Assassin’s Creed: Valhalla – Angespielt

Sex, Blut, Ale und Langschiffe. Drei Stunden lang durfte ich mich in Assassin’s Creed Valhalla ziemlich frei in East Anglia umsehen und reichlich Eindrücke sammeln. Zurück kehrte ich mit einem richtig guten Gefühl. Einerseits, weil die Serie mit Valhalla die Instant-Kills zurückbringt und so das Beste aus den alten mit den neuen Teilen verbindet. Und andererseits, weil der „Vikings“ und „The Last Kingdom“-Fan in mir jede Menge „oh wie geil-Momente“ geboten bekam, wegen derer er eigentlich unbedingt weiterspielen wollte. Doch lasst mich von vorne beginnen …

Das gelbe Laub weht sanft durch die raue Luft East Anglias (die Region nordöstlich vom heutigen London bis zur Küste), als ich auf dem Rücken meines Pferdes und in Person von Eivor, einem Assassinen und Wikinger, meine ersten Schritte in den feuchten Schlamm des neuen Assassin’s Creed setze. Aus der lockeren Plauderei mit meinem Gefolgsmann Finnr wird schnell klar was es zu tun gilt: Oswald, der rechtmäßige König der Region muss gekrönt und verheiratet werden. Dem im Weg steht ein Wikinger-Clan unter der Führung eines gewissen Rued, der das Land besetzt hat. Nur Sekunden später treffen wir auch schon auf zwei seiner Schergen, die allerdings unsere Anwesenheit nicht bemerken. Und zwar so lange nicht, bis Eivor seine Assassinenklinge auch schon tief in ihre Hälse rammt. Ja, das Hidden Blade ist nicht nur zurück, sondern eben auch in alter Stärke. Wie man es von einem tödlichen Superkiller erwartet, können Bösewichte nun also endlich wieder mit einem gezielten Stealthangriff augenblicklich ausgeschalten werden. Unnötig zu erwähnen, dass so nun auch in bester Meuchelmörder-Tradition komplette Festungen befreit werden können, ohne ein einziges offenes Gefecht. Außerdem kann man sich jederzeit die Assassinen-Kapuze aufsetzen, sich so in Menschenmengen verstecken und versuchen ungesehen an sein Ziel zu kommen  – so muss das sein in einem Assassin’s Creed-Titel! Danke Ubisoft!

Doch wie steht es eigentlich so um das restliche Gameplay? Zeit innezuhalten und mal die Menüs aufzurufen. Am meisten interessieren mich dabei zwei Bereiche: die Skills und das Inventar. Ersteres offenbart eine ausufernde „Karte“, die uns unterteilt in drei Bereiche nach und nach aktive und passive Fähigkeiten wie mehr Gesundheit oder neue Attacken freischalten lässt. Auf klassische Level verzichtet Valhalla dabei; Fähigkeitspunkte erhalten wir durch spezielle Events beziehungsweise „finden“ sie einfach in der Welt. Gleichzeitig bringen allerdings unsere Waffen und Rüstungsteile bestimmte Angriffs- und Verteidigungswerte mit. Auftritt Inventar. Hier hat sich im Vergleich zu Odyssey nicht viel zu getan – außer, dass neben den Insta-Kills auch die Schilde eine Rückkehr feiern und man „Dual-Wielden“ kann. So steht es euch vollkommen frei die beiden Hände eures Kriegers nach Belieben mit unterschiedlichen Mordwerkzeugen zu bestücken – also beispielsweise auch wieder ein Schild und eine Waffe zu kombinieren. Das ist nicht nur rein in Hinblick auf die Kampftechniken der Wikinger durchaus authentisch, sondern wird freilich vor allem Fans freuen, die sich wieder ein taktischeres Kampfgeschehen gewünscht haben.

