Defiance 2050 im Test

Aufgewärmtes ist aktuell en vogue. Ob bei Filmen, in der Mikrowelle oder im Gaming-Bereich: Die zahlreichen Wiederbelebungsversuche lassen jedem Hobby-Nekromanten das untote Herz höherschlagen. Während Funcom mit Secret World Legends das einiger Maßen akzeptabel hinbekommen hat, versucht Trion Worlds nun mit dem fünf Jahre alten Defiance ähnliches. Früher litt das Spiel vor allem unter technischen Unzulänglichkeiten, machte aber zwischenzeitlich durchaus Spaß. Warum sollte das nun anders sein?

Deine Zeit ist hinfällig

Die Prämisse von Defiance war eine gute. Nichts trägt mehr zur Immersion bei, als nach einer aufregenden Spiele-Session am PC mittels Fernseher noch tiefer in das gerade erlebte Universum einzutauchen. So zumindest die Idee, dass sich Spiel und Serie ergänzen. Erfüllte Missionen sollten beispielsweise in der nächsten Folge der Serie erwähnt werden. Leider ging das Konzept nicht auf und die Serie wurde nach drei Staffeln eingestellt. Das Spiel selbst war zwar weiterhin als Nischentitel bei einem harten Kern beliebt, schaffte es aber aufgrund allgegenwärtiger Probleme nicht, mehr Archenjäger anzulocken.

Da sich 3rd-Person-Shooter aber gemeinhin gut für Konsolen eignen, wird nun ein Relaunch versucht. Für die alte Generation war man mit einem Release im April 2013 zu spät dran. Zwar wird in Fachkreisen ja bereits über die Nachfolger der aktuellen Spielestationen gemunkelt, dennoch hofft Trion noch auf einen längeren Zyklus. Doch worum geht’s eigentlich in Defiance (2050)?

Hier war unsere Zeit wirklich hinfällig

Ich bin nicht leicht zu beeindrucken, aber diesmal bin ich es

In Defiance 2050 befindet sich der Spieler in einer stark transformierten Erde der Zukunft. Nachdem ein Kollektiv von Aliens, Votaner genannt, von ihrem zerstörten Sternensystem flüchten mussten, kamen sie auf die Erde. Erwartungsgemäß stand ihnen die Menschheit mit Argwohn feindselig gegenüber, was früher oder später in einem Konflikt kumulieren musste. Nach mehreren Jahren Krieg explodierte plötzlich die Ark-Flotte der Außerirdischen im Orbit der Erde und zerstörte und verformte so großflächige Teile des blauen Planten. Nicht nur Flora und Fauna, sondern auch Bewohner mutierten zum Teil.

Wir spielen einen Archenjäger, und eigentlich wollen wir nur verlorene Relikte bergen und in einen riesigen Haufen Scrips umwandeln. Die Aufträge dazu erhalten wir von der Von Bach Industries, dem Marktführer in puncto Alientechnologie, der uns ebenfalls mit dem EGO-System ausstattet. Dieses Implantat versorgt unseren Jäger mit seinen Fähigkeiten, entspricht also dem Skill-System. Und so ziehen wir hinaus in die feindliche Welt voll feindlicher Votaner, mutierten Lebensformen, und natürlich Hellbugs.

Zeit für Schädlingsbekämpfung

Wir sind so stark wie jemals zuvor

Nach einem kurzen Intro geht’s via Rettungskapsel mitten ins Tutorial. Und dort war die Reise nach dem Launch für einige schon zu Ende: Diverse Spieler beklagten sich, dass das Tutorial nicht beendet werden konnte, selbst einen neuen Charakter zu erstellen schuf keine Abhilfe. Eine (leider) passende Einleitung und zeitgleiche Beschreibung der Hauptprobleme des Spiels, nämlich die zahllosen technischen Probleme. Von extremen, tageszeitunabhängigen Lags und Feinden, die sich wie Gummibänder bewegen, über wiederholte Abstürze des Programms bis hin zu einem plötzlichen Reset des Charakterlevels: Über all das wurde mehrfach in Foren berichtet. Trion versucht zwar mit Patches gegenzuarbeiten, aber für einen Reboot, der neue Spieler ins alte Boot holen soll, kann das schnell vernichtend sein. Fast alle Zwischenüberschriften sind übrigens Originalzitate aus dem Spiel, wobei die schlechten Übersetzungen noch am Ehesten verschmerzbar scheinen.

Wer sich also beispielsweise als Assassine für ein Scharfschützengewehr entscheidet, muss mit regelmäßigen Fehlschüssen leben, da NPCs oft unvorhersehbar vor dem Visier herumwackeln und in Sekundenbruchteilen enorme Distanzen zurücklegen. Dies fällt bei anderen Klassen und Waffengattungen nicht so sehr ins Gewicht, kostet aber dennoch enorm viele Nerven. Neben dem Assassinen gibt es noch den Assault, ein klassischer Soldat, der vor allem auf mittlere Entfernungen Schaden verursacht, den Combat Medic, der unter anderem mittels Heil-Bot die Wunden seiner Mitspieler verschließt, und den Guardian, welcher als Tank fungiert.

