Control im Test

Das finnische Entwicklerstudio Remedy scheint es sich, hierin Stanley Kubrick nicht ganz unähnlich, zur Aufgabe gemacht zu haben mit jedem ihrer Releases ein neues Genre zu meistern oder zumindest zuvor bereits eröffnete Pfade mit neuen Genreelementen zu kreuzen. Dem Neo-noir Third Person Shooter Max Payne (2001) folgten 2010 und 2016 mit Alan Wake und Quantum Break zwei – mehr oder minder – geradlinig verlaufende Action-Adventure mit deutlich stärkerer Gewichtung in Richtung eines Third Person Shooters im Falle des letzteren Projekts. Mit Control setzen die Entwickler von Remedy ihren Fokus auf das Genre des Third Person Shooters zwar neuerlich fort und doch versuchen sie sich mit dem Oldest House, dem zentralen Ort des Geschehens innerhalb des Spiels, wieder an einem neuen Genre: dem Metroidvania; eine Herausforderung für jeden Leveldesigner aber auch die Narration.

Bereits seit 1996 mit von der Partie, damals eigens für die Erarbeitung der Geschichte des Top-down Racers Death Rally (1996) – Remedys erstem größeren Spiel – angestellt, ist Sam Lake, der begnadete Geschichtenerzähler von Remedy und das ursprüngliche, im Skin-Editor bis zur Unkenntlichkeit verzerrte und als kurz vor der Obstipation stehend wirkende, Gesicht von Max Payne. Die Story Controls hat es, dank des Erzählgeschicks des Lead-Autors Lake, neuerlich in sich und lädt zu einer herzhaft verqueren Entdeckungsreise ein, in der nicht nur Raum und Zeit immer wieder gehörig durcheinandergewürfelt werden.

Das Federal Bureau of Control im Oldest House

Mit Jesse Faden steuern wir erstmals eine Protagonistin durch ein von Remedy inszeniertes Abenteuer. In dasselbe werden wir recht unsanft und ohne große Exposition der Welt und der in ihr stattfindenden Geschichte gestoßen. Jesse betritt das Oldest House, Sitz des mysteriösen Federal Bureau of Control der United States of America, auf dessen Suche sie bereits seit Jahren gewesen sei, wie sie uns in einem ihrer zahlreichen inneren Monologe mitteilt, da sie das FBC für das Verschwinden ihres Bruders Dylan verantwortlich macht. Entgegen seines, nicht nur des Namens sondern auch der imposanten und doch zugleich seltsam steril wirkenden Innenarchitektur wegen, kafkaesk bürokratisch anmutenden Stils ist die Eingangshalle des Oldest House verwaist. Niemand hindert uns daran durch den – alarmistisch und doch vergebens piependen – Metalldetektor zu schreiten. Schnurstracks rechts die Treppen hinauf, an drei Gemälden vorbei, in einem dunklen Gang mit Büros angekommen verdichtet sich unser Ersteindruck: hier geht etwas äußerst Seltsames vor sich. Das Gebäude wirkt wie ausgestorben, keine Menschenseele ist zu sehen; nun fast. Ein paar Biegungen später stoßen wir auf einen, ominös und mit stereotypem finnischem Akzent vor sich hin singenden, Hausmeister in einem blauen Overall, der gerade mit einem Besen den Boden aufwischt und gleichsam als erster Questgeber fungiert; Ahti hält uns für die neue Anwärterin für den Posten der Hausmeistergehilfin und schickt uns zu seinen Vorgesetzten. Am Hausmeister, mit ein wenig mehr Sicherheitsabstand als vielleicht nötig, vorbeigehuscht finden wir uns neuerlich just vor jenen Gemälden, die wir bereits zu Beginn des Spiels passierten, um in den dunklen Gang mit Büros zu gelangen. Der einzige Unterschied: das mittlere Gemälde ist verschwunden und hat einen Aufzug freigegeben. Eine 180 Grad Drehung bestätigt das Unmögliche: unter uns liegt die verwaiste, mit kalt spiegelndem Marmor verkleidete, Eingangshalle. Wir werden erstmals Zeugen einer zentralen Eigenschaft des Oldest House: dasselbe hat die Angewohnheit seinen architektonischen Aufbau nach nicht näher bestimmbaren Regeln zu verändern.

