Dishonored 2 – Das Vermächtnis der Maske TEST

Eigentlich wollte ich den Test von Dishonored 2 erst gar nicht machen. Einerseits hatte ich eigentlich zu wenig Zeit (darum bin ich auch etwas spät dran), andererseits gehört(e) der Titel zu dem extrem exklusiven Kreis von Spielen, auf die ich mich schon länger „privat“ freu(t)e. Und wenn mich etwas privat interessiert, lasse ich mir gerne Zeit, probiere herum und am allerwichtigsten: Ich will im Vorfeld so wenig wie möglich über den Titel wissen. Das mögen manche schon ganz prinzipiell komisch finden, aber als Vorbereitung für einen Artikel ist es erst recht nicht unbedingt ideal. Aber es ist nun einmal anders gekommen und ich darf mit betriebsbedingter Verspätung meine Erfahrungen mit dem zweiten Teil des Stealth-Action-Adventures teilen.

Als Corvo Attano haben wir in Dishonored unsere Unschuld am Mord an Kaiserin Jessamine Kaldwin bewiesen, die wahren Schuldigen gerichtet und die junge Thronfolgerin, Emily, gerettet. 15 Jahre sind seit diesen Ereignissen vergangen. Emily ist zu einer starken, unabhängigen Person gereift und – unterstützt von ihrem Beschützer und Vater (keine wirkliche Überraschung) Corvo – bemüht sie sich eine gute und gerechte Kaiserin zu sein. Aber es fehlt ihr noch an Erfahrung und so trifft sie das plötzliche Auftauchen Delilahs, der angeblichen älteren Schwester ihrer Mutter, komplett unvorbereitet. Unterstützt von Verrätern aus Emilys eigenem Umfeld ruft sich Delilah zur wahren Kaiserin aus und…

Zwei Charaktere, zwei Spielweisen

… schon muss man sich als Spieler überlegen, mit wem man die folgenden Spielstunden verbringen will. Gewählt werden darf zwischen Vater und Tochter, die beide im Laufe des Spiels auch unterschiedliche Fähigkeiten erlernen können und sich damit auch für bestimmte Spielweisen besser oder weniger gut eignen. Corvo mag älter geworden sein, ist aber immer noch ein Ausnahmekämpfer. Sein Stil und seine Fähigkeiten sind eher aggressiv und es ist ein Leichtes sich vorzustellen, wie er sich als unaufhaltbare Kampfmaschine seinen Weg durch die Feinde seiner Tochter „metzelt“. Die Kehrseite der Medaille: Wie schon im ersten Teil beeinflusst übermäßige Mordlust sowohl das Spielgeschehen, als auch den Ausgang des Spiels, welches dann einen eher pessimistischen Ausblick auf die Zukunft des Kaiserreichs bieten wird. Deutlich anders kann es ablaufen, wenn wir stattdessen Emily wählen. Sie ist zwar ebenfalls eine versierte Kämpferin, ihre – ebenfalls vom mysteriösen Outsider verliehenen – Fähigkeiten eignen sich allerdings besser für Überraschungsangriffe, oder dafür gar nicht erst bemerkt zu werden. Ihre Spieler gehen vielleicht auch einen friedlicheren Weg, verschonen selbst die Schuldigen und finden alternative Möglichkeiten sie zu bestrafen und/oder unschädlich zu machen. Beste Voraussetzungen ein eher positives Ende zu erreichen.

Dieses streng ausgelegte und auch etwas blauäugige Moralsystem kann man hassen oder lieben. Die Wahl bleibt aber beim Spieler – töten oder verschonen, offene Attacke oder doch Angriff aus dem Hinterhalt. Ärgerlich wird es nur, wenn Unfälle, dämliche Gegner oder einfach nur ein Bug in der Physik-Engine den wohlgeplanten tötungsfreien Durchgang plötzlich ruinieren.