Apropos Kampfgeschehen

An dieser Stelle ein kleiner Exkurs in meine eigene Erwartungshaltung an das Spiel, und wo sie herkommt: Ich bin großer Fan der Serien „Vikings“ und „The Last Kingdom“. Als es also hieß, das neue Assassin’s Creed greife des Wikinger-Setting auf, war mein Kopf voll mit Fantasien davon selbst im Spiel laut das Kommando zu einem Schildwall brüllen zu können, brutal und doch elegant mit Äxten Gliedmaßen und Körper separieren oder auf einem Langboot in ein Horn zum Angriffe blasen zu können. Schildwall wäre mir im Spiel leider noch keiner untergekommen. Sonst bin ich mit dem Kampfsystem von Valhalla aber schon ziemlich auf meine Kosten gekommen. Dazu, wie sich das Ganze so anfühlt, kann ich zwar nur bedingt etwas sagen, weil meine Kollegen und ich nur remote und nicht direkt auf unseren PCs spielen konnten (mein erfahrener Input-Lag ist also sicher höher gewesen als der beim echten Spielen dann). Allerdings kann ich bereits jetzt attestieren, dass sich die Kämpfe hier genauso kraftvoll und brutal anfühlen, wie man es erwartet. Egal ob mit Kombinationen aus Schild und Angriffswaffe wie einem Morgenstern oder einer Axt, oder zweihändigen Waffen wie einem Speer oder einer besonders dicken Axt: Taktieren und das perfekte Timing für Blocks und Konter zu finden ist nach wie vor der absolute Schüssel zum Erfolg … der zumeist in blutigen Finishing-Moves endet. Diese werden entweder automatisch beim letzten Treffer ausgelöst, oder dadurch, dass Gegner gestunt werden und dann mit einfachem Knopfdruck besonders cineastisch fertig gemacht werden. Ein bisschen so wie „früher“, in AC 1-Syndicate also. Absolut überlebenswichtig ist aber auch der Einsatz der Sonderfähigkeiten, derer ihr sowohl für euren Bogen als auch eure Nahkampfwaffen je vier auf Schnellwahltasten legen könnt. Diese auszulösen erfordert Adrenalin, das ihr wiederum über normale Angriffe oder eben geglückte Blocks sammelt. Der Lohn für eure Mühen sind sodann besonders verheerende und ehrlicherweise vollkommen übertriebene Angriffe wie wildes umherwerfen von Äxten oder mächtige Tritte, die dafür auch stärkere Gegner recht schnell in die Knie zwingen können.

Kommentar am Rande: Zum Balancing erlaube ich mir hier und jetzt noch kein Urteil – dafür war meine Session viel zu kurz und auch zu „losgelöst“ aus dem normalen Spielverlauf. Ob und inwiefern diese Angriffe also eventuell overpowered sind, muss dann erst unser Test klären.

Eine weitere meiner Wikinger-Fan-Fantasien, die AC: Valhalla gut erfüllen konnte war eine Fahrt in einem Wikinger-Schiff. Dieses könnt ihr über das Tätigkeitsrad jederzeit herbeirufen (wenn ihr in der nähe eines Gewässer seid, versteht sich). Dann einfach draufklettern, zum Heck laufen und per Knopfdruck das Kommando übernehmen. Nettes Detail: So wie bei den Radiostationen etwa in GTA, könnt ihr hier zwischen Musik und Geschichten umschalten; also entweder netten Klängen lauschen oder euch eben von einem eurer Mitstreiter Schlachtanekdoten oder andere Lagerfeuer-Geschichten erzählen lassen. Witzig.