Control auf den Spuren eines Metroidvania

Das kann, wie uns eines der unzähligen im Spiel verteilten Memos mitteilt, mitunter – zum großen Leidwesen vieler Mitarbeiter des bundesstaatlichen Kontrollbüros – auch dazu führen, dass Sanitäranlagen einer Abteilung oder gar ganze Büroräume verschwinden, was den Arbeitsalltag nicht unerheblich erschwert. Control setzt diese Eigenart des imposanten Bürogebäudes dazu ein uns durch das Spiel und seine Geschichte zu führen. Immer wieder stoßen wir auf Türen die durch Zementblöcke zugemauert scheinen. Oder aber wir stolpern über Hindernisse wie etwa einen unerreichbar scheinenden Durchgang am oberen Ende einer Wand, den wir trotz aller akrobatischer Finessen und Klettereinlagen nicht zu erreichen vermögen. Andernorts wird uns der Weg durch rot wabernde Blöcke verstellt, die uns Schaden zufügen sobald wir denselben zu nahe kommen. Immer wieder stehen wir vor verschlossenen Türen, die wir nur öffnen können sobald wir die entsprechende Sicherheitsstufe samt Zugangskarte erhalten haben. Auf diese Weise setzt uns das Spiel also Grenzen, um uns in andere Richtungen zu lotsen und schickt uns an bekannte Orte zurück – manchmal auch nicht – sobald wir die entsprechende Schlüsselkarte erhalten oder zur Beseitigung einer bestimmten Barriere benötigte Fertigkeit erlernt haben. Diese Mechanik des Worldbuildings ist der Grundbaustein des Metroidvania Genres, einem Gameplay-Kompositum aus Nintendos Metroid-Serie und dem 1997 erschienenen Castlevania: Symphony of the Night Konamis. Damit ist, in der Natur des Metroidvania liegend, auch eine gute Portion Backtracking verbunden. Immer wieder müssen wir uns, mithilfe der etwas unübersichtlich ausgefallenen Karte – weil durch mannigfache Überlagerungen der unterschiedlichsten Ebenen und Stockwerke – des Oldest House an bereits besuchte Orte zurückbegeben, um sich uns nun eröffnende neue Weg einzuschlagen. In der Regel funktioniert das, dank Schnellreisesystem zu unterschiedlichen Kontrollpunkten, recht flott, kann jedoch, vor allem dann wenn die Missionsbeschreibung etwas gar spartanisch ausfällt, zu einer etwas lähmenden Sucherei ausarten.

Zuweilen ist die lebendig anmutende Architektonik des Hauses – und hier spielen die Leveldesigner all ihre Kreativität aus – jedoch auch einfach Teil eines bestimmten Levelabschnittes. Besonders beeindruckend mutet etwa ein unterirdischer Steinbruch mit schwarzem Gestein und offener Decke, die den Blick auf ein von Sternen übersätes Firmament freigibt, an. Ebenfalls imposant ist es, wenn sich in einem Spielabschnitt plötzlich Korridore vor unseren Augen durch sich aus dem Nichts materialisierende Wände verschließen und andere Wände wiederum in Luft auflösen, um solchermaßen neue Gänge freizugeben. Dadurch entsteht ein Labyrinth knossischen Ausmaßes an dem selbst der Ariadnefaden scheitern würde und immer wieder für gelungene Überraschungen gut ist und für Abwechslung vom grauen Büroalltag sorgt.

