Dakar 18 im Test

Dakar 18 macht, wie kaum ein Spiel aus den letzten Monaten klar, wie wichtig es ist, sich bei der Videospiel-Entwicklung nicht nur auf einzelne Bereiche oder Spezialitäten zu konzentrieren, sondern immer das große Ganze im Auge zu behalten. Letzteres scheint Big Moon aber auf mehrere Arten entfallen zu sein …

Realismus in Videospielen ist eine facettenreiche und teils auch verzwickte Sache. Zum einen bedeutet immer höherer Realismus nicht zwingend auch ein immer besseres Spielerlebnis. Rennspiele sind gleich hier ein besonders gutes Beispiel: Übertreibt ein Entwickler es hier etwa mit dem Realismus in Sachen Physik – nimmt also zum Beispiel einfach 1:1 die Fahrdynamik-Routinen aus dem Simulator eines Sportwagen-Herstellers oder Motorsport-Teams – ist das Ganze nicht nur mit einem Controller schon mal kategorisch unspielbar, sondern wird auch sonst so gut wie jeden Zocker zur Verzweiflung treiben. Zum anderen besteht ein Rennspiel aber auch selten einzig und allein aus der Fahrphysik: Karriereverlauf, Einstellungsmöglichkeiten, Schadensmodell, Streckenauswahl und -gestaltung, Sound und die Besonderheiten der einzelnen Disziplinen … all das und noch viel mehr muss am Ende ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Und das ist keine leichte Aufgabe. Warum ich diesen Exkurs an den Anfang des Reviews zu Dakar 18 setze? Weil just dieses Spiel leider ein recht gutes Beispiel dafür ist, was passiert, wenn man eben genau das nicht schafft.

Der Schuster und seine Leisten

Entwickler Big Moon hat eigentlich schon satte zehn Jahre Erfahrung auf dem Buckel – nur eben zumeist als Zulieferer für andere Studios wie Milestone (MotoGP oder WRC) oder auch bigben (Flatout 4), aber nicht als federführende Entwickler. Zumeist ging es dabei um 3D Art, Modelle und Co. Das merkt man auch beim Spielen von Dakar 18, das im Grunde ihr Debütstück in Sachen vollwertiges und durchaus ambitioniertes Rennspiel darstellt. Grafik, Fahrzeugmodelle und Umgebungsdarstellung: alles 1A. Die durch die Bank lizenzierten Autos, LKW, Quads sowie Motorräder mitsamt echten Fahrern sind überaus detailliert ausgeführt und die 1:1 aus der Realität ins Spiel übertragenen Landschaften der wohl härtesten Rallye der Welt ebenso weitläufig und beeindruckend, wie man es sich erhofft. Zudem schaffen es die Entwickler, der verwendeten Unreal-Engine fantastische Wettereffekte und wunderschöne Lichtstimmungen zu entlocken. Wenn man also dank des fließenden Tag/Nacht-Wechsels samt realistischer Wetterumschwünge zum ersten Mal Nachts über nur durch die Scheinwerfer erhellte Dünen prescht, während über einem Blitze das tiefe Schwarz der Nacht durchschneiden, kann einem schon einmal kurz der Mund offen stehen bleiben.

Auch merkt man, dass die Damen und Herren von Big Moon ein echtes Herz für Rennsport und die Dakar im ganz Speziellen haben. Statt sich nämlich einfach die Lizenz zu krallen und ein x-beliebiges Rennspiel zusammenzuzimmern, haben sie tatsächlich alle Besonderheiten dieser Veranstaltung eingefangen. Die größte davon ist die Streckenführung: Wer schon jemals im TV über die Dakar gestolpert ist, wird wissen: Straßen und feste Routen gibt es hier nicht. Die größte Herausforderung für die Teilnehmer dieser Ausdauerveranstaltung ist es also nicht, möglichst schnell zu sein, sondern den richtigen Weg zu finden und heil am Ende der, zumeist mehrere hundert Kilometer langen, Etappen anzukommen. Das ist im Spiel nicht anders – „Mal kurz eine Runde fahren“ spielt es hier also in der Regel nicht. Während die erste Etappe der Dakar – wie gesagt: alles wurde realitätsnah ins Spiel übertragen – noch innerhalb weniger Minuten erledigt ist, solltet ihr euch bereits beim Start der zweiten eine ganze Weile nichts mehr vornehmen.

