Broken Roads im Test

Frisch aus Australien kommt Broken Roads – ein post-apokalyptisches, rundenbasiertes Rollenspiel. Knallharte moralische Entscheidungen, mutierte Gegner, unterschiedliche Partymitglieder mit eigenem Willen, das alles in toller isometrischer Grafik und mit spannender Story. Klingt das zu gut, um wahr zu sein?

Es kann nie genug gute rundenbasierte Rollenspiele geben. Und wenn das Szenario auch noch von meinem All-Time Favoriten Wasteland (oder dem deutlich moderneren inoffiziellen Nachfolger Fallout) inspiriert ist, dann bin ich sofort Feuer und Flamme. Ist Broken Roads würdig, in einem Atemzug mit diesen Klassikern genannt zu werden?

Das Szenario passt jedenfalls schon einmal. Es spielt in den (auch heute sehr dünn besiedelten Weiten von) West-Australien, die Welt ist nach einem Atomkrieg vor einigen Jahren zerstört und es herrscht wieder weitgehend das Recht des Stärkeren. Die menschliche Zivilisation besteht aus den Überlebenden der Apokalypse, die sich in kleinen Siedlungen zurückgezogen haben und mit den Überresten unserer heutigen Technik ein Leben aufgebaut haben, während außerhalb der Siedlungen seltsame Kreaturen und (vor allem) bösartige Menschen herumlaufen. Ressourcen sind generell ein wenig knapp verfügbar, Hunger und Seuchen an der Tagesordnung. Deine Freunde werden schon bald nach Spielbeginn abgeschlachtet, und es liegt an Dir, ein neues Zuhause für die Überlebenden zu finden und vielleicht ein wenig Rache zu üben. Mad Max lässt grüßen.

Charaktergenerierung

Zuerst müssen wir uns, wie in jedem guten Rollenspiel, unseren Charakter aussuchen. Die Sache mit dem Untergang der Zivilisation, also dem Atomkrieg, ist schon ein paar Jahre her, wir sind in den Jahren danach aufgewachsen. Es stehen vier Lebensläufe zur Auswahl, die Boni auf bestimmte Charakterwerte mit sich bringen. Nachdem ich gerade erst Hitman: World of Assassination durchgespielt habe, entscheide ich mich für den Söldner. Er kann – welch Überraschung – vor allem mit Gewehren besser umgehen als der Rest. Andere Möglichkeiten wären ein Charakter, der besonders gut Dinge reparieren kann, eine Führungspersönlichkeit oder ein Typ, der eine besonders geschärfte Aufmerksamkeit hat und daher Gegner früher entdecken kann. Nach dem Aussehen (es stehen sechs Charaktere – 3 Männer und 3 Frauen – zur Auswahl) und dem Namen müssen wir sechs Fragen beantworten, die alle moralische Dilemmas darstellen. Unsere Entscheidungen führen zu unserem moralischen Kompass.

Die Entwickler sind besonders stolz auf diesen Teil des Spieles, weil er vollkommen neuartig sein soll. Nun ja, die Fragestellungen mit moralischen Dilemmas bei der Charaktererstellung kenne ich schon seit Ultima IV (Origin Systems, 1985), und die Gesinnung der einzelnen Leute… ist doch nicht viel anders als es bei den (uralten) Dungeons & Dragons Spielen auch schon war, nur dass es da eben Gut oder Böse in verschiedenen Abstufungen gab. In Broken Roads ist die Gesinnung (das Moralsystem) eben eine Mischung aus Nihilist, Utilitarian, Machiavellian und Humanist. Dialogoptionen und Entscheidungen werden durch die philosophische Ausrichtung eines Charakters beeinflusst – was ja durchaus Sinn macht und gut ist, aber meines Erachtens keine sonderliche Neuigkeit in einem Rollenspiel darstellt.

Danach könnt ihr euren Charakter noch mit der klassischen Punktevergabe an eure Wünsche anpassen. Es gibt sechs Attribute für jeden Charakter: Stärke, Intelligenz, Charisma, Aufmerksamkeit, Geschicklichkeit und Willenskraft. Dazu kommen 12 Fähigkeiten, wie Nahkampf, Dinge werfen, Scharfschütze usw. Ihr habt einen Pool aus 10 Attributs-Punkten und 30 Charakter-Punkten, den ihr auf euren Helden aufteilen könnt, bevor das Spiel losgeht.

