CIVILIZATION: BEYOND EARTH TEST

Ich packe mein Raumschiff und nehme mit: Ein paar Wissenschaftler. Ich packe mein Raumschiff und nehme mit: Ein paar Wissenschaftler, eine Hydrokultur und einen Erkundungstrupp. Ich packe mein Raumschiff… keine Sorge, wir schreiben jetzt nicht über die Computerspielumsetzung irgendwelcher Kinderspiele – aber so in etwa beginnt der neueste Civilization Ableger Beyond Earth.

Als im Jahr 1999  Sid Meier und seine Kompagnons Jeff Briggs und Brian Reynolds mit ihrer neu gegründeten Firma Firaxis Games einen Nachfolger zum erfolgreichen Civilization 2 veröffentlichen wollten, fehlten ihnen leider die titelgebenden Namensrechte. Kurzerhand verlagerte man das Spielgeschehen in den Weltall und nannte das neue Spiel Alpha Centauri. Rund 15 Jahre später steht man vor einem ähnlichen Problem mit geänderten Vorzeichen: Es soll endlich ein geistiger Nachfolger der beliebten Planeten-Kolonialisierung folgen, jedoch liegen jetzt wiederum die entsprechenden Namensrechte am Doppelsternensystem im Sternbild der Zentaur bei einem anderen Publisher, nämlich bei Electronic Arts. Also macht man aus der Not eine Tugend und betitelt das neue Projekt, zugegebenermaßen etwas unkreativ, Sid Meier’s Civilization: Beyond Earth. Die Prämisse bleibt aber gleich, Gründung einer neuen Zivilisation auf einem neuem Himmelskörper.

Aber anders als im inoffiziellen Vorgänger besiedelt man dabei nicht einen ganz bestimmten Planeten, sondern darf sich zu Beginn selbst einen wählen, inklusive Planentengröße, Landmasse und Dauer der Tag-/Nachtzyklen. Klassische Fraktionen gibt es auch keine mehr, nur mehr so genannte Sponsoren, welche über sehr spezifische Boni verfügen. Diese sind etwas klischeebehaftet. So verfügt beispielsweise die American Reclamation Corporation (ARC) über einen Spionagevorteil, die Bautrupps der Panasia Kooperative arbeiten effizienter und die Afrikanische Union produziert mehr Nahrung. Dazu dürfen noch speziell ausgebildete Kolonisten, Fracht und Raumschifftyp ausgesucht werden und schon geht es ab in den Weltall.

Der Adler ist gelandet

Anders als in der Civilization-Spielreihe üblich startet ihr nicht mit einer Siedler-Einheit, welche sich den Platz für ihr erstes Städtchen selbst aussuchen darf. Nein, in Beyond Earth ist die Dropzone eures Raumschiffes auf einige wenige Felder beschränkt.  Dazu landen nicht alle Parteien gleichzeitig auf dem Planeten, sondern treffen erst nach und nach ein, bekommen dafür aber diverse zusätzliche Boni spendiert. Für den Spieler hat das den Vorteil, dass er sich in den ersten Runden auf den Aufbau seiner Zivilisation und den Kampf gegen die außerirdische Flora und Fauna konzentrieren kann, denn diese ist über das Eintreffen der Neuankömmlinge nicht besonders erfreut und attackieren Städte und Einheiten.

Ab diesem Zeitpunkt beginnt dann der typische Civilization-Alltag: Der Planet ist in Hex-Felder unterteilt, es gilt dabei das 1UPT (eine Einheit pro Feld) Prinzip und rundenweise dürfen Spielfiguren bewegt und Aktionen angeordnet werden. Anstatt Gold wird nun Energie benötigt und Zufriedenheit wurde durch Gesundheit ersetzt, rein spielerisch bringen diese Namensmodifikation jedoch nur wenig Veränderungen mit sich. Dafür gilt es nun zusätzlich außerirdische Ressourcen abzubauen, Öl, Titan, Xenomasse, Schwebstein oder Firaxit. Die letzten drei genannten Rohstoffe sind erforderlich um Technologien der verschiedenen Affinitäten zu entwickeln und zu produzieren. Die Affinität repräsentiert dabei euren Spielstil und hängt einerseits von Entscheidungen während diverser Quest-Aufgaben ab, andererseits durch die erforschte Technologien. Anhänger der Reinheit versuchen etwa den Planeten zu einer neuen Erde zu machen, wenn notwendig auch mit Waffengewalt. Jünger der Vorherrschaft streben dagegen nach einer neuen Existenz durch Technologie, während die Freunde der Harmonie im Einklang mit der neuen Welt leben.

First Contact

Je nach Affinität kommt dann zur Standard-Siegbedingung, der Vernichtung bzw. der Kontrolle der anderen Parteien, je eine weitere fraktionsspezifische hinzu. Entscheidet man sich für den Weg der Reinheit ist es das Ziel ein Sternentor zu bauen, um die Erdbevölkerung umzusiedeln. Auch die technikaffinen Anhänger der Vorherrschaft müssen eine solche Brücke zum ehemaligen Heimatplaneten errichten, jedoch nur um alle übrig gebliebenen Erdbewohner von ihren fleischlichen Körpern zu befreien und zu assimilieren. Die Fraktion der Harmonie versucht dagegen mit dem Ökosystem und den Lebensformen der neuen Heimat in Einklang zu leben, ein transzendentes Bewusstsein mit dem Planeten einzugehen und den Superorganismus nachzuweisen. Als fünfte Siegbedingung kann auch ein Radioteleskop errichten werden, um damit Kontakt zu den Urahnen des Planeten aufzunehmen.

