wir (größtenteils) die Wahl, wie wir spielen wollen.
Grundsätzlich bleibt das Kampfsystem eher simpel. Es gibt leichte und schwere Angriffe, die sich durch längeres Halten zu mächtigen Haltungsattacken aufladen lassen – ideal, um gegnerische Blöcke zu durchbrechen und Schwachstellen offenzulegen. Dazu kommen Ausweich- und Blockmechaniken, die je nach Gegner mal mehr, mal weniger gefragt sind. Einige Feinde erfordern taktisches Vorgehen, doch oft reicht schlichtes Draufhauen – zumindest, wenn man unseren Samurai spielt.
Yasuke ist kein Assassine im klassischen Sinne. Er ist ein Samurai – groß, stark, respekteinflößend. Schleichen? Täuschung? Nicht sein Stil. Stattdessen pflügt er sich durch Gegnerhorden wie ein wandelnder Sturm. Verriegelte Tore? Kein Problem – einfach einrennen und weiter geht’s. Sein Kampfstil ist wuchtig und brutal, seine Waffen – darunter Oukatana, Naginata, Kanabou, Bogen und Teppou – bieten genug Abwechslung, und weiter verstärkt durch individuelle Skilltrees mit aktiven und passiven Fähigkeiten. Doch wer lieber aus den Schatten agiert, wird mit Yasuke wenig Freude haben. Zum Glück gibt es da noch Naoe.
Mit Naoe bekommt man die klassische, beliebte Assassin’s-Creed-Erfahrung – und vielleicht sogar besser als je zuvor. Sie bleibt in den Schatten, schleicht lautlos durch feindliche Lager und eliminiert ihre Ziele mit tödlicher Präzision. Ihre versteckte Klinge ist ihr treuester Begleiter, doch wenn es nötig ist, setzt sie auch ihre anderen Waffen ein: Katana, Tanto und Kusarigama. Schleichen und Klettern sind ihr am liebsten, und mit der Wendigkeit eines Wiesels manövriert sie um ihre Gegner herum. Rauchbomben, Kunai und andere Gadgets machen sie für jede Situation gewappnet. Doch im offenen Kampf zeigt sich ihre Verletzlichkeit: Gegen zwei oder drei Gegner kann sie sich durchaus noch behaupten, doch wird das ganze Lager alarmiert, bleibt oft nur die Flucht. Zum Glück ist sie darauf bestens vorbereitet – mit Parkour-Fähigkeiten und einem Greifhaken, mit denen sie blitzschnell über Dächer, Bäume und Mauern entkommt. Die neue Steuerung mit zwei separaten Tasten für Auf- und Abstieg macht das Klettern geschmeidiger denn je.
Einziger Wermutstropfen: Die übertriebenen Saltos hätte man sich aus Realismusgründen sparen können. Und als früherer Kendo-Liebhaber schmerzt mich ihre merkwürdige Schwerthaltung jedes Mal aufs Neue – aber das ist wohl mein persönliches Problem.
Die Reise durch Japan
Eines muss man Assassin’s Creed Shadows aber lassen: An Beschäftigung mangelt es hier bestimmt nicht. Von den Hauptmissionen bis hin zu einfachen Nebenaufgaben wie dem lautlosen Heranschleichen an ein Tier, um es zu malen – hier gibt es von allem etwas. Doch fangen wir mal mit den Mainquests an.
Trotz des starken Gameplays schöpft Shadows sein volles Potenzial bei den Hauptmissionen nicht aus. Viele Missionen wirken zu repetitiv: Wir infiltrieren feindliche Lager, erledigen Zielpersonen, stehlen Dokumente oder sammeln Gegenstände. Mechanisch funktioniert das gut, und es gibt einige Highlights – etwa eine Mission, in der Naoe die Kunst der Teezeremonie erlernt. Doch solche kreativeren Momente bleiben in der Regel leider die Ausnahme. Gerade das japanische Setting, mit all seinen kulturellen Eigenheiten, hätte dann doch deutlich mehr Abwechslung hergegeben.
Besser sieht es bei den Nebenaufgaben aus. Einige bieten dann sogar doch spannende Herausforderungen. So jagen wir gefährliche Shinobi, von den Menschen auf unterschiedliche Weise gefürchtet werden, oder fordern mit Yasuke die ehemaligen Schüler unseres Lehrmeisters zum Duell heraus. Auch Sammelaufgaben sind reichlich vorhanden – etwa das Aufspüren verlorener Schriftrollen in Tempeln, die den Skilltree verbessern. Doch vieles davon bleibt am Ende reine Beschäftigungstherapie, da sich auch diese Aktivitäten teils zu oft wiederholen.
