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DiRT5 im Test

Kaum eine Rennspiel-Serie hat wohl eine so bewegte Geschichte hinter sich wie die, die einst als „Colin McRae Rally“ das Licht der Gaming-Welt erblickte: Erst Simulation, dann zunehmend arcadig, dann Namensänderung, dann „all-out“ Spaß-fokusiert, dann Wiedergutmachung bei den Fans geleistet und auf beinharte Simulation zurückgewechselt und nun also eine Zweiteilung in zwei unabhängige „Sub-Serien“ vollzogen, damit alle glücklich werden … achja, und dafür auch noch das Entwickler-Team gewechselt. Kann bei soviel Hin und Her am Ende überhaupt ein gutes Spiel rauskommen?! Ich meine, nach gleich zwei Previews und nun viel Zeit mit der Vollversion: Ja, aber kein perfektes.

Eines der Geheimnisse hinter dem, soviel sei bereits verraten, geglückten Abzweigen auf „100% Arcade“ für DiRT5, war sicherlich der Wechsel des dafür verantwortlichen Studios. Um jedwede Betriebsblindheit und zu fest eingefahrene Ideen von vornherein zu vermeiden, durfte sich hier also erstmals in der Geschichte der Serie ein „Schwesterteam“ der Codemasters-Hauptcrew beweisen. Das Studio in Cheshire nämlich; formerly known as Codemasters Evo, formerly known as Evolution Studios. Ja, DIE Evolution Studios, die uns unter der Fuchtel von Sony einst solche Rennspielperlen wie die Playstation-exklusiven WRC-Teile, Motorstorm oder zuletzt Driveclub bescherten, bevor sie von den Japanern hätten aufgelöst werden sollen, dann aber von Codemasters übernommen wurden. Und somit auch ja: Die Entwickler, die zuletzt das relativ gefloppte Onrush auf die Welt losließen. Ein Spiel, aus dem sie wohl auch so einiges für DiRT5 mitnahmen. Die eigens entwickelte Engine beispielsweise, die schon in Onrush mit hoher Weitsicht und jeder Menge Effekte beeindrucken konnte. Stärken, die sie auch in DiRT5 nun gut ausspielen kann: Konfetti wabert über die Strecken, Feuerwerk sorgt für optischen Aufputz und vor allem das Wetter entpuppt sich als einer der heimlichen Helden des Spiels. Denn während Regen und Schnee anderswo nur optischer Schnickschnack sind, hat es hier tatsächlich transformative Wirkung auf das gesamte Geschehen. So kann es vorkommen, dass man in DiRT5 ein Rennen auf trockenem Schotter beginnt, aber auf Zentimeter-dicker Schneefahrbahn beendet, während Blitze effektvoll durch den dunkel gewordenen Nachthimmel zucken.

Insgesamt schafft es DiRT5 aber gleichzeitig in meinen Augen nie, einen optisch so richtig vom Hocker zu hauen. Zumindest auf der PS4 Pro nicht, die für diesen Test als Plattform diente. Dafür sind die Fahrzeugmodelle einfach doch einen Tick zu wenig detailliert, die Lichteffekte das gewisse Bisserl zu wenig realistisch und die Schauplätze ein Euzerl zu wenig detailliert. Und nunja, dass dann zu allem Überfluss zahlreiche Pop-Ins zu beobachten waren, vor allem auch bei Lichtquellen, was besonders stark auffällt, hilft auch nicht unbedingt. Dafür war die Framerate angenehm konstant und Tearing auch nie ein Thema. Und das sowohl im 30FPS-Modus, der ein hübscheres Gesamtbild zum Ziel hat, als auch im 60FPS-Modus, der Schatten, Umgebungsdetails und andere Qualitätseinstellungen zurückfährt, was aber eigentlich nur im direkten Side-by-Side-Vergleich auffällt.

