DiRT Rally 2.0 im Test

Codemasters hat den Überraschungshit DiRT Rally in der Version 2.0 an den richtigen Stellen aufgemotzt und erneut eine neue Bestzeit in Sachen Rally-Simulation in den virtuellen Dreck gebrannt. Ein makelloser Lauf ist es aber nicht – in der einen oder anderen Kurve wurde auch mal ein Feature-Posten touchiert und der Lack zerkratzt.

Der hier nun zu lesende Test war freilich nicht die erste Etappe in die wir uns mit DiRT Rally 2.0 geworfen haben. Schon während der Anspielsession in Köln für unser dazu passendes Preview wurde so manches unumstößlich klar. Zum Beispiel, dass bei der Fahrphysik genau an den richtigen Schrauben gedreht wurde. War schon der Vorgänger ein echtes Simulationsbrett, wurde für Teil 2 nicht nur das Handling der Autos an sich verbessert, sondern zudem auch eine Oberflächentransformation eingebaut. Will heißen: Wenn schon vor euch Autos über die Strecken geflitzt sind, sorgen die Furchen die sie in losem Untergrund hinterlassen haben dafür, dass es noch kniffliger ist auf der sprichwörtlichen letzten Rille zu fahren.

Das ist schon während den klassischen Rally-Etappen gut zu merken, wird aber beim zweiten, neuen Standbein des Spiels erst so richtig deutlich: Den Rallye-Cross-Events. Denn während DiRT Rally 2.0 leider nach wie vor keine WRC-Lizenz ergattern konnte, so darf es sich zumindest auf die Fahnen schreiben das offizielle WRX-Spiel der Saison zu sein. Das bedeutet nicht nur, dass ihr mit echten Fahrern wie Sebastian Leob losdüsen könnt, sondern natürlich auch in die Cockpits jeder Menge offizieller WRX-Autos klettern könnt.

Apropos Autos: Alles in allem werden rund 40 davon geboten. Darunter finden sich so automobile Schmankerl wie der Original-Mini aus den 60ern, der fulminante Ur-Quattro, aber auch moderne Rally-Wagen aus unterschiedlichen Klassen – von den „kleinen“ R2 bis hinauf zu den R5-Boliden, die den WRC-Autos in Sachen Performance schon verdammt nahe kommen. Zudem warten die gänzlich neuen Rally-GT Wagen; hinterradgetriebene Monster vom Stile eines Aston Martin Vantage, eines Mustang oder auch eines Porsche 911. Wie sich das auf losem Untergrund dann anfühlt? Genauso furchtbar, wie es Kenner vermuten. Um ehrlich zu sein, sind die GTs auf Schotter-Etappen nahezu komplett unbrauchbar und fühlen sich deswegen auch mehr als skurriler Fremdkörper, denn als echt sinnvolle Ergänzung an.

Steile Kurve

Ähnlich verhält es sich ehrlicherweise auch mit dem gesamten, zuvor bereits angesprochenen Rally Cross-Modus. Klar: Sich für einzelne Rennen mit vollem Körpereinsatz in ein passendes Rennen zu werfen ist schon lustig. Gerade in der Kampagne – sowohl Rally als auch Rallycross können in eigenen Karrieren gestartet werden, wobei man mit schwachen Autos beginnt und sich nach und nach in höhere Klassen vorarbeitet – hat der RX-Modus nämlich ein schweres Balancing-Problem. Während die ersten Rennen am Steuer der frontgetriebenen Kleinwagen alla Opel Corsa nämlich noch lächerlich leicht sind, zieht der Schwierigkeitsgrad in den stärkeren Klassen so schlagartig an, dass schnell Frust aufkommt. Vor allem, weil die KI in diesem Modus – so wie in der Realität ehrlicherweise auch – nie den Vollkontakt scheut. Paart man das mit der bestialischen Kraft der WRX-Boliden und dem sehr empfindlichen und herausfordernden, aber umso befriedigenderen Handling des Spiels, mündet das aber oft darin, dass sich der eigene Wagen dreht oder gleich gegen eine Beton-Barriere kracht.

Auftritt Schadensmodell. Sowohl im „Normalmodus“, besonders aber im noch darüber liegenden Setting mit besonders heftigem Schaden wird von der leichten Schramme, über Radplatzer und Kühlerschäden die zum schleichenden Motorschaden führen, bis hin zum sofortigen Total-Ausfall alles simuliert. Kleiner Makel daran: Überschläge haben oft überraschend geringe Auswirkungen. Zumeist ist selbst eine dreifache Rolle kein Anlass zur Sorge; solang man auf den Rädern landet, kann es sofort weitergehen. Cool hingegen: In den Optionen als „unvorhergesehene Ereignisse“ tituliert kann es passieren, dass ihr mitten in einer Rally-Etappe auf einen am Streckenrand stehenden Steward trefft, der wild mit den Armen wedelt. Grund dafür: Kurz dahinter steht eines der vor euch gestarteten Autos am Straßenrand, das liegen geblieben ist. Das bringt Leben in die Strecken – ebenso wie die beizeiten umherfliegenden Helis, knapp über euch drüber sausenden Drohnen und natürlich die diversen Zuschauer am Straßenrand.