Was Shadows jedoch meisterhaft inszeniert, ist seine Spielwelt. Japan war selten so beeindruckend dargestellt. Lebendige Städte, kleine Dörfer, dichte Wälder, endlose Felder, schroffe Gebirge – jedes Panorama lädt zum Staunen ein. Und dann der Wechsel der Jahreszeiten: Mal erstrahlt das Land im satten Grün des Sommers, mal liegt es in einer sanften Schneedecke verborgen. Ein Anblick, der immer wieder zum Innehalten verlockt – und zum Drücken der Screenshot-Taste.
High-End PC vorhanden?
Bei der Technik hat sich Assassin’s Creed Shadows nicht lumpen lassen. Wenn ihr ein Spiel sucht, um eure neue Hardware so richtig auszulasten, seid ihr hier richtig. Raytracing, DLSS 3.7 / FSR 3.1, Ultrawide-Auflösung, HDR, keine Frameratebegrenzung – damit bringt ihr auch eine Nvidia RTX 4090 mit 24 GB RAM und der neuesten High-end CPU ins Schwitzen. Eine SSD ist sowieso Voraussetzung. Assassin’s Creed Shadows unterstützt MSI Mystic Light. Aktiviert Game Link in der App, und schon blinken eure LEDs am PC in Sync zum Spielgeschehen. Ein netter Bonus – sehr viele Spiele unterstützen dieses Feature ja leider nicht (aber unter anderem auch die letzten Assassin’s Creed-Spiele).
Die Minimalanforderungen am PC sind gesalzen – ohne Nvidia GeForce GTX 1070 mit 8 GB oder AMD Radeon RX 5700 mit 8 GB solltet ihr es nicht versuchen. 16 GB Hauptspeicher ist ebenfalls Voraussetzung für das Spiel. Eine Nvidia 3060 bzw. Radeon RX 6700 XT wird empfohlen, um mit FullHD, 60 FPS und mittleren Grafikeinstellungen zu spielen. Um alle Einstellungen voll aufzudrehen, kann eure Hardware natürlich nicht stark genug sein. Aber für irgendwas muss die Nvidia RTX 5090 ja schließlich gut sein!
Kaufen könnt ihr Assassin’s Creed Shadows sowohl für den PC (Ubisoft Shop, Steam, Epic Games Store), den Mac als auch für die PlayStation 5 und die Xbox X|S. Auf Amazon Luna könnt ihr das Spiel streamen, wenn ihr keine entsprechende Hardware zu Hause habt. Eine Version für das iPad ist geplant.
Zusammenfassung
FAZIT Sven
Anfangs habe ich befürchtet, es mehr mit einem Schnetzelspiel als einem Assassin’s Creed zu tun zu haben. Zu Beginn spielt ihr nämlich den schwarzen Samurai Yasuke (basierend auf einem historischen Charakter). Und der ist definitiv kein typischer Assassine. In einem MMORPG wäre er ein Tank. Immer im Zentrum der Schlacht teilt er ordentlich aus, kann aber auch viel einstecken. Schleichen ist nicht so seines.
Meine Befürchtung hat sich aber rasch verflüchtigt, denn als Shinobi spielt sich Assassin’s Creed Shadows ganz anders – durch hohes Gras schleichen, Gegner von hinten lautlos erstechen, im Schatten ungesehen durch Feindgebiet schleichen, Lichtquellen mit einem Wurfgeschoss auslöschen, behände über japanische Holzdächer laufen und an gespannten Seilen entlang balancieren, mit dem Greifhaken ein Seil werfen, um an Wänden hochzuklettern, von oben herab auf einen Gegner springen und ihn eliminieren – sobald ihr zu Naoe wechselt, spielt sich das Game wie ein klassisches Assassin’s Creed. Und das Szenario ist neu, ich habe mich gefühlt wie ein Meuchelmörder aus dem Roman Shogun von James Clavell. Assassin’s Creed Shadows bietet neben den bekannten Features auch noch ein paar bisher in Spielen noch nicht (oft) gesehene Features. Ihr könnt beispielsweise als Naoe auf eurem Pferd Kiri ganz normal reiten oder mit ihm galoppieren – aber ihr könnt auch eure Position am Pferd ändern und am Pferderücken in die Hocke gehen – um dann vom Pferd direkt auf einen Gegner zu springen. Oder ihr legt euch flach auf den Boden, um auch ohne Vegetation nicht sofort entdeckt zu werden.
