Dragon Quest XI: Streiter des Schicksals im Test

Wer Fan von J-RPGs ist, der hat mit großer Wahrscheinlichkeit auch schon einmal ein Dragon Quest gespielt. Seit nunmehr 32 Jahren gibt es die Serie immerhin schon und ihr laut Fans größter Pluspunkt: Sieht man von der Präsentation ab, hat sich seit damals auch kaum etwas geändert. Dragon Quest XI führt die Tradition nun ungebrochen weiter, wertet das Altbekannte jedoch gekonnt mit modernen Details auf und macht es so auch für aktuelle Genre-Fans zum Must-have-Titel.

Der Retter der Welt – oder ihr Untergang

Wer schon länger Fan der Reihe ist, weiß, dass ihre Hauptcharaktere im Allgemeinen eher unbeschriebene Blätter sind: Namenlose (ihr benennt sie selbst) Helden, die in – bislang vorwiegend episodisch wirkende – Abenteuer verwickelt werden. Gleich hier setzt Dragon Quest XI an und erzählt uns diesmal eine Geschichte, die spannend und verschachtelt ist und bei der sich jeder Handlungsbogen schön ins große Ganze einfügt. Ihr übernehmt dabei die Rolle eines (immer noch namenslosen) Helden, der kurz nach seinem 16. Geburtstag erfährt, dass er die Reinkarnation des Lichtbringers ist – eines Auserwählten des Weltenbaums Yggdrasil, der die Welt vor der Dunkelheit retten soll. Und so macht er sich auf, sich dem König seines Landes vorzustellen – und muss schnell feststellen, dass das gar keine gute Idee war. Während ein Großteil der Menschheit nämlich mit Hoffnung auf den Lichtbringer blickt, sehen ihn andere als die eigentliche Wurzel des Unheils – jenes Wesen, dass das Böse erst hervorbringt. So landen wir kurzerhand im Gefängnis, wo wir unseren ersten Verbündeten treffen – und eine Flucht später startet das Abenteuer erst so richtig …

Gemeinsam zum Sieg

Im Laufe der ersten Stunden von Dragon Quest XI trefft ihr dabei auf immer neue Recken, die sich euch anschließen. Das Beste daran: Jeder einzelne von ihnen strotzt vor Persönlichkeit und dient nicht bloß als Mitläufer in den Kämpfen, sondern trägt mit seinem Charme und seinem Storyfaden zur primären Geschichte bei. Doch nicht nur in Sachen Plot hat man darauf geachtet, jedem Streiter seine eigene Persönlichkeit zu verpassen, auch in den Kämpfen trumpft jeder von ihnen mit seinen eigenen nützlichen Fertigkeiten auf. Eric etwa, der Dieb, der euch dabei hilft, am Anfang des Spiels aus dem Schlosskerker zu fliehen, setzt auf Agilität sowie flinke Attacken und kann obendrein Gegner ihrer Wertsachen berauben. Die beiden Magier-Schwestern Veronica und Serena hingegen sind auf Angriffs- bzw. Heilmagie spezialisiert und Sylvando kann mit seinen Tänzen Widersacher und Mitstreiter verzaubern – positiv wie negativ.

Um die Fähigkeiten jedes einzelnen Kämpfers gezielt zu nutzen, könnt ihr jeweils vier von ihnen in eure aktive Party aufnehmen, alle Charaktere aber ebenso (auch während des Kampfes und sogar dann, wenn einer von ihnen KO gegangen ist) nach Belieben austauschen. Was hier ebenfalls freut: Auch alle momentan inaktiven Streiter erhalten Erfahrungspunkte und leveln so mit auf. Für Level-ups gibt es Statuswert-Verbesserungen sowie Fertigkeiten-Punkte, die ihr im Character Builder auf neue Talente zuweisen könnt. Die Auswahl dieser Talente ist dabei für jeden Charakter anders und obendrein umfangreich und erlaubt es euch so, eure Party weiter eurem persönlichen Spielstil anzupassen bzw. einzelne Charaktere auf bestimmte Rollen hin zu trainieren.

Im Kampf selbst (der in Dragon Quest XI übrigens in der Third-Person-Ansicht bestritten wird), stehen euch zwei Optionen zur Verfügung: Entweder ihr legt für jedes Party-Mitglied generelle Taktiken wie „zeig keine Gnade“, „kämpfe weise“, „konzentrier dich auf heilen“ oder „verbrauche keine MP“ fest und lasst sie/ihn dann autonom agieren, oder ihr stellt die Taktik auf „Folge Befehlen“ und begebt euch so in klassische rundenbasierte Gefechte, in denen ihr selbst die Aktionen festlegt. Beides macht Spaß, funktioniert im Großen und Ganzen wunderbar und bleibt obendrein spannend, auch nach mehreren Stunden Monsterklopperei.

Apropos Klopperei… Ab und an, wenn ihr selbst genügend Prügel eingesteckt habt, geraten eure Charaktere in den Stärkungszustand – einer Art Limit Break. In diesem Zustand sind eure Werte für ein paar Runden verstärkt (ihr könnt die restlichen Runden in den nächsten Kampf mitnehmen) und ihr dürft zudem auf besondere Team-Attacken zurückgreifen. Der einzige Nachteil hierbei: Oft müssen für Team-Attacken alle involvierten Charaktere im Stärkungszustand sein – nicht so einfach, wenn es keinen eindeutigen Hinweis darauf gibt, wann wer das nächste Mal damit dran ist. Besonders bei Nebenquests, für die ihr die eine oder andere Team-Attacke starten müsst, kann das etwas frustrierend werden.