Zischende Leere

Zu letzterer Kategorie, die leider deutlich seltener im Spiel anzutreffen ist als es der Beginn desselben erwarten lässt, gehört der plötzlich an der Stelle eines Gemäldes auftauchende Aufzug, der uns in das Büro des Direktors des Federal Bureau of Control, Zacharia Trench, führt. Dort angekommen geht das Abenteuer dann erst so richtig los und Jesse wird kurzer Hand von der Gegnerin des FBC zu dessen frischgebackener Direktorin befördert, indem sie die Service Weapon, eine seltsam anmutende Pistole deren Lauf aus kleinen Würfeln besteht und derselben ermöglicht unterschiedliche Gestalten anzunehmen, an sich nimmt. Mit derselben bewaffnet begeben wir uns von einer Aufgabe zur nächsten, um häppchenweise aufzudecken weswegen Jesse das Kontrollbüro für das Verschwinden ihres Bruders verantwortlich macht, mit wem sie ständig in Form innerer Monologe konversiert und decken quasi im Vorbeigehen die Geheimnisse des Oldest House und des in ihm ansässigen bundesstaatlichen Kontrollbüros auf.

Zu einem dieser Geheimnisse gehört, warum das Gebäude zunächst dermaßen unbelebt anmutet. Immer wieder stoßen wir auf Räume in denen mitten in der Luft oder an der Decke derselben hängend – wie ein mit Helium gefüllter Luftballon der nach einem Prater- oder Kirtagbesuch seiner ursprünglichen Novität und dem damit einhergehenden einstigen kindlichen Interesse verlustig geworden von der Schwerkraft langsam aber sicher auf den Boden der physikalischen Tatsachen zurückgeholt wird – einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Büros schweben und in monotonem Tonfall synchron Botschaften von sich geben. Diese verstörende Kakophonie begleitet uns durch das gesamte Spiel und kündigt, in der Regel begleitet von plötzlich auftretenden roten Lichtkegeln, kämpferische Auseinandersetzungen mit den bewaffneten Truppen des Hauses an, die nicht mehr recht zu wissen scheinen, dass sie eigentlich für und nicht gegen das FBC arbeiten sollten.

Action-Adventure mit Rollenspielelementen, Third Person Shooter oder doch Metroidvania?

Hierbei handelt es sich um die von Jesse Hiss getauften Hauptantagonisten des Spiels, die uns in mannigfacher Gestalt – mit Gewehren, Raketen oder aber telekinetisch mit Einrichtungsgegenständen nach uns werfend, laufend oder wahlweise auch herumfliegend – an die Lederjacke wollen. Bei den Hiss handelt es sich um ehemalige Mitarbeiter des bundesstaatlichen Kontrollbüros die, gleichsam von einem auditiven Virus befallen, nunmehr Jagd auf den nicht zu Hiss mutierten Teil der Belegschaft machen. Den Hauptteil des Spiels erwehren wir uns dementsprechend mit Waffengewalt und sonstigen uns zur Verfügung stehenden Fähigkeiten zahlloser Wellen über uns hereinbrechender und aus dem Nichts spawnender Hiss, um im Oldest House verstreute Kontrollpunkte von dem Zisch-Virus zu befreien. Dieselben dienen uns fortan – Darksouls lässt grüßen – als Reisemöglichkeiten, sowie kleine Hubs an denen wir unsere Waffen verstärken oder neue Waffen konstruieren können, sowie Nebenmissionen annehmen.