So unterschiedlich die Siegbedingungen sind, so unterschiedlich spielen sich auch die einzelnen Affinitäten. Setzt man einen Schwerpunkt in die Erforschung der Genetik und der außerirdischen Lebensformen, darf man im späteren Spielverlauf Alien-Schwärme auf die Gegner hetzen oder züchtet einen gewaltigen Xenotitanen. Konzentriert man sich dagegen auf Ingenieurwissenschaften und Kybernetik verschreibt man sich der Affinität Vorherrschaft und kämpft mit Roboter-Armeen. Die Waffennarren der Reinheit erforschen wiederum besonders starke und massive Einheiten, wie etwa fliegende Festungen oder Leviathan-Zerstörer – ein fliegendes Schlachtschiff. Apropos Forschung: Die Entwicklung neuer Technologien erfolgt nicht mehr über einen linearen Technologiebaum, sondern mittels Technologienetz, dessen Mitte der Ausgangspunkt ist. Der innere Ring deckt dabei die Basistechnologien ab und welche relativ schnell erforscht werden können, das äussere Netz umspannt dagegen die drei große Bereiche der verschiedenen Affinitäten. Grundsätzlich ist es nicht möglich in einem Spiel sämtliche Technologien zu erforschen, was eine Spezialisierung und somit ein Bekenntnis zu einer bestimmten Affinität erfordert.

Beep, Beep, Satellit

Militäreinheiten werden außerdem nur mehr in ihren Grundtypen erforscht, durch den technologischen Fortschritt oder der Weiterentwicklung der Affinitäten können diese aber mittels Upgradesystem verbessert werden. Welche neue Spezialfähigkeiten eine Einheit genau bekommt, bestimmt der Spieler dabei selbst, sodass sich selbst gleiche Affinitäten sehr unterschiedlich spielen lassen. Auch mittels dem neuen Kultursystem, dem Virtue, lässt sich eine Zivilisation individualisieren. Die Kulturpunkte können in die Bereiche Macht, Wohlstand, Wissen und Industrie investiert werden. Die Elemente dieser vier Bäume sind linear angeordnet, erschließt  man einzelne Reihen der Bäume komplett bekommt man zusätzliche Boni, ebenso wenn man horizontale Bereiche freischaltet.

Neben den zahlreichen größeren Neuerung gibt es auch viele kleinere, die den Spielalltag in Beyond Earth sehr abwechslungsreich gestalten. Satelliten die man im Orbit stationiert bringen nicht nur verschiedene Boni, sondern können ebenso für Militärische- oder Spionagezwecke eingesetzt werden. In Städten entsendete Spione können Technologien stehlen, Intrigen stiften, Bomben platzieren oder Gerät zum Anlocken von Alienwürmer installieren. Werden  solche Agenten jedoch enttarnt, kann das die diplomatischen Beziehungen zu den anderen Fraktionen massiv beeinflussen. Wer dann Zwischendurch die Zeit findet, kann noch Expeditionen zum Entdecken und Erforschen antiker Alien-Relikte entsenden, Handelsrouten einrichten oder diverse Quest-Aufgaben erledigen.

Technischer Standard

Civilization: Beyond Earth basiert auf der gleichen „Civilization game engine“ welche schon beim direkten Vorgänger und seinen Add-Ons zum Einsatz gekommen ist. Rein optisch hat sich somit, bis auf das Setting, nur sehr wenig verändert und kann in die Kategorie „für ein Strategiespiel O.K.“ eingestuft werden. Als Hintergrundmusik gibt es einen orchestralen Soundtrack zu hören und die passenden akustischen Effekte runden das Spielgeschehen ab. Neu ist, dass nun speziell auch AMD’s Mantle API unterstützt wird. Freunde gepflegter Mehrspielerpartien dürfen sich außerdem noch mit bis zu sieben anderen Mitstreitern um den neu kolonisierten Planeten zanken  und auch Modifikationen des Spieles wird wie gewohnt kräftig unterstützt. Also alles was sich ein Civilization-Fan von seiner Lieblings-Spielreihe erwartet.

FAZIT

Hätte Firaxis das Spiel tatsächlich Alpha Centauri 2 betitelt, es hätte meine hohen Erwartungen vermutlich nicht erfüllt. Als ein Ableger der Civilization-Spielreihe funktioniert es dagegen sehr gut. Vor allem ermöglicht das neue Setting zahlreiche frische Ideen einzuführen, die allesamt überraschenderweise gut in das Gesamtpaket hineinpassen. Sei es die außerirdische Flora und Fauna gegen die man sich in den ersten Runden noch zu erwehren hat, bis hin zum umfangreichen Technologienetz oder der verschiedenen Affinitäten mit unterschiedlichen Siegbedingungen. All das macht aus Beyond Earth etwas Eigenständiges, ohne jedoch mit den bewährten Prinzipen der Spielreihe zu brechen. Ein rundum würdiges Civilization mit hohem Wiederspielwert.

Gesamtwertung: 8.0

Einzelwertungen: Grafik: 6 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 8 | Motivation: 10

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