Willkommen in der Wüste

Vor allem dann nicht, wenn ihr euch schon damit schwer tut, immer unfallfrei den Weg vom Zocker-Plätzchen in die Küche zu finden. Während euch nämlich im leichtesten Schwierigkeitsgrad noch ein unrealistischer Punkt auf dem HUD dabei hilft, den Weg zu finden, seid ihr bereits ab dem zweiten Herausforderungs-Level ganz darauf angewiesen, das Roadbook lesen zu können, das mit GPS-Pointern, Zeichnungen von besonderen Punkten in der Landschaft und Angaben zu gefahrenen Kilometern arbeitet. So huscht ihr euch von Checkpoint zu Checkpoint. Dabei wird Anfängern nicht nur dringend geraten, tatsächlich mit dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad zu beginnen, sondern auch fürs Erste in einem Auto oder LKW ins Rennen zu gehen. Da habt ihr nämlich noch einen Beifahrer, der euch die Streckennotizen vorliest und das Roadbook immer entsprechend weiterdreht. Auf einem Motorrad oder Quad hingegen müsst ihr das alles allein hinbekommen.

Auch, wenn mal etwas kaputt geht, müsst ihr auf Zweirädern allein damit klar kommen: Schäden reparieren oder feststeckenden Kollegen mittels Schlepphaken aus dem Schlamm helfen … all das geht in Dakar 18. Heißt: Ihr könnt auch jederzeit aus- bzw. absteigen und per pedes die Umgebung erkunden – passend dazu gibt es sogar ein kleines Minigame, in dem ihr die Etappen frei erkunden und nach Schätzen buddeln könnt … bloß so.

Leider ist es aber gerade das, was ihr während des Fahrens und Lebens in der Wüste erlebt, der Teil des Spiels, der die fehlende Erfahrung der Entwickler (gemeinsam mit einem gewissen Zeitdruck, nehmen wir an) deutlich macht: Die Fahrphysik ist irgendwas zwischen unrealistisch und einfach nur schlecht, Lenkrad-Support gab es zum Launch des Spiels gleich mal gar keinen, die KI (alle Fahrer starten zeitversetzt – ab und an trifft man aber dennoch andere Teilnehmer) verhält sich teilweise erschreckend dumm, der Motoren-Sound ist verbesserungswürdig und die Animationen der Fahrer erinnern an die von Lara Croft … im ersten Tomb Raider aus dem Jahr 1996.

Work in progress

Zumindest aber kann man den Entwicklern nicht vorwerfen, dass sie nicht selbst wissen würden, was sie da fabriziert haben. Seit dem Launch im September sind beispielsweise für die PC-Version bereits sieben(!) Patches erschienen. Dabei wurde die Unterstützung für einige der gängigsten Lenkräder hinzugefügt, ein wenig an der Technik und Fahrphysik gefeilt und eine ganze Phalanx an Bugs und Fehlern korrigiert. Dass wir jetzt aber, laut Entwicklern, bei der Version 0.7 des Spiels stehen, sagt wohl auch einiges aus. Selbst rund einen Monat nach Launch ist das gute Stück wohl einfach noch nicht so wirklich „fertig“. Da wundert es dann auch recht wenig, dass der Multiplayer-Modus nicht unbedingt mit Überbevölkerung zu kämpfen hat. Zumindest gibt es einen Splitscreen-Modus – heutzutage ja leider eine Seltenheit.

FAZIT

Ich persönlich habe mich sehr auf Dakar 18 gefreut – die geschichtsträchtige Rallye hat es meiner Meinung nach einfach verdient, einmal „richtig“ als Spiel umgesetzt zu werden – und die Ansätze waren hier auch wirklich gut: gigantische Areale, lizenzierte und abwechslungsreiche Fahrzeuge, realistische Navigation und hübsche Grafik. Zu schade, dass am Ende zu viele Unvollkommenheiten, wie eine verkorkste Physik, dem Spaß einen Strich durch die Rechnung machen. Zwar ist durch die ersten sieben(!!!) Patches schon durchaus Besserung in Sicht, am Ende bleibt Dakar 18 aber auch mit ihnen nur Durchschnittskost, die einzig echten Fans ans Herz gelegt werden kann.

[image src=’https://www.gamers.at/wp-content/uploads/2018/10/DAK18_2D_packshot_PC_USK_png_jpgcopy.jpg‘ width=’95‘ height=’140′ title=“ align=’left‘]
Was ist Dakar 18? Realitätsnahe Umsetzung der Rallye Dakar mit Original-Lizenz für Event und Fahrzeuge.
Plattformen: Playstation 4, Xbox One, PC
Getestet: PC, Playstation 4
Entwickler / Publisher: Big Moon / Deep Silver
Release: 25. September 2018
LinkOffizielle Webseite

Gesamtwertung: 5.6

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 4 | Handling: 4 | Spieldesign: 6 | Motivation: 6

Passende Beiträge

Planet Coaster 2 im Test

Little Big Adventure – Twinsen’s Quest im Test

LEGO Horizon Adventures im Test