Cuphead im Test

Selbst ich bin nicht alt genug um die Cartoons von Max Fleischer (übrigens ein gebürtiger Österreicher) im Original gesehen zu haben, kenne aber natürlich seine Charaktere wie Betty Boop und Popeye. Auch Steamboat Willie oder Fiddlesticks vom direkten Konkurrenten Disney sind mir ein Begriff und nicht nur deswegen, weil darin Mickey Maus ihre ersten Auftritte absolvierte. Im Spiel Cuphead kommt zwar keine dieser Figuren vor, versteht sich aber als eine Hommage an genau diese Zeichentrickkunst der 1930er-Jahre und ist seinen Vorbildern, zumindest in Sachen Präsentation, nahezu ebenbürtig. Spielerisch kann das kleine Run’n’Gun-Game aber leider nicht ganz mithalten.

Auch die beiden Protagonisten Cuphead und Mugman – zwei Tassen mit Händen, Beinen und einem dekorativem Strohhalm – orientieren sich charakterlich eng an ihre Vorbilder: Sie sind opportunistisch, lasterhaft und agieren nicht immer moralisch einwandfrei. Deswegen verzocken sie in der Spielhölle des Teufels nicht nur ihr ganzes Geld, sondern obendrauf auch noch ihre Seele. Weil aber auch noch andere zwielichtige Gestalten Schulden beim Beelzebub haben, bietet der ihnen einen Deal an: Wenn sie alle ausständigen Forderungen eintreiben, dann bekomme sie ihre eigene Seele zurück. Was sich zunächst als machbare Aufgabe anhört, entpuppt sich aber mit fortschreitendem Spielverlauf als ziemlich schwieriges und teilweise sehr frustrierendes Unterfangen.

Das Repertoire an Aktionsmöglichkeiten ist überschaubar und das Tutorial in weniger als 30 Sekunden absolviert. Die beiden Tassen können laufen, hüpfen, sich ducken und in acht verschiedene Richtungen schießen. Sie verfügen zwar über keinen Doppel-Sprung, dafür aber über einen Dash-Move, mit dem sie sowohl auf festem Grund, als auch in der Luft eine schnelle Ausweichbewegung nach vorne ausführen können. Mit dem Parry-Slap kann man außerdem rosa Objekte abwehren, wodurch die Super-Meter Anzeige in Form von Karten aufgeladen wird. Diese können wir wiederum dazu verwenden, einen stärkeren Spezial-Angriff abzufeuern.

Kill the Boss

Und so bereist Cuphead die Spielewelt und klappert einen Schuldner nach dem anderen ab. Spielerisch ergibt das eine Aneinanderreihung von den verschiedensten Boss-Gegnern, die meist in einem dreistufigen Kampf besiegt werden müssen. Die beiden boxenden Frösche Ribby und Croaks greifen uns beispielsweise zunächst gemeinsam von einer Seite an und werfen uns brennende Fliegen und feurige Boxhandschuhe entgegen. Haben wir genügend Schaden angerichtet wechselt einer der beiden die Seite, während der andere seine Hände in einen Ventilator verwandelt und versucht uns in die Arme des Gegenübers zu blasen. Hat man auch diese Angriffswelle überstanden, transformieren sich die beiden Amphibien zu einem riesigen Glücksspielautomaten. Dann muss man nur mehr drei mal den Hebel betätigen und dabei entgegenkommenden Hindernissen ausweichen und schon erscheint der erlösende „A KNOCKOUT!“-Schriftzug am Bildschirm. Dieser Kampf ist aber nur exemplarisch, denn die restlichen 27 Kontrahenten stehen in Sachen kreativem Gegner-Design den beiden Fröschen um nichts nach.

Grundsätzlich dauert so eine Auseinandersetzung maximal zwei bis drei Minuten. Wer aber jetzt nachgerechnet und glaubt, dass es sich bei Cuphead um ein sehr kurzes Vergnügen handelt, der irrt aber gewaltig. Das liegt einerseits am hohem Schwierigkeitsgrad. Wir haben zwar unendlich viele Leben und unbegrenzt Munition, aber wenn unser Held drei Treffer kassiert, dann beginnt der Kampf von vorne. Demgegenüber können unsere Gegner sehr viel an Schaden einstecken und verfügen über sehr unterschiedliche Taktiken. Manchmal hilft dabei das Auswendiglernen der Angriffe, ein anderes mal kommt eine Zufallskomponente ins Spiel, sodass schnelle Reflexe gefragt sind. Trotz seines herausfordernden Schwierigkeitsgrades ist das Spiel niemals unfair. Mit Konzentration und viel Durchhaltevermögen kommt man mit jedem Anlauf ein Stückchen weiter, der virtuelle Tod ist und bleibt aber immer der ständige Begleiter. Wem es dann doch zu schwer wird, der kann den dieser von „regular“ auf „easy“ gedrosselt werden. Dieser Modus dient aber lediglich zum Übungszweck, bei dem die Gegner weniger Treffer aushalten, denn so sind nur die ersten drei Abschnitte der Spielewelt zugänglich. Will man die finale vierte Welt betreten, muss man zuvor die vorangegangen Level im Standard-Schwierigkeitsgrad bewältigen.