Viel hilft viel

Doch genug über die Technik schwadroniert. Gameplay also. Vor seinem Launch betonte Codemasters öfter mal, dass DiRT5 einen Story-Modus haben würde. Kennen wir ja von ihnen schon, siehe Race Driver, manche F1-Titel und so weiter. Doch es wird ja bekanntlich alles nicht so heiß gegessen wie gekocht. Am Ende stellt sich das Ganze als mehr oder minder verzichtbares Hintergrund-Gebrabbel in Form von Podcasts und Audio-Tutorials bzw. Zwischenmeldungen heraus, für die verhältnismäßig großer Aufwand betrieben wurde. Zum Beispiel in Hinblick auf die Sprecher, zu denen unter anderem auch Nolan North gehört: die Stimme von Nathan Drake aus Uncharted oder Desmond aus Assassin’s Creed. Ein nettes Detail. Wenn man weghört stört das den Spielfluss aber auch nicht wirklich. Die Kampagne selbst ist nämlich überaus simpel präsentiert: In einer von links nach rechts reichenden Zeitlinie warten jede Menge Events, die in fünf aus mehreren Stufen bestehenden Kapitel unterteilt sind. Angenehm: Man muss pro Stufe immer nur eines der zur Wahl stehenden Events erfolgreich abschließen, um die nächste Stufe freizuschalten. So hantelt man sich nach und nach durch die „Kampagne“, ohne aber gezwungen zu sein, sich öfter in Bewerbe zu werfen, die man eigentlich nicht mag. Auf den grundsätzlichen Verlauf der so innerhalb weniger Stunden komplett durchlebbaren „Story“ hat das keinen Einfluss. Auch euer Erfolg in den Events beeinflusst euer Vorankommen nur insofern, als dass ihr einfach schneller weiterkommt, wenn ihr stets Top-Platzierungen einfahrt. Damit gewinnt ihr nämlich besonders viele „stamps“, von denen jeweils eine bestimmte Anzahl nötig ist um am „Main Event“ am Ende jedes Kapitels teilnehmen zu dürfen.

Auch die Sponsoren, mit denen ihr nach und nach verschiedene Verträge abschließen könnt (20 echte Marken sind vertreten) geben euch Aufgaben, für die es separat Punkte bzw. bares Geld gibt, mit dem ihr euch neue Autos kaufen könnt. Zudem beschert euch ein Vertrag mit einem Sponsor eigene Liveries für eure Autos, die ihr übrigens auch in einem Editor nach euren Vorstellungen gestalten könnt, auch wenn die Möglichkeiten hier mit einem Forza Motorsport keineswegs mithalten können. Doch zurück zu den Events, bzw. den unterschiedlichen Arten von Rennen. Davon gibt es nämlich wirklich viele: Sprint, Stampede, Rally Raid, LandRush, Ultra Cross, Ice Breaker, Pathfinder und Gymkhana. Die interessantesten davon sind die beiden letztgenannten. Während Gymkhana Kennern der gleichnamigen Videos von Ken Block (und künftig Travis Pastrana) oder früherer Teile der Serie sicherlich schon ein Begriff ist (es geht darum in Arenen durch Donuts, Drifts und Co. möglichst viele Punkte zu sammeln), ist Pathfinder so eine Art Overpass auf Steroiden. Heißt: Ihr seid ebenso wie in Gymkhana allein auf der Strecke unterwegs und müsst mit einem bärenstarken Kraxler schwierigstes Gelände bezwingen, wobei herzhaftes Gasgeben ebenso gefordert ist wie besonnenes Manövrieren durch enge und schwer einsehbare Kehren und verschachtelte Low-Speed-Passagen.

Rempeln ohne Schadensmodell

Die meiste Zeit geht es aber freilich darum, sich gegen Gegner zu erwehren. Die sind dabei lange nicht so aggressiv wie sie es in Onrush waren, wissen einen gepflegten Lackaustausch aber durchaus zu schätzen. Passend zum Arcade-Anspruch des Spiels darf also fleißig gerempelt und gedrängelt werden. Auch, weil es leider weder ein Schadensmodell noch den von Codemasters salonfähigen Rückspul-Button gibt. Finde ich persönlich beides schade. Begründet haben das Robert Karp (Development Director) und Michael Moreton (Lead Designer) in einem Interview zur ersten Preview seinerzeit damit, dass man in DiRT5 ja auch zu viert im Splitscreen in jedes Karriere-Event starten kann (das Ergebnis des besten Spielers wird für den Fortschritt herangezogen). Und da wollte man nicht, dass einer der vier früh im Rennen wegen einem Schaden chancenlos dem Feld hinterher kriechen muss. Löblich klar – aber DiRT5 wäre nicht das erste Spiel gewesen, dass im Multiplayer-Modus manche Funktionen einfach deaktiviert, die im Single-Player-Modus verfügbar sind: Und einige Beispiele dafür findet man sogar just in der DiRT-Serie selbst. Hm.