Das Leben im Outback

Die erste Mission erinnert mich gleich an Fallout – wir müssen einen Techniker in eine andere Siedlung eskortieren, der das Funkgerät reparieren soll. Danach sollen wir von der Siedlung jemand anderen durch die gefährliche Wildnis zurück begleiten. Banditen und andere unfreundliche Begegnungen sind zu erwarten.  Sprachausgabe (nur während eines kleinen Teils der Gespräche) ist nur in Englisch verfügbar, die Texte sind jedoch auch ins Deutsche übersetzt worden. Gesprochen wird mit leichtem australischen Akzent, ganz nett und durchaus auch ohne Spezialkenntnisse zu verstehen.

Besonders interessant finde ich die australischen Redewendungen, die in Pop-Up Fenstern (zumindest wenn ihr auf englisch spielt) erklärt werden. Während der Gespräche haben wir oft die Möglichkeit, unsere Antwort aus mehreren Möglichkeiten auszuwählen. Wir können während der Gespräche jederzeit die bereits gesprochenen Dialoge nachlesen. Womit wir beim Lesen wären – Broken Roads ist ein narratives Rollenspiel, ohne Lesen macht es wenig Sinn. Ihr solltet kein Epos wie in Planescape: Torment erwarten, aber es sind schon einige Texte zu lesen. Eure Gruppe besteht aus bis zu fünf Charakteren, die ihr mit einfachem Mausklick in Echtzeit durch die Umgebung bewegt. Bei Kämpfen wird auf rundenweise Steuerung umgestellt. Ihr könnt außerhalb der Kämpfe jederzeit auf euer Inventar, eine Übersicht über die Werte eurer Helden, das Quest Log oder die Landkarte zugreifen. Jeder Ort, den ihr besuchen könnt, ist reich an visuellen Details und Charakteren. Das genaue Untersuchen der Umgebung zahlt sich auch aus, ihr bekommt immer wieder Erfahrungspunkte für das Anschauen verschiedener Hotspots. Verbessern könnt ihr übrigens nur euren Hauptcharakter, die anderen Mitglieder eurer Gruppe leveln automatisch mit.

Die Welt erinnert an Spiele wie Wasteland 2, mit liebevoll gestalteten Örtlichkeiten wie einer Kommune voller Philosophen in einem Getreidesilo, einem Händler in einem Höhlensystem oder einer Siedlung mit unsozialen Wissenschaftlern. Viele dieser neuen Gemeinden haben ein völlig anderes moralisches System als unsere heutige (westliche) Welt. Die Dialoge sind eine der Stärken des Spieles, fast jeder Charakter hat (kurz) etwas zu erzählen, sogar die unfreundlichen Begegnungen sind wirklich gut geschrieben. Hier kommt auch das Moralsystem ins Spiel, denn ihr habt oft die Auswahl zwischen den verschiedenen Weltanschauungen. Wenn ihr euch für einen dieser Standpunkte entscheiden habt, wird eure moralische Kompassnadel tiefer in diese Perspektive hineingetrieben und bietet mehr Dialogoptionen aus dieser Denkschule. Wenn ihr aber eine Entscheidung trefft, die eurer aktuellen Philosophie zuwiderläuft, führt dies zu einer dramatischeren Abkehr von ihr.

Killing Bandits

Während die Gespräche recht gut gemacht sind, ist das rundenbasierte Kampfsystem vergleichsweise primitiv. Es fehlt an Waffen-, Feind- oder Fähigkeitsvielfalt, um wirklich interessante taktische Szenarien zu erzeugen. Jeder Charakter hat eine bestimmte Anzahl an Aktionspunkten, in denen er sich bewegen, kämpfen oder eine andere Handlung (nachladen, Fähigkeit oder Gegenstand benutzen) kann. In Deckung gehen macht Sinn, für den Nahkampf sind Pistolen oder Schrotflinten effektiver, auf die Distanz eher Gewehre. Wollt ihr jemand von wirklich weit weg treffen, wäre ein Scharfschützengewehr die beste Wahl. Auch scheinen da noch einige Bugs aufzutauchen, beispielsweise konnte ich immer wieder nicht auf manche Gegner schießen. Insgesamt sind die Kämpfe (selbst ohne Bugs) nur recht durchschnittlich und sicher nicht der Grund, warum ihr euch Broken Roads ansehen solltet. Da gibt es weitaus komplexere Games, wie beispielsweise XCOM 2 oder das kürzlich erschienene Classified – France 44. Die Kämpfe in Fallout waren aber auch nicht gerade der beste Teil am Spiel, und trotzdem ist (oder besser: war) das Game ein Megahit.

Der Bildschirm kann stufenlos gezoomt werden. Ultrawidescreen (21:9) Auflösungen werden problemlos unterstützt. Insgesamt ist die grafische Darstellung ziemlich gut gemacht. Gespeichert kann übrigens außerhalb der Kämpfe jederzeit werden, Cloudspeicherstände werden angelegt.

Zusammenfassung

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