Zur Befreiung dieser Kontrollpunkte dient uns als Feuerwaffe die zuvor erwähnte Service Weapon, ein so genanntes Object of Power. Im weiteren Verlauf des Spiels können wir diese Pistole, die einzige uns zur Verfügung stehende Feuerwaffe des Spiels, zu einer Schrotflinte oder etwa einem Maschinengewehr umfunktionieren, wobei wir während des laufenden Spielgeschehens lediglich zwischen zwei Waffenmodi per Tastendruck wechseln können. Die Service Weapon verfügt in allen ihren Formen über unendlich viel Munition, allerdings über ein begrenztes Magazin das schnell geleert ist und sich ausschließlich automatisch auflädt. Und dieser Ladevorgang nimmt zunächst einiges an Zeit in Anspruch. Gerade zu Beginn macht das die Kämpfe durchaus herausfordernd. Immer wieder müssen wir in Deckung gehen oder aber feindlichem Kugelhagel geschickt ausweichen, um Zeit zu gewinnen, bis das Magazin geladen ist und wir neuerlich bereit sind Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Zusätzlich erschwert wird dies dadurch, dass es kein richtiges Deckungssystem und auch kein Autohealing gibt, wie es gegenwärtig schon fast selbstverständlich zum Shooter-Standard gehört. Beseitigte Feinde lassen hingegen blau Kristalle fallen vermittels derer wir Jesses Lebensbalken nach erlittenem Schaden neuerlich auffüllen können. Dazu müssen wir uns jedoch aus unserer Deckung wagen und über die Kristalle hinweg laufen. Hier wirkt Control schon fast wie ein klassischer Shooter der 90er und frühen 2000er Jahre. Mit fortschreitendem Spielverlauf schalten wir allerdings Waffenmodifikationen frei die wahlweise den Ladevorgang beschleunigen, den Schaden der Waffe erhöhen oder andere Arten von Verbesserungen vornehmen, die uns die Feuergefechte erleichtern. Neben den Waffenmodifikationen gibt es ebenso persönliche Modifikationen die es uns erlauben Jesses Lebensenergie zu steigern, respektive die durch Kristalle zurückgewonnene Lebensenergie erhöhen oder aber die übernatürlichen Fähigkeiten der Protagonistin betreffen.

Psi-Phänomene und die astrale Ebene

Denn neben der Service Weapon erwehren wir uns der Hiss vor allem durch bestimmte Fertigkeiten die Jesse im Laufe ihres Abenteuers im Oldest House, durch die Objects of Power, erwirbt. Diese Objects of Power – zu denen etwa eine Jukebox, eine Diskette oder eben auch die Service Weapon der Direktorin zählen – ausfindig zu machen, aus dem Verkehr zu ziehen, sodass sie keinen Schaden in der Zivilbevölkerung anrichten können, sowie diese eigenartigen Objekte eingehenden Untersuchungen zu unterziehen ist eine der zentralen Aufgaben des Federal Bureau of Control. Dies erzählt uns das Spiel immer wieder in zahlreichen Full Motion Live Acting Videos mit echten Schauspielern, die sich wunderbar in das Spielerlebnis einfügen und eine große Stärke desselben darstellen.

Immer wenn wir ein Object auf Power an uns nehmen erhalten wir durch dasselbe eine neue Psi-Kraft. Dieselbe können wir sogleich im Anschluss – in der Art eines klassischen Tutorials – in der astralen Ebene, zu der uns die Objects of Power bei Erstkontakt teleportieren, ausprobieren. Zunächst steht uns nach Aufnahme der Service Weapon zu Beginn des Spiels lediglich ein Nahkampfangriff in der Form eines verheerenden Energiestoßes zur Verfügung, der Gegner zu Boden stößt und ihnen zugleich Schaden zufügt. Späterhin erwirbt Jesse darüber hinaus unterschiedliche Fertigkeiten wie Telekinese, die es uns erlaubt Gegenstände oder aus Wänden und Böden herausgebrochene Brocken auf Gegner zu schleudern, respektive bei Steigerung dieser Fertigkeit mittels Erfahrungspunkten, die Hiss selbst durch die Luft zu befördern und solchermaßen kampfunfähig zu machen. Gegebenenfalls lassen sich aus den Wänden und Böden gebrochene Trümmer auch als Schutzschild verwenden, um besonders konzentriertem Kugelhagel zu entgehen, während man gerade nach der nächstbesten Deckung Ausschau hält. Sogar fliegen lässt uns das Spiel im späteren Verlauf.