Natürlich dienen euch die Schiffe aber nicht nur als musikalischer oder erzählerischer Zeitvertreib, sondern auch als Fortbewegungs- und vor allem taktisches Mittel für Raubzüge. Also ja: Ihr könnt auf eurem Langboot in ein Horn zum Angriff blasen. Eben das habe ich in der Demo gleich mehrmals tun können – einmal in einem „kleinen“ Raid und einmal in einer großen Story-Schlacht. Vor allem letztere ließ sodann auch echtes Wikinger-Gemetzel-Feeling aufkommen. Während ich mit den zahlreichen Mitstreitern meines eigenen und anderer Clans Wall um Wall tiefer in die Festung eindrang, wurde ich mit Feuerpfeilen beschossen, unsere Ramme mit Pech übergossen und ergötzte mich regelmäßig an den kernigen Schlachtgeräuschen rund um mich herum; Schilder splitterten und wurden in purer Verzweiflung auch mal nach mir geworfen, Schwerter klirrten, Äxte spalteten Gesichter … es war ein herrliches Gemetzel. Und ein zugegeben recht unübersichtliches. Dass es in der letzten Instanz etwa nicht zwingend nötig wäre jeden einzelnen Fußsoldaten abzumurksen, bevor man sich dem eigentlich Boss stellt, war mir bis zum ungefähr achten Anlauf auf die Mission nicht klar. Ich bin gespannt, ob das im fertigen Spiel dann auch noch so regelmäßig passiert – immerhin war das in den Vorgängern ja auch gerne mal der Fall.

Das ist vor allem auch deswegen wichtig, weil es in Valhalla kein Auto-Heal mehr gibt. Heißt: Ihr müsst wieder Health-Potions zu euch nehmen, um verlorene Lebensenergie zurückzugewinnen. Diese erstellt ihr ganz einfach automatisch durch das Einsammeln von Nahrung. In meiner Demo waren das vor allem Beeren und Schwammerl, natürlich könnt ihr aber auch nach Fischen angeln oder auf die Jagd gehen, was noch zusätzliche Boni verspricht.

Und sonst so?

Irgendwann war der böse Rued samt seinem Schoßwolf dann mal niedergestreckt, Oswald befreit und somit quasi alles happy-beppy. Vor allem, weil es somit Zeit für eine Hochzeit war. Und natürlich war eben diese in alter AC-Tradition auch eine „Mission“. Vor allem die Feier rundherum. Dort warteten dann unterschiedliche optionale oder verpflichtende Aufgaben, die im Grunde alles abdeckten, was man sich so von einer ausufernden Hochzeit erwartet: Unkomplizierter Sex am Flussufer (gern auch gleichgeschlechtlicher – man kann über die neuen Animus-Features jederzeit zwischen männlichem und weiblichem Eivor umschalten – womit die diesbezüglichen TLOU2-Hater auch bei AC:Valhalla schon mal ihre digitalen Fackeln anzünden und Mistgabeln anspitzen können), Wettsaufen am Ale-Fass und irgendwann muss dann mal einer der Hawara vom Dach geholt werden, weil er dort sturzbesoffen nach diesem Gott sucht, den die Christen immer „da oben“ vermuten. Dank unserer Assassinen-typischen Parcours-Fähigkeiten natürlich kein Problem – vor allem aber ein schönes Beispiel für schönen Spagat beziehungsweise die Abwechslung, die die Entwickler immer schon in AC-Teilen bieten konnten; blutrünstig und düster im einen Moment, bunt, fröhlich und unterhaltsam im nächsten.

Beim Rest der Welt, die übrigens erneut verspricht riesig zu werden (East Anglia ist nur ein kleiner Teil der gesamten Welt, die später erkundbar sein wird und war in drei Stunden nicht ansatzweise vollständig zu erkunden), wartet ebenfalls viel, das man in bisherigen Teilen der Serie bereits kennen und eventuell auch schätzen gelernt hat. Nachdem man idealerweise via eurem Raben die Umgebungen ausgekundschaftet hat, können überall interessante Menschen getroffen, besondere Stätten gefunden oder Objekte erspäht werden, die unterschiedlichste Side-Quests auslösen. Ob hier allerdings in Sachen Tiefgang und Abwechslung eine Qualität wie etwa bei The Witcher 3 erreicht werden kann, bleibt noch fraglich und ist ebenfalls wohl erst durch unser finales Review zu klären.