Eine neue Insel

Der/die nicht Gewählte bleibt in der Gewalt von Delilah zurück, während unserem Protagonisten / unserer Protagonistin nach kurzer Zeit die Flucht gelingt. Das Ziel ist klar: Den Thron zurückerobern und Delilah und ihre Verschwörer unschädlich machen. Während wir in Teil 1 eigentlich ausschließlich in Dunwall, der kaiserlichen Hauptstadt auf der Insel Gristol, unterwegs wahren, führt uns Teil 2 auch auf eine der anderen drei Inseln des Kaiserreichs. Auf der Suche nach den Ursprüngen und Hintergründen der Verschwörung führt die Spur auf das südlich gelegene Serkonos. Architektur und Landschaft bieten daher diesmal mehr Abwechslung. Und egal ob verlassenes Sanatorium, gruseliges Museum oder Hafenviertel: Auch das Level-Design ist wieder sehr gelungen und lädt ein erforscht zu werden. Wie gehabt gibt es immer mehrere Möglichkeiten die weitläufigen Levels zu durchqueren und bei nur einmaligem (Durch)spielen ist es praktisch unmöglich, all die kleinen und großen Geheimnisse, Verstecke und Lösungsmöglichkeiten auszuloten. Extrem spürbar wird das spätestens in der vierten Mission, die uns in die Steampunk-Fiebertraum eines Smart Homes entführt. Praktisch jeder Raum lässt sich durch Hebelzug verwandeln, Möbel und Objekte verschwinden in und/oder tauchen aus verborgenen Nischen auf und selbst Wände oder Fenster sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen. Ein echter Stealth-Spieler fühlt sich natürlich hinter den Kulissen am wohlsten, zwischen den gigantischen Zahnrädern und Seilzügen. Doch lauern hier noch ganz andere Gefahren.

Versäumnisse

Auch wenn das Gesamtbild sehr gut gefällt, müssen sich die Entwickler auch etwas Kritik gefallen lassen. Über die anfänglichen technischen Schwierigkeiten am PC wollen wir hier nicht mehr lamentieren. Hier wurden schon genug Mistgabeln gespitzt und Fackeln geschwenkt und inzwischen scheint man die Sache ganz gut im Griff zu haben. Von Dauer sind hingegen die diesmaligen Schwächen der Hintergrundgeschichte und damit in Teilen auch der Atmosphäre. Dass man sie nach 15 Jahren so einfach vom Thron werfen konnte, spricht nicht unbedingt für die Regierungstauglichkeit und vielleicht auch Beliebtheit der jungen Kaiserin – was sich diese aber immerhin wiederholt selbst vorwirft. Geographisch öffnet man zwar eine neue Insel (eigentlich sogar nur Stadt), wer aber jemals eine der zahlreichen im Spiel verstreuten Weltkarten oder Globen studiert hat weiß, dass man damit immer noch nur einen Bruchteil der Inseln und Kontinente gesehen hat. Bleibt noch der Outsider: Dieses mythologische Schreckgespenst ist in Teil 2 nur mehr ein Schatten seiner Selbst. Im ersten Teil war er noch der Strippenzieher im Hintergrund, dessen Motivation und Ziele nie ganz eingeordnet werden können. In der Fortsetzung reduziert man ihn auf bedeutungsloses Geschwafel und hat ihn zudem mit einem neuen Sprecher gestraft, der eher den Eindruck eines schwachbrüstigen Bürschchens, als eines mythologischen Titanen hinterlässt. Hier hätte man mehr daraus machen können. Zumindest wurden aber wieder zahlreiche Dokumente und Bücher verstreut, die dem geneigten Leser viele Möglichkeiten bieten, tiefer in die Hintergrundgeschichte des Spiels einzutauschen.

FAZIT

Mir hat Dishonored 2 sehr gut gefallen. Die Levels sind abwechslungsreich und weitläufig und in jedem Abschnitt fühlt man sich anfangs fast erschlagen von der Anzahl der möglichen Herangehensweisen. Ist ein guter Plan aber erst einmal gefunden, ist es manchmal fast schon zu einfach, wie Emily oder Corvo ihre Ziele erreichen. Dass die Hintergrundgeschichte diesmal etwas flacher ausfällt und auch keine wirklichen Überraschungen bietet, ist bedauerlich, kann einem ansonsten guten Spiel durchaus vergeben werden.

Gesamtwertung: 8.8

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 10 | Spieldesign: 8 | Motivation: 10

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