Die Claymore Game Studios aus Deutschland haben sich daran gemacht, mit Unterstützung des Publishers Kalypso eine Fortsetzung für einen Kultklassiker zu entwickeln – Commandos! Mit Commandos: Origins ist nun nach über 20 jähriger Pause endlich wieder ein neues Echtzeit-Taktikspiel der Reihe veröffentlicht worden.
Das im Jahr 1998 erschienene Commandos: Behind Enemy Lines vom spanischen Entwickler Pyro Studios war die Geburtsstunde eines neuen Genres – Echtzeit-Taktik. Ich habe mir damals voller Vorfreude (und weil ich nicht die zensurierte deutsche Version haben wollte) extra die Box in Kanada gekauft und war furchtbar enttäuscht, das Spiel auf meinem Rechner nicht starten zu können. Ein Region-Lock im Jahr 1998? Meine Anfrage beim Support war – wie so oft bei Supportanfragen – nicht sehr erfolgreich, der Supportmitarbeiter konnte mir nicht helfen. Dabei war die Lösung denkbar einfach, wie ich kurz darauf in einem Computermagazin lesen konnte – einfach die Sprache des Windows Betriebssystems auf englisch umstellen, und schon funktioniert die US-Version auch auf einem österreichischen PC!
Nach dem Überwinden dieser Einstiegshürde konnte ich endlich auch versuchen, die sauschweren Missionen zu bestehen. Trotz des hohen Frustfaktors waren die (fiktiven) Missionen einer alliierten Kommandoeinheit aber kommerziell so erfolgreich, dass es zu einem Erweiterungspack (Beyond the Call of Duty) und zwei richtigen Nachfolgern aus den Jahren 2002 und 2003 (Men of Courage, Destination Berlin) gekommen ist. Abgesehen von einem mittelprächtigen Shooter (2006) und HD Remaster-Versionen von Teil 2 und Teil 3 (2020, 2022) gab es aber keine neuen Abenteuer aus dem Commandos-Universum mehr. Bis jetzt – wo die Serie mit Commandos: Origins endlich einen vollkommen neuen Teil erhalten hat.
Zeitlich ist die Geschichte des neuen Commandos: Origins vor den Ereignissen der Teile 1-3 angesiedelt. Die Geschichte handelt davon, wie sich das Team zusammen gefunden hat. So wirklich vergleichen dürft ihr die Zeitangaben aber nicht… egal – alle Commandos Teile spielen während dem Zweiten Weltkrieg. Commandos Origins startet im Jahr 1940 – die Nazis sind auf allen Fronten auf dem Vormarsch, und die Engländer unter Winston Churchill stellen ein Team von Spezialisten (Commandos) zusammen, um die deutsche Kriegsmaschine ein wenig zu verlangsamen und auch hinter den Linien zu bekämpfen. Ihr übernehmt die Kontrolle über dieses Team.

Puzzlespiel?
Commandos: Origins ist ein Puzzlespiel. Ok, es ist natürlich ein Echtzeit-Taktikspiel, aber es spielt sich vergleichbar mit einem Puzzlespiel. Es besteht aus einzelnen Herausforderungen, die ihr Stück für Stück lösen müsst, um voranzukommen. Sehr oft gibt es nicht nur eine, sondern mehrere mögliche Lösungsmöglichkeiten. Ihr habt auch immer wieder die Auswahl, welchen Weg ihr einschlagen wollt, und es gibt auch viele Winkeln auf den weitläufigen Karten, die ihr nicht betreten müsst, um eine Mission zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Es entgehen euch dann nur möglicherweise Bonusziele, wie Gefangene zu befreien.
