Black Legend im Test

Anspruchsvolle rundenbasierte Gefechte im Stil von XCOM, allerdings nicht in einem Science-Fiction Szenario sondern in der frühen Neuzeit des 17. Jahrhunderts? Wahrlich kein sonderlich oft gewähltes Szenario für ein Computerspiel. Das belgische Studio Warcave bringt jedoch mit Black Legend ein düsteres rundenbasiertes Taktik-Rollenspiel für PC, Nintendo Switch, PlayStation und Xbox auf den Markt, das im 17. Jahrhundert in einer Welt voller Alchemie und religiöser Fanatiker handelt. Nicht zu vergessen auch ein paar Monster aus dem Märchenreich.

Black Legend spielt in Grant, einer ehemals reichen Handelsstadt am Meer, die der Architektur des 17. Jahrhunderts in der Region Flandern nachempfunden wurde. Grant ist von einem sich langsam ausbreitenden Nebel verschlungen, der jeden wahnsinnig macht, der nicht ein Gegenmittel zu sich genommen hat. Freunde von John Carpenter’s The Fog werden die Geschichte lieben.

Eine Stadt im Nebel – die Hintergrundgeschichte

Nach dem Ausbruch eines Krieges zwischen zwei benachbarten Königreichen wusste sich die reiche – aber militärisch schwache – Stadt Grant nicht anders zu helfen, als den Plan des plötzlich aufgetauchten Alchemisten Mephisto umzusetzen, der einen giftigen Nebel erzeugte, von dem die ganze Stadt eingehüllt wurde. Wenn man den Nebel einatmet, stirbt man entweder sofort oder verwandelt sich in eine reißende, hirnlose Bestie. Während die Bevölkerung mit einem Gegenmittel versorgt wurde, sind die Spähtrupps der angreifenden Armeen der beiden Königreiche in dem Nebel umgekommen. Daraufhin haben die beiden sich bekämpfenden Königreiche Grant bis auf weiteres in weitem Bogen gemieden.

Eines Tages war Mephisto jedoch plötzlich verschwunden, in der Stadt ist das Gegenmittel knapp geworden und Chaos ausgebrochen. Eine Flucht aus der abgeriegelten Stadt war der Bevölkerung nicht möglich, und ein fanatischer Kult hat die Macht ergriffen, der ein Gegenmittel aus menschlichem Blut herstellt und den Nebel sowie seinen Schöpfer anbetet. Kultisten patrouillieren in den Straßen von Grant und töten jeden, der nicht auf ihrer Seite steht.

Der Krieg vor den Toren der Stadt ist inzwischen beendet. Der siegreiche König bietet den gefangen genommenen Söldnern der unterlegenen Kriegspartei folgenden Deal an: hingerichtet zu werden oder nach Grant zu gehen, um die Stadt aus dem Nebel zu befreien und dafür begnadigt zu werden. Viele haben das Angebot des Königs angenommen, nur um mangels Gegengift im Nebel zu sterben. Die Außenbezirke der Stadt sind mit den Leichen der toten Söldner übersät.

Wir spielen in Black Legend so eine Gruppe von vier Söldnern und betreten (nach Einnahme des Gegenmittels) die Stadt. Dort treffen wir gleich einmal auf den Widerstand – scheinbar ist doch nicht die gesamte Stadt in der Hand der Kultisten.

Klassen und Fähigkeiten

Zu Beginn des Spieles erschafft ihr einen Charakter. Die Erstellung beschränkt sich jedoch auf ein paar visuelle Dinge wie Gesicht, Haare oder das Geschlecht und den Namen. Eure drei weiteren Partymitglieder sind vorgegeben. Die Fähigkeiten eurer Helden werden durch die getragene Ausrüstung bestimmt. Im Verlauf des Spieles können wir neue Mitglieder in unsere Gruppe aufnehmen, wenn wir dafür jemand anderen entfernen.

In Black Legend gibt es 15 Klassen (Dieb, Scharfschütze, Söldner,…) mit einzigartigen Fähigkeiten. Um diese Klassen freizuschalten, benötigt man die dafür notwendigen Ausrüstungsgegenstände. Ein ganz interessanter Ansatz, nachdem mich Rollenspiele die letzten 40 Jahre damit genervt haben, Dinge zu finden die mein Held genau nicht verwenden kann. In Black Legend muss man also Ausrüstung finden oder kaufen, um neue Klassen freizuschalten. Wählt ihr dann diese Klasse für euren Charakter, so benutzt er automatisch die am besten für diese Klasse geeigneten Ausrüstungsgegenstände. Sehr komfortabel.

Waffen erhöhen (natürlich) die Kampfkraft, können eurem Helden aber auch neue (aktive) Fähigkeiten geben. Wendet man diese nun im Kampf oft genug an, so erlernt sie der Charakter und kann sie schließlich auch ohne die Waffe einsetzen. Passive Fähigkeiten erlernt man einfach durch das Benutzen der entsprechenden Waffe im Kampf. Auch das ist ein komplett neuer Ansatz im Rollenspielgenre.