Dabei erweisen sich allerdings einzelne Fertigkeiten als deutlich nützlicher, um nicht zu sagen übermächtig, als andere. In den meisten Fällen ist die Telekinese die erste Wahl, wenn wir uns einer Übermacht an Hiss gegenübersehen. Durch Steigerung dieser Psi-Kraft mittels Erfahrungspunkten reicht im späteren Verlauf des Spiels bereits ein telekinetisch zum Geschoss umfunktionierter Gegenstand, um feindliche Hiss kampfunfähig zu machen. Darüber hinaus mangelt es den Kämpfen Controls, im Vergleich etwa zu den Schusswechseln Max Paynes, oftmals an taktischem Kalkül. Der 2001 veröffentlichte erste Third Person Shooter Remedys überzeugte nicht zuletzt durch eine gewisse taktische Finesse die es vom Spieler verlangte sich Gegnerpositionierungen genau einzuprägen, um effizient und treffsicher so viele Gegner wie möglich innerhalb eines Zeitlupensprunges außer Gefecht zu setzen. Die Gefechte in Control fallen hingegen zumeist sehr hektisch aus, da es auch in Ermangelung eines richtigen Deckungssystems kaum Möglichkeiten der Entschleunigung des Spielgeschehens gibt. Das nimmt dem Szenario taktischen Tiefgang und setzt demgegenüber auf schnelle Reaktion und Actiongewitter. Sterben wir setzt uns das Spiel einfach an den zuletzt besuchten Kontrollpunkt zurück und wir müssen den Kampf von neuem beginnen. Für ein wenig Abwechslung sorgen immerhin ein paar Rätseleinlagen, die vor allem aus Schalterrätseln und Rätseln mit Symbolen bestehen. Immer wieder einmal müssen wir per Telekinese Energiewürfel in dafür vorgesehene Steckdosen in der Wand befördern oder Terminals in der richtigen Reihenfolge aktivieren und einmal das Abbild eines Symbols an einem Terminal replizieren. Wirklich anspruchsvoll sind diese Rätseleinlagen zu keinem Zeitpunkt, sie lockern das actionreiche Geschehen jedoch willkommen auf.

Direktorin auf Abwegen

Abseits des Hauptpfades beschäftigt uns Control mit zahlreichen rein optionalen Nebenaufgaben, die zumeist darin bestehen eine spezifische Anzahl von Hiss, in einem bestimmten Bereich des Oldest House, auf eine ganz bestimmte Art und Weise (mit einer bestimmten Waffe oder Fertigkeit) oder unter bestimmten Konditionen (wie etwa keinen Schaden zu nehmen) zu beseitigen. Es können stets drei solcher Nebenaufgaben gleichzeitig bei bereinigten Kontrollpunkten angenommen und bei erfolgreicher Erledigung ebendort gegen zuvor festgelegte Waffenmodifikationen, persönliche Modifikationen oder aber Konstruktionsmaterialien – zur Herstellung neuer oder Verbesserung bereits konstruierter Waffen – eingetauscht werden. Vor allem diese Gattung von Nebenaufgaben wirkt jedoch ungemein deplatziert, da sie nicht an die Welt von Control rückgebunden wird. Mit Leichtigkeit hätten sich dieselben als Aufgaben zu Forschungszwecken legitimieren und solchermaßen zumindest tentativ in das Hauptgeschehen einbinden lassen. Das findet jedoch nicht statt, wodurch ein guter Teil an Atmosphäre für das stumpfsinnige Abarbeiten von Herausforderungen geopfert wird. Manchmal tauchen im Missionsmenü selbst auch Nebenmissionen auf die jederzeit gestartet werden können jedoch nur für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stehen. In diesem Fall müssen wir uns an einen bestimmten Ort begeben an dem dann besonders starke Gegner auf uns warten und dementsprechend im Falle ihres Ablebens hochwertigere Modifikationen zurücklassen.