Commandos: Origins orientiert sich am Gameplay der bisherigen Teile. Ihr steuert wiederum ein Team von Spezialisten im Dienste der Alliierten, die auf brandgefährlichen Missionen in von den Nazis besetzten Gebieten unterwegs sind. Meistens sind das Orte, an denen es von Nazisoldaten (oder auch Zivilisten) nur so wimmelt. Im Kern gibt es nun genau zwei Möglichkeiten, mit dieser Gefahr umzugehen – ihr eliminiert eure Gegner, oder ihr schleicht an ihnen vorbei. Wenn ihr sie außer Gefecht setzt, könnt ihr sie betäuben (dann wachen sie nach einer kurzen Zeit wieder auf, außer ihr habt sie während ihrer Bewusstlosigkeit irgendwo in einer Kiste oder einem Busch versteckt), ihr tötet sie lautlos, oder ihr tötet sie und es werden durch den Lärm (beispielsweise beim Einsatz von Feuerwaffen) andere Gegner alarmiert. Die meisten Gegner schlagen Alarm und rufen Verstärkung herbei, wenn sie euch entdecken. Im Regelfall erschießen sie euch aber einfach… die meiste Zeit werdet ihr also damit beschäftigt sein, nicht in die grünen Sichtkegeln der Feinde zu laufen.
Eine elegante Möglichkeit, Gegner zu entsorgen ist es, wenn ihr einen Unfall vortäuscht – Oops, da haben sich jetzt die Sicherungsketten gelöst und die herabfallenden Kisten haben den Wachposten zerquetscht. Wenn patrouillierende Gegner ihre toten Kameraden entdecken, schlagen sie Alarm – außer es schaut nach einem Umfall aus. Selbstverständlich könnt ihr die Leichen eurer Gegner auch wegtragen und verschwinden lassen, um eure Anwesenheit geheim zu halten. Ihr könnt Munition finden, Erste-Hilfe-Sets oder auch nur Uniformen für euren Spion. Manche stationäre Waffen können bedient werden, manche Fahrzeuge benutzt. Manche Geräte können manipuliert werden, um Lärm zu verursachen – und damit Gegner anzulocken. Herumstehende Ölfässer explodieren bei Beschuss in einem schönen (und tödlichen) Feuerball. Besonders imposant (und effektiv) ist es, wenn ihr mehrere Ölfässer strategisch platziert habt, die dann in einer Kettenreaktion hochgehen (und hoffentlich viele Feinde mitnehmen).
Euer Team besteht aus insgesamt sechs Mitgliedern, die ihr bereits aus den älteren Commandos Spielen kennt. Der Green Beret ist euer erstes Teammitglied. Ihr übernehmt ihn im Juni 1940 in einem englischen Gefängnis nahe der Front – nachdem er seinen Vorgesetzten verprügelt hat. Seine Stärke ist vor allem seine körperliche Kraft. Er ist auch der einzige, der über Felsen klettern kann. Das ist aber nicht seine einzige besondere Fähigkeit, jeder Charakter hat immer gleich mehrere spezielle Fähigkeiten. Francis T. Woolridge ist ein Scharfschütze, der Gegner auf weite Entfernung ausschalten kann. Thomas „der Pionier“ Hancock kann beispielsweise laut pfeifen, um Gegner anzulocken, eine Bärenfalle auslegen oder Stacheldraht durchschneiden. Mit dabei ist auch ein Fahrer, der jedes Gefährt (auch feindliche Panzer) steuern kann, während der Spion feindliche Uniformen tragen kann um sich so im Feindeslager (mehr oder weniger) frei zu bewegen.
Real-Time?
Ihr steuert eure Kommandosoldaten einzeln, während das Geschehen in Echtzeit abläuft. So wirklich viel läuft natürlich im Regelfall nicht ab – Gegner stehen entweder an festen Punkten oder patrouillieren auf vorgegebenen Routen. Oft bewegen sie auch ihren Kopf (und verändern damit ihren Sichtbereich) – ein grüner Sichtkegel zeigt euch an, was sich gerade in ihrem Sichtfeld befindet. Erst wenn Gegner etwas Ungewöhnliches bemerken, reagieren sie darauf und unterbrechen ihre Routine, um beispielsweise der Quelle von Geräuschen nachzugehen oder beim Entdecken von euren Soldaten oder toten Kameraden Alarm zu schlagen. Ihr könnt die Echtzeit auch jederzeit anhalten, um euren Soldaten mehrere Befehle zu geben, die diese dann hintereinander ausführen. Oder ihr gebt während der Pause mehreren eurer Soldaten Befehle, die diese danach gleichzeitig ausführen. Eure Soldaten können gehen, kriechen, laufen, ihre Waffen verwenden und natürlich haben auch alle ihre Spezialfähigkeiten, die sie einsetzen können. Oder sie werfen eine Handgranate und töten damit (hoffentlich) gleich eine ganze Menge an knapp zusammen stehenden Gegnern.