Sobald eine aktive Fähigkeit erlernt ist, kann sie „klassenübergreifend“ eingesetzt werden. Jede Einheit kann bis zu 3 Fähigkeiten, die sie von einer anderen Klasse erlernt hat, zusätzlich zu den Fähigkeiten ihrer aktuellen Klasse verwenden. So könnt ihr entweder die Stärken Ihrer aktuellen Klasse mit Fähigkeiten aus anderen Klassen erweitern oder Schwächen abdecken. Passive Fähigkeiten können allerdings nicht klassenübergreifend eingesetzt werden und sind nur dann verfügbar, wenn die Figur die zugehörige Klasse spielt.

Abgesehen von der Rüstung, der Waffe und zwei Gegenständen (Wurfmesser, Heiltränke,…) kann jeder Charakter noch zwei kleine Schmuckstücke tragen, die bestimmte Fähigkeiten verbessern.

Bewegung

Ihr bewegt eure Gruppe (als eigentlich nur euren Helden, der die ganze Gruppe symbolisiert) in Echtzeit und 3D durch die Stadt. Hier könnt ihr Gegenstände untersuchen, euch mit Bewohnern unterhalten und euch so ein Bild von den Ereignissen in der Stadt machen. Ein Kompass wird permanent angezeigt, ebenso eine Liste der offenen Quests. Häuser mit gesprächsbereiten Bewohnern sind durch eine leuchtende Laterne gekennzeichnet. Seltsam, erstens weil die meisten Leute ohnehin nicht wirklich viel reden und sich verbarrikadiert haben, zweitens weil ich die leuchtenden Laternen eher mit anderen Dienstleistungen in Verbindung bringe. Nunja, jedenfalls ist es sehr seltsam, dass jemand der sich vor den Kultisten versteckt und in seinem Haus verbarrikadiert hat, eine leuchtende Laterne über der Tür hängen hat.

Ihr seht Gegner im Regelfall schon auf weitere Entfernung und könnt so manchmal an ihnen vorbei schleichen. Entdecken euch jedoch Gegner, kommt es zum Kampf.

Rundenbasierte Kämpfe

Das Kernstück des Spieles sind die rundenbasierten Gefechte. Zu Beginn positioniert man seine Helden in der Startumgebung. Klar, dass man Fernkämpfer eher weiter hinten hinstellen sollte. Die Einheiten können dann abwechselnd bewegt werden und Aktionen ausführen. Die Zugreihenfolge basiert auf der Beweglichkeit der einzelnen Einheiten. Am oberen Bildschirmrand wird die berechnete Zugreihenfolge angezeigt. Bewegung und Aktionen verbrauchen Bewegungs- bzw. Aktionspunkte.

Einheiten mit einem höheren Agilitätswert können sich weiter fortbewegen. Jede Einheit verfügt über (normalerweise) drei Aktionspunkte, um Angriffe oder spezielle Handlungen durchzuführen. Aktionen und Bewegungen können austauschbar verwendet werden, es gibt keine feste Reihenfolge. Das heißt, ihr könnt euch bewegen, ein Ziel angreifen, euch wieder bewegen und dann eine Aktion in beliebiger Reihenfolge durchführen. Der Einsatz von verbrauchbaren Gegenständen (beispielsweise Tränke) benötigt keine Aktionspunkte, kann aber nur einmal pro Kampf angewandt werden. Das Loslösen vom Feind ist möglich, ohne das euch dieser zum Abschied noch einmal in den Rücken sticht. Somit könnt ihr, sofern euch nicht jemand im Weg steht, Feinde regelmäßig von hinten attackieren. Eine Overwatch Funktion, um außerhalb der Zugreihenfolge automatisch anzugreifen, ist nicht vorhanden.

Wenn ihr einen Zug beendet, ohne alle Aktionspunkte auszugeben, hat die Figur in der nächsten Runde einen höheren Initiativwert (und kommt also schneller wieder zum Zug). Das Schlachtfeld kann jederzeit von allen Seiten betrachtet werden. Ein Zurücknehmen eines Zuges, wenn ihr euch verklickt habt, gibt es nicht. Die KI ist nicht übermäßig klug, Gegner werfen lieber mit Steinen auf weit entfernte Einheiten statt eure Einheit nebenan mit dem Schwert zu attackieren.

Waffen und Adrenalin

Fernkampfwaffen wie Pistolen, Gewehre und Armbrüste erfordern eine klare Sicht auf das Ziel, die jedoch oft durch Verbündete, Hindernisse oder andere Gegner blockiert wird. Auch eine gewisse Mindestentfernung ist notwendig. Mit Nahkampfwaffen erzielt man besonders hohen Schaden, wenn man von der Flanke oder gar von hinten angreift. Vorsichtig solltet ihr mit der Espingole umgehen, das ist so eine Art Pump Gun der frühen Neuzeit. Mit dieser kurzen Flinte mit trichterförmig erweiterter Mündung könnt ihr zwar mehrere Ziele auf einmal treffen, allerdings dabei auch eure Kameraden unabsichtlich über den Haufen ballern.