Mitarbeits-Minus

Wenn wir schon von den Strecken sprechen: Codemasters selbst meint stolz, dass die Streckenanzahl gesteigert wurde. Das stimmt auch. Mit sechs Locations, die alle ihren eigenen Stil und ihre individuelle Streckencharakteristik bieten und jeweils zahlreichen Etappen samt wählbarem Wetter und Uhrzeiten wird in der Tat eine Menge Abwechslung geboten. Der Haken: Viele der vermeintlich unterschiedlichen Strecken sind nur Mutationen – also entweder verkürzte Varianten oder umgekehrte Streckenführungen. Dementsprechend erkennt man schon bald so manche Kurven wieder und vermisst die richtige Dosis Abwechslung. Vor allem aber muss sich Codemasters so manchen Fauxpas in Sachen Locations vorwerfen lassen: Schnee-Etappen? Fehlanzeige? Die ikonischen Hügel Finnlands? Ebenfalls nicht im Spiel enthalten. Zumindest noch nicht. Codemasters hat versprochen diese Verfehlungen in Form von DLCs wett zu machen … kostenlosen? Vielleicht. Ich drücke die Daumen.

Ebenso drücke ich die Daumen, dass Codemasters den Online-Zwang des Spiels noch einmal überdenkt. Denn obwohl dieser freilich für die wöchentlich und monatlichen wechselnden Online-Herausforderungen Sinn macht (hier wird international um Bestzeiten gefahren), so ist es doch komplett sinnlos auch für alle anderen Rennen im Karrieremodus online sein zu müssen.

Ebenfalls nicht perfekt zeigt sich der Multiplayer-Teil des Spiels. Fein sind hier die Online-Bestenlisten, die nicht nur plattformübergreifend sind (auch wenn man leider nicht sieht, welche Zeit auf welcher Plattform und mit welcher Steuerung aufgestellt wurde), sondern deren Zeiten auch als Ghosts ausgewählt und heruntergeladen werden können, um sich selbst zu verbessern. Weniger fein ist die Tatsache, dass weder ein Splitscreen-Modus geboten wird, noch ein Spielmodus in dem mehrere Spieler an ein und demselben Gerät gegeneinander versuchen können ihre Zeiten zu toppen. Ja selbst reine Online-Rennen im RX-Modus fehlen. Gerade hier ist eine echte Multiplayer-Chance vergeben worden.

Technisch hochgezüchtet

Das technische Grundgerüst von DiRT Rally 2.0 ist dasselbe wie schon für die letzten 23 Spiele von Codemasters: Die EGO Engine – eingeführt übrigens bereits im Jahr 2007. Natürlich ist sie seitdem so manches Mal weiterentwickelt worden, doch schön langsam wäre es mal Zeit für etwas Neues. Klar: Gerade da nun die Beleuchtungstechnik grundlegend überarbeitet wurde, ist DiRT Rally 2.0 immer noch hübsch anzusehen, in den meisten Detailbereichen hinkt es der aktuellen Rennspielkonkurrenz aber hinterher. Die Automodelle? Innen und außen mit viel Liebe zum Detail umgesetzt, an mancher Stelle aber eben nicht so polygonreich wie andernorts. Die Umgebungen? Hübsch, aber eben nicht umwerfend. Gesamteindruck also? Toll, aber keine neuen Maßstäbe setzend. Positiver Nebeneffekt: Der Hardwarehunger hält sich in Grenzen und auch auf der ebenfalls getesteten PS4 Pro läuft das Spiel in 4K jederzeit flüssig.

Richtig fantastisch ist hingegen der Sound: Wie schon in den Titeln zuvor sind die Motoren und Interieur-Sounds erstklassig aufgezeichnet und gut abgemischt. Vor allem die beiden Cockpit-Perspektiven (mit und ohne Lenkrad) ist DiRT Rally 2.0 ein echtes Highlight für oktanschwangere Ohren. Hier mischt sich betörender Motorsound bei zunehmendem Speed auf tolle Art und Weise mit blechernem Rasseln und Scheppern des Interieurs, dem Heulen des Getriebes, dem Knistern in den Radkästen und dem Knallen des Auspuffs – vor allem in den historischen Autos.

FAZIT

Auch wenn in diesem Review viel gemeckert wurde, so ist DiRT Rally 2.0 am Ende des Tages doch ein großartiges Rally-Spiel mit fantastischem Fahrverhalten, abwechslungsreichen Autos und einem brauchbaren Umfang. Klar: Es hat so manchen Schönheitsfehler. Doch gerade weil der Kern des Spiels – die Action auf der Strecke selbst – so herausfordernd und spaßig ist, kann ich dennoch mit gutem Gewissen jedem Rennspielfan meine uneingeschränkte Kaufempfehlung aussprechen … zumindest, wenn man eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringt. „Einfache Unterhaltung“ bietet DiRT Rally 2.0 nämlich keine.

Was ist DiRT Rally 2.0? Eine beinharte Rally-Simulation – jetzt mit mehr Umfang.
Plattformen: PC, PS4, XBox One
Getestet: PS4 Pro
Entwickler / Publisher:  Codemasters / Koch Media
Release: 26. Februar 2019
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 8.0

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 10 | Handling: 10 | Spieldesign: 6 | Motivation: 6

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