Die Talentbäume selbst wurden ein wenig überarbeitet. Während früher mehr Handlungsspielraum beim Verteilen der Punkte möglich war, hangeln wir uns jetzt einen vorgegebenen Weg entlang, auf dem wir meist zwischen zwei oder drei Fähigkeiten auswählen dürfen. Zusätzlich kann später eine weitere Klasse freigeschaltet werden. Zwischen den beiden Klassen kann dann nach Belieben gewechselt werden.

In der Nacht sind alle Scanner grau

Ich sitz in der Falle, bei mir ist alles gut

Die Quests sind mehr oder minder generisch und eher in der Kategorie „Einheitsbrei“ angesiedelt. Wenn diese jedoch in Gruppen erledigt werden, wird mit dem Abschluss der Aufgabe eine kurze Übersicht präsentiert, die etwa die Zahl der Abschüsse umfasst. So kann sich schnell ein kleiner, gruppeninterner Wettkampf bei der nächsten Quest auftun, der motiviert. Zusätzlich stolpern wir zwischen den Arbeitsaufträgen immer wieder über Ereignisse in der offenen Welt, doch auch diese wiederholen sich schnell. Beispielsweise wenn wir zum hundertsten Mal zwei Soldaten vor ein paar Banditen retten, oder mal wieder ein Hellbug-Nest zerstören sollen.

Die Archenfälle wiederum schaffen die größte Motivation und sorgen dafür, dass die Loot-Spirale angekurbelt wird. In diesen Events kämpft man in (optimaler Weise) großen Gruppen gegen zahllose Gegnerwellen an, um am Ende einem Bossgegner den Garaus zu machen. Als Belohnung winken Archenkisten, wofür in bester Pay-2-Win-Manier natürlich Schlüssel benötigt werden, um an die wertvollen Belohnungen zu kommen. An einige wenige gelangen Spieler im Laufe der Story-Missionen, danach müssen diese über tägliche Quests oder Koop-Missionen gefarmt werden. Allerdings kann ein Charakter ohne Echtgeld-Investition nur fünf von diesen Schlüsseln gleichzeitig besitzen, für mehr muss der Shop aufgesucht werden.

Kleiner Archenfall für zwischendurch

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Im PvP bieten sich mehrere Modi, die leider auch unter den instabilen Servern leiden. Bei Capture & Hold muss klassisch ein Punkt eingenommen und gehalten werden, begrenzt durch ein Punkte- oder Zeitlimit. Shadow Wars gehört ebenfalls zu Capture & Hold, findet jedoch in der offenen Spielwelt in einem beschränkten Bereich statt. Unsichtbar für alle, die nicht teilnehmen allerdings. Darüber hinaus gibt es noch einen üblichen Deathmatch-Modus. Hier bieten sich auf den ersten Blick somit keine Neuerungen.

Die grafischen Updates sind ebenso wenig spürbar. Die Texturen profitieren von einer geringfügig höheren Auflösung, erwecken aber keinesfalls den Eindruck, dass hier ein Titel aus dem Jahr 2018 gespielt wird. Im Endeffekt will Defiance 2050 wohl eine Überarbeitung sein, die auf aktuellen Konsolen mehr Spieler generieren soll. Generell spricht auch überhaupt nichts dagegen. Aber es ist einfach ein Unding, über Jahre keine Server oder Engine zur Verfügung stellen zu können, die zumindest ein reibungsloses Spielen ermöglicht. Selbst ohne die Hintergründe zu kennen ist das schlicht und einfach eine Dreistigkeit, die einiges an Frust aufkommen lässt.

Palmen, Betonstrand und Ungeziefer

FAZIT: Schlecht gealtert ist trotzdem gestorben

Dabei würde Defiance 2050 der Nische des Action-MMORPGs durchaus ein wenig Leben einhauchen. Und die kostenfreie Implementierung aller bisherigen DLCs plus die Absicht, noch mehr Inhalte gratis zur Verfügung stellen zu wollen, ist absolut lobenswert. Denn das Spiel an sich bereitet durchaus Spaß und versetzt in einen gewissen Rhythmus, der einen von Quest zu Quest trägt. Zwischendurch mit dem Quad durch die Landschaft zu brettern macht ebenso Laune, wenn es nicht bei jeder Kollision unter unserem Hintern wegexplodieren würde.

Eine weitere Chance scheint somit vertan. Wer gern die zweite, dritte oder vierte Wange hinhält, der kann vielleicht über all die Bugs, Probleme und Frustmomente hinwegblicken. Viele werden das aber nicht können oder wollen, und das ist nachvollziehbar. Spielspaß wird natürlich durch immer wiederkehrende, jahrelang nicht behobene Fehler, nachhaltig zerstört. Neue Spieler können so wohl ebenso wenig in ausreichendem Maße akquiriert werden. Das muss Trion in den Griff kriegen, ansonsten ist auch dieses Projekt zum Scheitern verurteilt. Und das wäre noch immer ehrlich schade.

Was ist Defiance 2050? Reboot eines 3rd-Person Action-MMOs mit vielen Käfern im Spiel aber auch im Spiel-Code.
Plattformen: PC, PS4, Xbox One
Getestet: Auf PC Intel Core i5-4590, 8GB RAM, GeForce GTX 960
Entwickler / Publisher: Trion Worlds, Inc
Release: 10. Juli 2018
LinkOffizielle Webseite

Gesamtwertung: 4.8

Einzelwertungen: Grafik: 4 | Sound: 4 | Handling: 6 | Spieldesign: 4 | Motivation: 6

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