Glücklicherweise haben es aber andere, alte Stärken der Serie auch in DiRT5 geschafft. Ein auch sonst überaus umfangreicher Multiplayer-Modus samt lustiger Spielmodi wie der an DiRT3’s Outbreak angelehnte „Vampire“-Modus etwa. Hier gilt es für einen einzelnen als Vampir startenden Fahrer durch Kontakt möglichst viele andere Spieler „anzustecken“; ein überaus witziges Katz und Maus-Spiel auf Rädern. Und dann ist da natürlich auch noch das große Novum der Serie: Der Playground-Modus, dem sich die zweite Preview zur Gänze gewidmet hat. Ihr könnt euch diesen Part quasi als Trackmania mit Rallye-Fahrzeugen vorstellen. Über einen in-game Editor dürfen also eigene Strecken bzw. Levels gebaut und geteilt, sowie die Kreationen anderer entdeckt werden. Die Spreu vom Weizen soll dabei sowohl eine Auswahl der Entwickler selbst, aber auch ein Bewertungssystem sicherstellen. Mangels bereits erfolgtem Launch des Spiels kann ich aber freilich noch nicht hinlänglich beantworten, ob das dann auch tatsächlich klappt.

Ratatatat

Und natürlich wäre kein Review zu einem Rennspiel vollständig, wenn man nicht noch ausführlich über Autos und Handling spricht. Und da wie dort gibt es einiges zu erzählen. Die Autos etwa – zum Launch sind es insgesamt 63 – sind in 13 Klassen unterteilt und lassen wahrlich keinen Geschmack unberücksichtigt. Von Klassikern aus den 60er-Jahren und die ikonischen Rally-Racer der 90er, über beinharte Spezial-Fahrzeuge wie Cross Raid Trucks und Superlites wie dem Ariel Nomad, bis hin zu modernen Rally-Cross-Monstern und Rally GTs vom Schlage eines Ford Mustang oder BMW M2 Competition ist wirklich alles dabei, das quer geht und Spaß macht.

Und apropos „quer geht“: Natürlich darf man vom Handling-Modell von DiRT5 nicht einmal ansatzweise denselben Tiefgang wie von einem Dirt Rally 2.0 erwarten. Will heißen: Die Handbremse darf oft und frech benutzt werden, um die Autos in wilde Drifts zu werfen und während der Rennen entstehende Spurrillen sind deutlich mehr optisches Beiwerk als tatsächlich relevant für eure Linienwahl. Leider bedeutet das auch, dass sich die Autos lange nicht so „geerdet“ und tatsächlich in den Dreck fressend anfühlen wie im Simulations-Bruder. Dafür haben Einsteiger freilich einen deutlich leichteren Start mit dem Spiel und werden schnell erste Erfolge feiern können: auch mit einem Gamepad, das übrigens auch ich ausschließlich für den Test verwendet hab. Force-Feedback-Lenkräder werden zwar natürlich unterstützt, sind aber in meinen Augen dann doch knapp an „Perlen vor die Säue“ einzuordnen.

Zu guter Letzt noch ein Wort zum Sound; in der Regel immer eines der Highlights eines jeden DiRT-Titels. Und auch Teil 5 macht hier keine Ausnahme. Egal ob man sich in einen Ford Fiesta R5, einen Peugeot 208 WRX, einen Volkswagen Race Touareg, einen Lancia Stratos oder einen Jimco Unlimited Truck schnallt: Die Motoren klingen knackig, verwöhnen je nach Fahrzeug mit schrillem Turbo-Zwitschern oder tiefem V8-Grollen und untermalen das ganze mit passendem Prasseln in den Radkästen. Fein.

FAZIT

DiRT ist endgültig raus aus der Identitätskrise. Einfaches Handling, poppige Präsentation, klarer Fokus auf Spaß allein und im Multiplayer, breite Autoauswahl, abwechslungsreiche Strecken, beeindruckende Wetterkapriolen und bei jeder Gelegenheit ein Feuerwerk. Um zum Ende hin also noch einmal ganz deutlich zu werden: Fans von Dirt Rally 2.0 lassen bitte um Himmels Willen die Finger von DiRT5. Für sie ist dieses Spiel nicht. All jene unter euch, die sich allerdings schon wie kleine Kinder vor Weihnachten auf das neue Gymkhana-Video von Travis Pastrana freuen oder einfach kein Problem damit haben unkomplizierten und somit teilweise auch unrealistischen Spaß mit Autos und Dreck zu haben, dürfen ruhig zuschlagen. Auch, wenn das große technische Aha-Erlebnis leider ausbleibt.

Was ist DIRT 5? Ein Offroad-Rennspiel-Spektakel mit klarem Arcade-Fokus.
Plattformen: PC, PlayStation 4, Playstation 5, Xbox One, Xbox Series X, Google Stadia
Getestet: PlayStation 4 Pro
Entwickler / Publisher: Codemasters
Release: 6. November 2020
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 8.4

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 10 | Handling: 8 | Spieldesign: 8 | Motivation: 8

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