Drawn to Death im Kurztest

Cooler Stil, derbe Sprüche und literweise Filzstift-Blut. Ein Multiplayer-Shooter mit einer abgedrehten Idee und mit David Jaffe, einem der kreativen Köpfe der genialen God of War Reihe, als Designer. Da kann doch nichts mehr schief gehen… oder?

Die Kreativität des Gelangweilten

Langeweile im Unterricht, einen College-Block und einen Kugelschreiber – mehr brauchte ich damals nicht um meiner kreativen inneren Wildsau den Auslauf zu ermöglichen, den sie verdiente. Mann, was war ich damals stolz auf die Ausgeburten meiner unterforderten und schwer pubertierenden Fantasie. Zugegeben: meine Schöpfungen sahen immer aus wie die ungeliebten und peinlich verschwiegenen Sprösslinge diverser bekannter Comichelden, oder derer Gegenspieler, aber in jede einzelne dieser Figuren hatte ich mehr Interesse und Liebe gesteckt als in irgendeinen Mathe-Test meiner Schulkarriere. Insofern war ich schon sehr gespannt auf Drawn to Death, denn genau dieses jedem bekannte und alltägliche Szenario ist die Grundidee des Games. Das wird schon im Startmenü mehr als deutlich: Es zeigt aus der Ego-Perspektive des Zeichners den Unterricht in einer Szene mit realen Schauspielern. Man kann innerhalb dieser Szene den Kopf ein wenig hin und her drehen, und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass es ein wenig gedauert hat bis meinereiner klar wurde, dass man zum Starten des Games den Blick nach unten auf die am Pult liegenden Schulhefte richten muss. Als ich dieses Hindernis überwunden hatte verspürte ich für ca. 30 Minuten wohlwollende Euphorie für den Stil und den Humor des Games. Doch je länger ich spielte, umso fester schloss mich die Enttäuschung in ihre Arme.

Außen hui…

Der Stil des Games gehört zum Coolsten das ich je auf einer Konsole sehen durfte. Sowohl die Helden als auch die Maps sind von Hand gezeichnet und bringen jede Menge Charme rüber. Die spielbaren Figuren, sechs an der Zahl, sind herrlich abgedreht entworfen, mit wunderbar trashigen Namen ausgestattet und allesamt wert kurz vorgestellt zu werden: Johnny Savage – Ein Punkrocker der mit seinem Gitarrensound Köpfe explodieren lassen kann. Diabla Tijunana – Eine Dämonin im Cowboy-Outfit. Cyborgula – ein Cyborg-Vampir (ja richtig gelesen!). Alan – ein Bodybuilder mit Maus-Maske und Kettensäge. NinJaw – eine Lady in Reizwäsche und mit Haifischkopf. Und last but not least: Bronco – ein Soldat und Aktionklischee. Jeder dieser Helden verfügt über Primär- und Sekundärwaffen, sowie zwei Spezialangriffe. Auch der Sound ist absolut brauchbar.

…innen pfui!

So genial das Artwork ist, und auch der Humor trotz seiner Derbheit gelegentlich zu unterhalten weiß, so katastrophal ist leider das Gameplay:

Die Steuerung des gewählten Helden aus der Third-Person-Perspektive fällt leider mehr als bockig aus. Die Kämpfe sind hoch chaotisch und hektisch, was zu absoluter Orientierungslosigkeit führt, dadurch ist Taktik undenkbar. Erschwerend kommt hinzu, dass bei den Matches leider nur vier Spieler gleichzeitig erlaubt sind.

Doch in meinen Augen liegt das größte Problem am Ingame-Shop. Normalerweise sind mir Mikrotransaktionen und Ingame-Shops herzlich egal, bei Drawn to Death führen sie aber zu massiven Balancing-Problemen, denn wer bereit ist € 10,00 zu investieren kann sich sämtliche Waffen von Beginn an freischalten, während jene, die nicht gewillt sind in die Tasche zu greifen gezwungen werden sich diesen Inhalt schwer zu verdienen. Wenn sich dann zwei Level 1 Charaktere gegenüber stehen, der eine mit einer sprichwörtlichen Spritzpistole herumballert, während der Andere mit einer Panzerfaust alles in Schutt und Asche legt, sieht man den Frust schon von weiten winken.

FAZIT

Verschenktes Potenzial. Drawn to Death hätte mit ein wenig mehr Feinschliff und einem weniger penetranten Ingameshop ein wunderbarer Multiplayershooter mit Trash-Charme werden können. Auch hätte ich es cool gefunden wenn man aus der Grundidee eine nette Story für eine Solo-Kampangne gebaut hätte, diese Helden hätten es ohne Frage verdient. Trotz sehr coolem Stil und stellenweise recht witzigen Humor bleibt am Ende ein Shooter der im Schatten des Potentials seiner Grundidee wandelt.

Gesamtwertung: 4.8

Einzelwertungen: Grafik: 6 | Sound: 8 | Handling: 4 | Spieldesign: 2 | Motivation: 4

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