Atomic Heart im Test

Der erste Titel eines Entwicklerstudios ist immer etwas ganz Besonderes. Auch deswegen weil das russische Studio Mundfish die Entwicklung an einem anderen Titel zuvor eingestellt hat, um sich ganz der Entwicklung von Atomic Heart zu widmen. Ob das wirklich eine gute Idee war und wie wir die neue Hoffnung für Shooterfans finden, erfahrt ihr hier!

What if…?

Der Sieg im Zweiten Weltkrieg war der Sowjetunion in der fiktiven Story von Atomic Heart nicht genug. Wissenschaftlich wurde sehr viel mehr erreicht und Robotik ist da das Zauberwort. Für alles gibt es Unterstützung in Form von Robotern. Sie unterstützen die Menschen im Alltag, bauen Gebäude und leben mitten unter uns. Damit das Science Fiction Setting aber auch komplett ist, gibt es obendrauf noch fliegende Städte und Neuroimplantate. Klingt alles ein wenig nach I Robot, oder?

Klischee, Herrje

Sergej Netschajew, auch P3 genannt ist KGB Agent und unser spielbarer Charakter, aber eines muss gleich zu Beginn gesagt sein. Wir bekommen mit Sergej wieder einmal den Standard „Ich bin zu cool für diese Welt und deshalb benehme ich mich wie der Schulrowdy“ – Typ, den wir schon in unzähligen Spielen und Filmen gesehen haben. Stört das? Nein, denn die Story und ihre Charaktere sind zwar OK aber nicht der Grund wieso ihr Atomic Heart spielen werdet. Einen Charakter im Spiel gibt es aber, an dem ich sofort Gefallen gefunden habe. Charles! Es dürfte ein neuer Trend sein, dass Hauptcharaktere in Games sprechende Accessoires bekommen. Ja, ich sehe in deine Richtung Forspoken! In diesem Fall geht es um einen Handschuh. Was aber bei eben genanntem Titel eher für Fremdschämen gesorgt hat, klappt in Atomic Heart deutlich besser. Hauptsächlich, weil hier nicht gleich beide Charaktere unsympathisch sind. Charles ist aber nicht nur sympathisch, sondern hat auch so einiges drauf!

Talk to the Hand!

Sehen wir uns mal schnell die Shooter-Standards im Spiel an. Wir haben Nahkampf- und Schusswaffen zur Auswahl. Diese können mit Bauteilen verbessert und in einem Inventar gelagert werden, welches ein wenig an jenes aus den Resident Evil Teilen erinnert. So weit, so gut. Die Besonderheit in Atomic Heart liegt bestimmt nicht in den Waffen. Charles ist es, der uns ein etwas anderes Spielgefühl gibt. Loot einsammeln, Gegenstände anheben und per Telekinese bewegen. Pff das sind nur Peanuts von dem, was unser Begleiter so drauf hat. Mit der Hilfe von Charles können wir Gegner durch die Luft schleudern, einfrieren, oder mit Glibber bedecken, den wir dann unter Strom setzen. Und bei fünf Skill-Trees mit insgesamt 90 Fähigkeiten gibt es hier ordentlich Kombinationsmöglichkeiten. Um diese freizuschalten benötigen wir wie üblich jede Menge Loot den wir dann bei einem notgeilen Roboterschrank eintauschen. Oh ja der Roboter hat’s auf uns abgesehen und baggert uns bei jeder Begegnung an und das ist genauso witzig wie es klingt. Witzig sind auch die Gespräche zwischen Sergej und Charles. Wenn der Handschuh uns nicht gerade hilfreiche Tipps gibt, bekommen wir geschichtliche Infos. Ab und zu vergisst Charles allerdings, dass wir ein Agent und kein Wissenschaftler sind. Das erinnert dann an Gespräche zwischen Sheldon und Penny aus The Big Bang Theory.