Verfolgte Strahlen

Eine technische Besonderheit von Control besteht darin, dass das Spiel Grafikkarten unterstützt die vermittels Raytracing rendern. Raytracing (Strahlverfolgung) stellt jedoch keineswegs eine neue Technologie dar. Ganz im Gegenteil: Cineasten wird diese Rendertechnik zur realitätsgetreuen Pixeleinfärbung nur allzu bekannt vorkommen. In der Filmbranche kommt Raytracing bereits seit geraumer Zeit zum Einsatz und dient dazu – etwas simplifizierend ausgedrückt – einen in Pixel übersetzten Lichtstrahl besonders realistisch auf virtuelle Objekte treffen zu lassen und dadurch einen fotorealistischen Effekt bei vorgerenderten (Bewegt-)Bildern zu erzeugen. Im Video- und Computerspielbereich hingegen konnte diese Rendertechnik bisher kaum Fuß fassen, müssen Bilder hier doch in Echtzeit berechnet werden, da die Kamera vom Spieler selbst gesteuert wird und somit kein vorberechneter Bildschirmausschnitt angezeigt werden kann. Die für Echtzeit-Raytracing benötigte Rechenleistung konnte von der bisher gängigen PC-Hardware jedoch nicht aufgebracht werden. Nvidia hat sich Raytracing in den letzten Jahren nunmehr zu einer Hauptaufgabe gemacht und eine Generation von Grafikkarten vorgelegt, die dieses Renderverfahren zu schultern in der Lage sind – wenngleich die Geschichte noch immer deutlich auf die Performance schlägt. Wer über eine dafür notwendige Grafikkarte und ausreichend potente Hardware verfügt, der wird bei Aktivierung von Raytracing mit wunderschönen Spiegelungen, Beleuchtungseffekten und Reflexionen belohnt, die ihres Gleichen suchen. Aber auch ohne aktiviertem Raytracing ist Control ein grafisch mehr als nur ansehnliches Spiel geworden.

Schattenseiten der Technik

Ein äußerst störender Bug, der mich vor allem im späteren Verlauf meines Spieldurchgangs in regelmäßigen Abständen heimsuchte, bestand in nicht nachgeladenen oder aber viel zu niedrig aufgelösten Texturen. Ein Bug der nicht zuletzt jene Rätsel im Spiel verunmöglicht zu deren Lösung wir im Level verteilter Grafiken bedürfen. So müssen wir etwa an einer bestimmten Stelle im Spiel eine Maschine aktivieren. Um dies zu bewerkstelligen wollen Terminals in einer bestimmten Reihenfolge aktiviert werden. Die Reihenfolge der Aktivierung wiederum ergibt sich aus einer bestimmten Reihenfolge von Symbolen, deren akkurate Anordnung wir dreier in zwei getrennten Räumen aufgestellter Whiteboards entnehmen können. Wird die entsprechende Grafik jedoch nicht geladen oder aber zu niedrig aufgelöst hilft manchmal nur ein Neustart, um dem grobkörnigen Pixeltreiben ein Ende zu bereiten (anschließende Wiederholung bis dahin absolvierter Wegstrecken und Beseitigung von Feinden inklusive). Oftmals genügte es jedoch einfach im Grafikmenü eine geringere Detailauflösung einzustellen und anschließend neuerlich auf die höhere Auflösung zurück zu schalten. Wie auch immer: Nervig!