Rüstungen gibt es in zwei Kategorien: Leichte Rüstungen und schwere Rüstungen. Klassen, die schwere Rüstungen verwenden, konzentrieren sich im Allgemeinen mehr auf ihre Überlebensfähigkeit, während diejenigen, die leichte Rüstungen tragen, schneller sind und sich mit größerer Leichtigkeit über das Schlachtfeld bewegen können. Einige Rüstungsteile bringen ihrem Träger einzigartige passive Effekte. Achtet darauf, die beste Synergie zwischen einer Klasse und der von ihr getragenen Rüstung zu finden.

Adrenalin baut sich im Kampf auf, wenn Einheiten Schaden austeilen oder einstecken. Je höher Ihr Adrenalinspiegel ist, desto größer ist die Chance, einen kritischen Treffer zu landen, der deutlich mehr Schaden verursacht. Sobald eine Einheit einen kritischen Treffer landet, sinkt Ihr Adrenalinspiegel wieder auf 0. Es ist einfach beruhigend, einen Gegner eliminiert zu haben.

Magie?

Klassische Magie wie in den meisten Fantasy Rollenspielen kommt in Black Legend nicht vor, allerdings war im 17. Jahrhundert die Kunst der Alchemie noch hoch im Kurs, und die Mediziner glaubten an die Humoralpathologie mit ihren Körpersäften, deren richtige Mischung bzw. Zusammensetzung Voraussetzung für Gesundheit ist, und deren Ungleichgewicht bzw. fehlerhafte Zusammensetzung oder Schädigung hingegen Krankheiten verursachen kann.

Die korrekte Manipulation der vier Körpersäfte (Nigredo, Rubedo, Albedo und Citrinitas) mit den vier Katalysatoren fügt dem Ziel deutlich erhöhten Schaden zu. Klingt kompliziert, ist es auch. Aber in der Praxis ist es dann trotzdem ganz verständlich. Also keine Magie, sondern reine Naturwissenschaft. Vereinfacht gesagt könnt ihr so bestimmte Buffs für eure Helden erzeugen.

Die Bezirke von Grant

Die Stadt Grant ist in mehrere Bezirke unterteilt. Im Bürgerviertel, einem der größten Bezirke der Stadt, leben vor allem Handwerker, Künstler und auch einfache Arbeiter. Hier beginnt auch das Spiel.

Der Hafenbezirk gilt als einer der wichtigsten Bezirke der Stadt. Sowohl Arbeiter als auch Kaufleute waren hier zu Hause und sorgten für eine abwechslungsreiche Atmosphäre. Schiffe, die Waren oder Geld transportierten, gingen hier ein und aus. In diesem Bezirk befindet sich auch einer der beiden großen Türme, die die Hafenkette hochhalten. Der Kult hat diese Kette wieder hochgezogen, um die Menschen in der Stadt zu halten und eine Flucht über das Wasser zu verhindern.

Im Bezirk mit der Schiffswerft leben die Werftarbeiter in ihren einfachen Häusern. Der gesamte Bezirk trägt ein Gefühl von Zweckmäßigkeit und Funktionalität in sich, da die Werftarbeiter keine Notwendigkeit oder Zeit für Ablenkungen von ihrer Arbeit haben. Der zweite Hafenturm, der die Kette hochhält, ist das mit Abstand größte Gebäude in diesem Bezirk.

Der Friedhofsbezirk beherbergt hauptsächlich Bürger von mittlerem Stand. Die Nähe zu den Gräbern wird oft von Familien bevorzugt, die die Gräber ihrer Vorfahren pflegen wollen, was zu der interessanten Entwicklung geführt hat, dass Familien in anderen Teilen der Stadt die Bürger hier bitten, auch ihre Gräber zu pflegen. In der Mitte des Friedhofs steht ein Ehrenmal mit einer massiven Zeremonienklinge. Das Denkmal trägt die Namen von gefallenen Soldaten und Wächtern, die entweder Grant beschützt haben oder in Grant geboren und aufgewachsen sind, bevor sie in eine fremde Armee eintraten.

Im Kirchenbezirk steht die große Kathedrale von Grant. Die Religion ist ein wichtiger Teil des täglichen Lebens der Einwohner, vor allem um für eine bessere Zukunft zu beten. Der Kirchenbezirk beherbergt den Klerus und seine treuesten Unterstützer. Wegen der hohen Unterhaltskosten der Gebäude findet man hier tendenziell wohlhabendere Bürger, die ihren religiösen Führern leichter Spenden zukommen lassen können.

Im Zentrum von Grant befindet sich das Rathaus. Hier war früher auch der Marktplatz, mit Verbindungen zu allen anderen Stadtteilen. Wirtschaftlich gesehen war das Zentrum der wichtigste Stadtteil Grants. An einem typischen Tag war der Markt mit Handwerkern und Händlern überflutet, die ihre Waren an ein Meer von Kunden verkauften. Wie sich die Zeiten doch geändert haben. Den Markt gibt es heute nicht mehr und das Zentrum wird von den fanatischen Anhängern der Sekte durchstreift.

Zusammenfassung

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