Naoe mag sich vor ihren Gegnern lieber verstecken – aber Assassin’s Creed Shadows mit seinem unverbrauchten japanischen Szenario muss sich ganz sicher nicht vor der aktuellen Konkurrenz (und den eigenen Vorgängern) im Schatten verstecken, sondern gehört für mich zu den schönsten und auch spielerisch besten Teilen der schon so lange laufenden Assassin’s Creed-Reihe.
FAZIT HANNES
Assassin’s Creed Shadows ist definitiv das bisher „schönste“ Assassin’s Creed, das war mein erster Gedanke beim erstmaligen Spielen in 4K-Auflösung. Technisch hat Ubisoft tief in der Trickkiste gekramt, heraus gekommen sind wunderschöne Landschaften, die Jahreszeiten wechseln, Blätter segeln durch die Gegend, alles ist mit viel Liebe zum historischen Setting gestaltet und macht Laune beim Umhersteifen in Japan. Aber konnte mich AC:Shadows auch spielerisch überzeugen? Ja und Nein, es gibt zwar viel zu tun, wie auch schon in den vorigen Teilen der Serie, aber vieles ist repetiv im Gameplay und auch die Story konnte mich nicht ganz so abholen. Auf der anderen Seite macht es dann doch wieder mächtig Spaß sich an Gegner heran zu schleichen und in diese bester Assassinen-Manier zu erledigen. Mit den zwei unterschiedlichen Kämpfertypen bringen die Entwickler dann doch wieder etwas mehr Abwechslung ins Kampfgeschehen und auch in die Missionen. Wer die Serie liebt, wird auch den neuen Teil lieben, soviel steht fest und ist sicher viele Stunden beschäftigt die letzten Winkel der liebevoll gestalteten Spielewelt zu erforschen.
FAZIT TOBI
Assassin’s Creed Shadows ist vor allem eines: Ein Assassin’s Creed in Reinform – mit all seinen Stärken und Schwächen. Das Gameplay überzeugt: Es ist durchdacht, abwechslungsreich und geschmeidig. Ob mit Yasuke oder meiner persönlichen Favoritin Naoe, es macht Spaß, das prachtvolle Japan zu erkunden, Burgen zu infiltrieren und Nebenaufgaben zu erledigen. Wer alles erleben will, kann unzählige Stunden investieren – sollte dabei aber ein gewisses Maß an Toleranz für Wiederholungen mitbringen. Technisch ist dann noch Luft nach oben. Vor allem unser Pferd scheint manchmal ein Eigenleben zu führen, was gelegentlich zu innigen Umarmungen mit Bäumen oder Mauern führt. Ubisoft hat hier zwar bereits einen Day-One-Patch versprochen, doch bleibt abzuwarten, wie viel sich nach Release zusätzlich wirklich bessert.
Die größte Schwäche von Shadows? Die Geschichte. Selbst während ich diesen Artikel schreibe, bleibt eine gewisse Enttäuschung, denn statt einer epischen, emotionalen Handlung wie in früheren Serienteilen bietet Shadows eine vorhersehbare, oft uninspirierte Erzählung, die mich am Ende eher ratlos als berührt zurücklässt.
Bedeutet das, dass mir Shadows keinen Spaß gemacht hat? Keineswegs! Wer Lust auf eine Reise ins alte Japan, spannendes Gameplay und atemberaubende Panoramen hat oder einfach ein solides Assassin’s Creed sucht, sollte den Titel zumindest im Auge behalten. Shadows macht sicherlich nicht alles richtig, doch es beweist, dass Ubisoft – trotz einiger Fehlschläge – noch immer Potenzial hat und weckt so die Hoffnung auf mehr. Und wer weiß? Vielleicht gelingt es der angekündigten Erweiterung, die erzählerischen Schwächen auszubügeln. Sollte das passieren, könnte Shadows endgültig aus dem Schatten seiner Vorgänger treten – und im Gegensatz zu seinem Namen, als Leuchtfeuer für die Zukunft der Reihe dienen.