FAZIT

Bei aller Unkonventionalität des Settings, der Story und der Charaktere bleibt Control im Wesentlichen doch ein recht konventioneller, wenngleich solider und spaßiger, Third Person Shooter der darüber hinaus durch übernatürliche Fähigkeiten seiner Protagonistin und eine damit verwobene Spielewelt abwechslungsreich aufgepeppt wird. Dies kann jedoch nicht kaschieren, dass sich auch in Control die Ubisoft-Formel eingeschlichen hat. Im Wesentlichen sind wir während des Spiels primär damit beschäftigt unterschiedliche Kontrollpunkte im Oldest House einzunehmen, um die architektonische Ordnung im betreffenden Raum wiederherzustellen und solchermaßen Zugang zu weiteren Arealen zu erhalten, einzelne Boss-Kämpfe mitinbegriffen. Das bedeutet in der Regel innerhalb eines Raumes mit Kontrollpunkt alles umzunieten oder durch die Luft zu schleudern, was bei drei nicht freiwillig aus demselben gewichen ist, bis sich die treibende Kampfesmusik neuerlich beruhigt, was gleichbedeutend damit ist, dass keine Gegner mehr spawnen. Anschließend muss der Kontrollpunkt per Tastendruck aktiviert werden. Das klingt nicht nur nach Ubisoft, sondern unterscheidet sich gamplaytechnisch tatsächlich nicht grundlegend von z.B. der Befreiung eines Camps in Far Cry und nutzt sich dementsprechend als Spielmechanik auch schnell ab; nicht zuletzt deshalb da es außer der direkten Konfrontation keinerlei alternative Lösungsmöglichkeiten gibt die Hiss von den Kontrollpunkten zu beseitigen. Auch fehlen den Kämpfen, ob ihrer Hektik, jene taktischen Finessen die die Schussgefechte Max Paynes auszeichneten. Auf diese Weise wird das ungemein interessante Setting des Spiels – das lebendig anmutende Oldest House und die es beherbergenden mystischen Objects of Power – sehr selten in all seinen Möglichkeiten ausgereizt. Zu diesem Zweck eine kleine Literaturempfehlung für all jene mit Affinität für gepflegten Horror im Bereich postmoderner Literatur: Mark Z. Danielewski House of leaves (2000).

Dennoch ist Control ein mehr als nur gelungener Third Person Shooter mit Adventure-, Rollenspiel- und Metroidvania-Anleihen. Dementsprechend hatte ich mit dem Spiel großen Spaß! Das Kampfsystem ermöglicht nach kurzer Eingewöhnungsphase rasant choreographierte Schlachten mit schön anzusehenden Effekten und treibender Atmosphäre. Überhaupt ist Control, auch ohne Raytracing, ein graphisch gelungener und sehr hübscher Titel geworden. Das Oldest House und sein Leveldesign sind, trotz vergebenen Potentials, stellenweise richtiggehend verblüffend. Die eigentliche Stärke ist jedoch ohnehin neuerlich Lakes Geschichte, sowie die Inszenierung derselben vermittels zahlreicher unterhaltsamer Dokumente, Radio- und Fernsehsendungen, sowie Full Motion Live Acting Videos, die nicht nur vom großen schauspielerischen Können ihrer Protagonisten zeugen (ein Highlight sind die Videos von Dr. Caspar Darling, der vom Alan Wake Sprecher Matthew Porretta gespielt wird), sondern sich zugleich wunderbar in die Welt von Control einfügen. Dennoch wirken die Figuren Controls selten so lebensecht und sympathisch, wie jene Alan Wakes. Aus diesem Grund möchte ich auch an dieser Stelle einen von mir lange gehegten Wunsch äußern: Lasst Sam Lake endlich ein auf die narrative Ebene konzentriertes Adventure entwerfen!

Was ist Control? Ein Third Person Shooter mit Rollenspiel-, Adventure vor allem jedoch Metroidvania-Elementen.
Plattformen: PC, PlayStation 4, Xbox One
Getestet: Version 01.03.00 auf PC Intel Core i5-6600K, 4x 3.5GHz, 16 GB RAM, AMD Radeon R9 Fury
Entwickler / Publisher: Remedy Entertainment/ 505 Games
Release: 27. August 2019
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 8.0

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 8 | Motivation: 8

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