Umso weniger witzig ist das qualitative Auf und Ab in Atomic Heart. Die Einführung ist beachtlich und versprüht geradezu Bioshock Infinite Vibes. Kaum haben wir uns an die imposante Welt gewöhnt, landen wir auch schon irgendwo im Untergrund. Der ist allerdings alles andere als spannend, wir bekommen triste Räume mit Copy & Paste Inhalten. Gut das kann ja nicht lange dauern denken wir uns und laufen los um den Weg an die Oberfläche zu finden. Leider dauert das länger als gedacht. Die ersten Stunden verbringen wir mit Sammel- und Kletteraufgaben, die wir schon zu oft in anderen Games gesehen haben. Alles wirkt wie eine Art ultralanges Tutorial. Zwar bekommen wir dabei schon einen kleinen Eindruck welche Arten von Gegnern uns erwarten, aber dennoch wollen wir eigentlich nur an die Oberfläche, um die Orte zu erkunden, die uns in den Trailern gezeigt wurden.

Nach dem zähen Einstieg bekommen wir endlich was wir wollen, oder etwa doch nicht? Okay, die Oberwelt ist nett anzusehen. Viel zu entdecken gibt es hier aber auch nicht. Die durchaus schöne Welt ist nicht wirklich offen und eigentlich sehen wir hier auch nur etwas, wenn wir uns gerade von A nach B bewegen. Das können wir sowohl zu Fuß als auch mit dem Auto erledigen. Die Hauptmissionen finden alle in diversen Gebäudekomplexen statt. Zusätzlich gibt es noch sogenannte Polygone in denen wir teils knackige Rätsel lösen müssen. Magneträtsel, Schweberätsel oder andere Logikspielchen erwarten uns hier. Die sind um einiges amüsanter als die Aufgaben der Hauptmission. So oder so sind wir hauptsächlich in Gebäuden unterwegs. Die nennen wir es mal Open World ist eher eine kleine Draufgabe.

Rätsel, Wissenschaft, Neurowas?

Ok jetzt geht’s aber mal ans Eingemachte. Die ganze Robotik-Story ist ja ganz nett aber wurde uns hier nicht ein Shooter versprochen? Oh ja und was für einer! Lassen wir nämlich mal die kleinen Kritikpunkte weg und kommen wir zum Grundthema von Atomic Heart, bekommen wir einen anständigen First-Person-Shooter geliefert. Die unzähligen Kombinationen aus Handschuh und Waffen machen nämlich nach der Eingewöhnung unheimlich viel Spaß. Während der eine Gegner eingefroren ist und somit auf Eis liegt, kümmern wir uns mit unserem Waffenarsenal um die anderen Angreifer. Schockpistole, Shotgun, Axt, Machete und andere brachiale Hilfsmittel können wir hier benutzen. Das Ganze fühlt sich nicht nur gut an, sondern sieht auch noch sehr „hübsch“ aus. Roboterteile und Funken fliegen durch das komplette Bild. Bei den organischen Gegnern, die ein wenig wie die infizierten aus TLOU aussehen, haben wir dieses Feuerwerk dann mit Gliedmaßen und Blut statt Metall und Funken.

Weniger ist manchmal mehr

Immer wieder finden wir tote Wissenschaftler oder andere Personen, die uns trotz ihres etwas „passiven“ Zustandes einiges zu sagen haben. Dank den Neuroheadsets funktioniert ihr Gehirn nämlich weiter und wir können mit ihnen ganz normale Gespräche führen. Dadurch erfahren wir wie der Aufstand der Maschinen begonnen hat und wieso hier plötzlich alle um ihr Leben laufen müssen. Die Story ist zwar nicht sonderlich kreativ oder neu, dafür aber lang. Wer die Hauptstory in normalem Tempo durchspielen will, braucht dafür zwischen 20 und 25 Stunden. Etwas zäh ist das aber stellenweise schon.

Wir hangeln uns also von Mission zu Mission und haben dabei immer wieder richtige Höhepunkte wie z.B. Bosskämpfe oder knifflige Rätsel. Mal wird unser Hirn, mal unsere Reaktionsfähigkeit getestet. Diese tollen Momente liegen einfach nur viel zu weit auseinander. Während Design und die Möglichkeiten im Kampf wirklich sehr gut gelungen sind, haben die Entwickler:innen bei Pacing und Spiellänge leider etwas daneben gegriffen. Atomic Heart ist definitiv ein guter Shooter aber kein herausragendes Abenteuer.

Zusammenfassung

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