Eure Aufgabe besteht darin, diverse Missionsziele zu erfüllen, beispielsweise etwas zu sprengen, bestimmte Personen zu liquidieren oder einen Gefangenen zu befreien. Nach Erfüllung des Missionszieles müsst ihr das Operationsgebiet auch wieder verlassen. Insgesamt gibt es 14 Missionen, die an den unterschiedlichsten Orten auf der Welt (von der Wüste Nordafrikas, direkt in Deutschland oder auf einer Geheimstation in der Arktis) spielen und von denen euch jede einzelne stundenlang beschäftigen kann, wenn ihr die Gebiete gewissenhaft untersucht und nicht nur den schnellsten Weg rein und wieder raus sucht. Aber selbst der schnellste Weg dauert seine Zeit.
Ihr könnt während der Missionen immer wieder Sammelgegenstände finden. Speichern ist jederzeit möglich – und schwer empfohlen. Die Taste F5 ist für Quicksave – und somit eine der wichtigsten Tasten im Spiel. Stirbt eine eurer Figuren, ist das Spiel nämlich zu Ende und es geht zurück zum letzten Speicherstand… wenn ihr gespeichert habt. Ihr könnt zwischen drei Schwierigkeitsgraden wählen – in der einfachsten Einstellung sind die Gegner ein wenig langsam und entdecken euch nicht sofort, wenn nur eure Zehenspitze für eine Sekunde in ihr Blickfeld rutscht.
Neuerungen?
Was bietet das Spiel, das andere Echtzeit-Taktikspiele nicht haben? Commandos: Origins kann zu zweit im Split-Screen oder online gespielt werden. Spielt zusammen, um eine Mission zu absolvieren. Einen Koop-Modus gab es in dem Genre noch nie. Weiters ist die Steuerung auch mit dem Gamepad möglich. Logisch, sonst könnte das Spiel ja nicht auf den Konsolen erscheinen. Von der (gar nicht so einfachen) Entwicklung einer Gamepad-Steuerung profitieren nun auch die PC-Spieler, die nun erstmal ein Commandos-Spiel auf Wunsch auch mit dem Controller spielen können.
Gute Alternativen zu den Commandos-Spielen gibt es nur wenige. Absolute Topspiele sind natürlich die Games von Mimimi (Shadow Gambit: The Cursed Crew, Desperados III, Shadow Tactics: Blades of the Shogun) und dann fällt mir noch das mittelprächtige Stargate: Timekeepers ein. Wer im Weltkrieg bleiben will, kann sich War Mongrels, Partisans 1941 oder 63 Days anschauen.
Commandos: Origins erscheint am 9. April digital für PC, Xbox Series X|S und PlayStation 5. Es ist ab dem ersten Tag im Microsoft Game Pass verfügbar. Am 22. Mai erscheint es außerdem im Handel für PC, Xbox Series X|S und PlayStation 5 sowie später in diesem Jahr digital auf Xbox One und PlayStation 4.
Zusammenfassung
FAZIT
Endlich gibt es neuen Stoff aus dem Commandos-Universum! Wer wie ich bereits seit 2003 sehnsüchtig auf neue Missionen gewartet hat, wird sich über das neue Commandos: Origins freuen. Die Spielmechanik des Originals ist erhalten geblieben, die Grafik (Unreal Engine 5) und Benutzerführung aber auf aktuellen Stand gebracht. Und die Hakenkreuze sind auch nicht mehr zensuriert (können aber abgeschalten werden). Ihr könnt stufenlos zoomen, das Geschehen von allen Seiten betrachten, jederzeit speichern – und euch wie damals Schritt für Schritt durch die großen Umgebungen kämpfen (besser: puzzeln), während ihr die Spezialfähigkeiten eurer Leute verwendet und die Nazischergen tötet oder umgeht, um schlussendlich eure Missionsziele zu erfüllen.