Auch dort werden wir erst näheres zu dem Siedlungsfeature sagen können, das zwar bestätigt, in unserer Anspielsession aber leider nicht enthalten war, weil sich euer Dorf in einem anderen Teil Englands (also dem, was nachher England werden sollte) befinden wird. Die Entwickler versprechen hierzu aber bereits viel. So sollt ihr euer Dorf nicht nur wie einst in AC2 nach und nach ausbauen und beispielsweise neue „Shops“ wie einen Schmied ansiedeln können, ihr werdet auch immer wieder in es zurückkehren, um mit den zahlreichen dort lebenden NPCs zu interagieren und die unterschiedlichsten Handlungsstränge weiter erleben zu können, die sich durch deren und euer Leben spinnen. Ich bin gespannt.

Die Technik

Nachdem AC:Valhalla das erste Assassin’s Creed für die nächste Konsolengeneration sein wird, war ich natürlich vor allem gespannt wie es um die Technik des Titels so bestellt sein würde. Dass Ubisoft dann entgegen Codemasters für meinen Vorschau-Bericht zu DiRT 5 lieber auf Remote-Play gesetzt hat, statt uns Journos eine Version auf dem eigenen Rechner spielen zu lassen, hat eben diese Erwartungen dann noch etwas weiter nach oben geschraubt … leider. Denn obgleich AC:Valhalla zweifellos gut aussieht, fällt das große „Next-Gen-Wow“ aus. Raytracing scheint beispielsweise keines enthalten zu sein. Aber gut: so wirklich überraschend ist das freilich gar nicht, weil der Titel ja auch noch für die Current-Gen erscheinen wird. So sieht Valhalla am Ende eigentlich gar nicht viel anders aus als AC:Odyssey – zumindest aus rein technischer Sicht. Der Art-Style ist freilich ein ganz anderer und setzt viel mehr auf gedecktere Farben und düstere Atmosphäre. Damit wird auch rein optisch geschickt so manch Parallele zu „Vikings“ gezogen. Mich als Fan freut das freilich. Auch der Soundtrack konnte mich diesbezüglich bereits voll überzeugen. Vor allem die nordischen Klänge, die während der Schlachten angestimmt wurden passen perfekt ins Setting und ließen mich zusammen mit den bereits gelobten Schlachtgeräuschen schön ins Geschehen eintauchen.

Natürlich muss aber auch hier angemerkt werden, dass ich eine noch lange nicht fertige Vorabversion gespielt habe und Ubisoft eigentlich noch keine so wirklich verbindlichen Aussagen dazu gemacht hat, was die Next-Gen-Versionen im besonderen technisch mit im Gepäck haben werden. Gut ausgesehen hat das Ganze in jedem Fall jetzt schon … wenn eben erst einmal nach aktuellen Maßstäben und ohne „Next-Gen-Erwartungen“.

ERSTEINDRUCK

Klar: Nach gerade einmal drei Stunden habe ich noch LANGE nicht alles in Assassin’s Creed: Valhalla gesehen, das es zu sehen gibt. Und ja: Weil das Spiel durch das gut umgesetzte Setting, das mit persönlich einfach richtig taugt, bekommt es vielleicht ein paar nicht hundertprozentig berechtigte Vorschuss-Lorbeeren von mir umgehängt. Aber ich für meinen Teil bin hyped. AC:Valhalla erfindet zwar das Genre nicht neu und stellt auch für die Serie keine komplette Neuorientierung dar, erweitert das Spielprinzip von AC:Odyssey allerdings sinnvoll um ein paar alte Stärken und neue Kniffe und dürfte so für Fans der alten Teile, letzten zwei Iterationen und auch Wikinger-Freunde durchaus sowas wie ein Must-Have werden. Also liebe Mit-Nordmänner: Markiert euch den 10. November 2020 blutrot im Kalender!

Was ist Assassin’s Creed: Valhalla? Ein Action-RPG mit Assassins-Background und Wikinger-Setting.
Plattformen: PC, PlayStation 4, Playstation 5, Xbox One, Xbox Series X
Entwickler / Publisher: Ubisoft Montreal / Ubisoft
Release: 10. November 2020
Link: Offizielle Webseite

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