Zum Ausgleich steht, dass es in der Welt wirklich mehr als genug zu tun gibt und somit auch die Spielzeit mit 60 Stunden und mehr angenehm lang ausfällt – da stört es auch kaum, dass ihr den einen oder anderen Side Quest mitunter erst ein paar Stunden nach Annahme erfüllen könnt.

Präsentations-Upgrade

Ganz im Sinne aller übrigen Features von Dragon Quest XI setzt man auch bei der Präsentation auf die altbewährte Formel mit einigen äußerst willkommenen Modernisierungen: Zunächst verabschiedet man sich nun endgültig von Zufallsbegegnungen – stattdessen seht ihr alle Gegner in der Open World und könnt diese auch relativ problemlos umlaufen, sollte euch der Kopf gerade nicht nach Kämpfen stehen. Wie schon erwähnt, beobachtet ihr diesmal auch das Kampfgeschehen nicht wie lange üblich aus der Ego-Perspektive, sondern in der Third-Person-Ansicht und ihr könnt sogar die Kamera und Streiter bewegen – auf das Spielerlebnis hat das zwar kaum Einfluss, dennoch eine nette Neuerung.

Was die eigentliche grafische Präsentation anbelangt, stammt das Charakterdesign natürlich wiederum von Akira Toriyama (Dragon Ball), zeigt sich diesmal aber zumindest ein wenig abwechslungsreicher als noch in früheren Titeln (mein persönliches Problem mit Toriyama ist, dass man die Charaktere ohne Haare und Klamotten oft kaum voneinander unterscheiden kann). Die Optik der Umgebungen und ihrer Bewohner selbst wirkt hingegen farbenfroh, kontrastreich und serientypisch kunterbunt – und damit genau so, wie sie sein soll – und auch in den Städten und Dörfern hat man sich richtige Mühe gegeben und einzigartige Umgebungen erschaffen, anstatt bloß dieselbe Handvoll Elemente immer und immer wieder zu verwenden.

Wo viel Licht, da aber auch Schatten und hier kommen wir zum Sound: Dragon Quest XI kommt mit kompletter Sprachausgabe – zumindest auf English. Während viele Sprecher hier tolle Arbeit leisten, wirken andere, leider auch jene mancher Hauptcharaktere, jedoch eher unmotiviert und emotionslos, weshalb ich sehr oft dazu verleitet war, lieber einfach weiter zu klicken und mich auf die Texte zu fokussieren. Diese gibt es sowohl auf English wie auch auf Deutsch – aufgrund der Übersetzungsunterschiede kann die deutsche Version in Kombination mit der englischen Sprachausgabe aber leicht irritieren – und auch die Wortwitze und Anspielungen sind im Englischen wesentlich besser umgesetzt.

Der Soundtrack ist im Grunde schön und trumpft mit vielen bekannten Themen auf, emotionale Melodien, die einen während des Geschehens auch mal bewusst zuhören lassen, bleiben aber leider aus. Negativ fällt zudem auf, dass man absichtlich auf durchgehende Orchesterarrangements verzichtet hat und sich stattdessen oft auf simplere Synthesizer-Klänge beschränkt. Wer das serientypische Retro-Feeling liebt, den wird das nicht weiter stören, so richtig episch wird es dadurch tontechnisch aber eher selten.

FAZIT:

Dragon Quest XI tut, was Dragon Quest schon immer tat: Es folgt seiner altbewährten Mischung aus rundenbasierten Kämpfen, klischeehaften (aber dennoch mitreißenden) Stories und einer Präsentation mit bekannten Monstern, Themen und den Charakteren von Akira Toriyama. Der neueste Serienableger bringt dabei allerdings dank vieler kleiner Anpassungen, wie den neuen Kampf-Features oder der nun auf einen Handlungsstrang fokussierten Story, frischen Wind in die Reihe und gewinnt damit auch moderne Spieler für sich. Die Präsentation kann sich, bis auf kleinere Minuspunkte beim Sound, absolut sehen lassen, die Auseinandersetzungen bieten reichlich Raum für Taktik, und – mein persönlich größter Pluspunkt – die Geschichte und Charaktere sorgen dafür, dass man schon nach wenigen Spielminuten voll ins Geschehen kippt und gar nicht mehr aufhören möchte, dem Abenteuer des Lichtbringers und seiner Mitstreiter zu folgen. Da stört es auch kaum, dass euer eigener Held im Vergleich zum Rest der Truppe einmal mehr vor allem als Avatar herhält – so (fast) ganz ohne Sprache und mit kaum vorhandenen emotionalen Reaktionen. Wer JRPGs liebt, sollte Dragon Quest XI auf jeden Fall auf seine Bucket List setzen!

Was ist Dragon Quest XI? Neuester Teil der Traditionsbewussten J-RPG-Reihe Dragon Quest, mit vielen Neuerungen und mitreißender Story sowie sympathischen Charakteren
Plattformen: PC, PS4
Getestet: auf PC Intel Core i7-8700K, 32GB RAM, GeForce GTX 1080TI
Entwickler / Publisher: Square Enix
Release: 4. September 2018
LinkOffizielle Webseite

Gesamtwertung: 9.2

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 8 | Handling: 10 | Spieldesign: 8 | Motivation: 10

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