Ein anderer Grund, warum die Spieldauer einigermaßen akzeptabel ist, sind die eingestreuten Run-&-Gun-Levels. Eigentlich genügt es, die einzelnen Boss-Gegner zu besiegen, warum es dennoch ratsam ist, die zusätzlichen Spielpassagen zu absolvieren, sind die einsammelbaren Items, wie etwa Goldstücke. Damit kann man sich im Shop nützliche Verbesserungen wie etwa zusätzliche Lebenspunkte, alternativen Feuermodi oder Spezial-Attacken käuflich erwerben. Diese Abschnitte sind zwar teilweise genauso bockschwer die Kämpfe gegen die größeren Widersacher, haben aber obendrein meist ein ziemlich striktes Zeitlimit, was ein zusätzliches schweißtreibendes Spielelement hinzufügt. Wer seinen Frust teilen will, der hat dank lokalem Coop-Modus auch die Gelegenheit dazu, denn Cuphead kann zu zweit gespielt werden. Der weitere Spieler übernimmt dann die Steuerung von Freund Mughead. Stirbt einer der beiden, kann sein Geist vom Anderen durch einfachen Kopfdruck wiederbelebt werden. Der Schwierigkeitsgrad bleibt zwar dennoch weiterhin sehr hoch, aber wie heißt es so schön: Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Aus Neu mach Alt

Über das fantastische Art-Design, den originellen, detailverliebten Figuren sowie den perfekten Cartoon-Style braucht man nicht viele Worte zu verlieren. Der Grafikstil imitiert nahezu perfekt das Look&Feel der Zeichentrick-Klassiker der 1930er Jahr und man merkt bei jedem einzelnen Bild, wie viel Schweiß und Herzblut in die visuelle Präsentation geflossen ist. Um das so perfekt wie in Cuphead umzusetzen und den Charme der Vorbilder zu erhalten, musste das Entwicklerstudio zunächst sämtliche Animationen und Bewegungsphase jeder einzelnen Figur, sowie sämtliche Hintergründe zunächst mit Bleistift auf Papier gezeichnet. Erst danach wurden die einzelnen Bilder eingescannt, mit einem Bildbearbeitungsprogramm eingefärbt und dann mittels der Unity-Engine weiter verarbeitet. Das sich der Aufwand aber gelohnt hat, kann man aber an jedem einzelnen Screenshot erkennen. Und auch akustisch kann das Spiel beschwingtem BigBand-Sound, Dixieland-Jazz und anderen historischen angehauchten Musikstücken punkten.

FAZIT

Ich bezeichne Cuphead gerne als „Das Schöne und das Biest“, denn Art-Design und die akustische Präsentation ist über jeden Zweifel erhaben. Die Brüder Moldenhauer haben mit diesem Spiel ein einzigartiges, wunderschönes Meisterwerk erschaffen, das sich in keinster Weise vor seinen Vorbildern verstecken muss. Aber so hoch auch das Niveau der visuellen Darbietung ist, so hoch ist auch die Herausforderung das Spiel zu meistern. Spätestens wenn man nicht mehr weiterkommt, weil der letzte Spielabschnitt erst dann freigeschalten wird, sobald alles andere im regulären Schwierigkeitsgrad absolviert wurde, dann kommt so etwas ähnliches wie Frust auf – umso mehr, wenn man bisweilen die Spielewelt auf „easy“ erkundet und sich dabei schon ziemlich abgemüht hat. Ist zu guter Letzt auch das eigene Durchhaltevermögen nicht besonders gut ausgeprägt, wird man vermutlich nie das Ende von Cuphead zu Gesicht bekommen. Und das wird der Gelegenheitsspieler und Otto-Normal Zocker in den meisten Fällen sowieso nie schaffen, denn der Oldschool-Schwierigkeitsgrad richtet sich eher an Genre-Veteranen und hartgesottene Spielertypen, die selbst nach tausend Toden noch immer mit einem breiten Lächeln im Takt des fantastischen jazzigen Soundtracks mitwippen. Eigentlich sehr schade, denn so bleibt ihnen ein audiovisuelles Kunstwerk verwehrt. Cuphead ist halt ein Spiel, welches nur eine sehr kleine Zielgruppe wirklich richtig glücklich machen wird.

Gesamtwertung: 8.4

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 10 | Handling: 8 | Spieldesign: 10 | Motivation: 4

Passende Beiträge

Empire of the Ants im Test

Phasmophobia im Test

Horizon Zero Dawn™ Remastered im Test