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Dünnes Eis – Das Spiel zum Song im Test

Für viele wahrscheinlich unbemerkt, ist bereits im Mai diesen Jahres auf Steam das besondere Point-and-Click-Adventure Dünnes Eis erschienen. Bemerkenswert allein schon dadurch, weil es laut seines Schöpfers gar kein Adventure sei, sondern viel mehr ein interaktives Musikvideo.

Aber ein erklärender Blick zurück ins Jahr 2021: Jan Müller-Michaelis genannt Poki verlässt nach vielen herausragenden Titeln wie Edna bricht aus oder der Deponia-Reihe Daedalic. Zu diesem Zeitpunkt waren 2D-Adventures für das Hamburger Unternehmen schon längst nicht mehr der Markenkern, da man sich anderen Genres geöffnet hatte, welche höhere Gewinnspannen versprachen. Trotz manch gutem Titel führte der Weg später zum historischen Disaster-Projekt Der Herr der Ringe: Gollum und darauf folgend zum Ende von Daedalic als Spieleentwickler.

Poki, jetzt Jan Baumann, beschritt gleichfalls neue Wege: er konzentrierte sich in Hamburg auf seine Musikkarriere und seine Band Baumann Bergmann Pokinsson. Dem musikalisch unbedarften Tester gefallen die Songs durchaus, man darf sich hier aber gerne eine eigene Meinung bilden. Für die Adventure-Freunde unter uns wurde es Anfang diesen Jahres wieder interessant, als Poki verkündete, ein kleines Projekt zu veröffentlichen, was aus der Idee eines weiteren interaktiven Musikvideos erwachsen ist. Es sollte eine spielbare Visualisierung seines Songs „Dünnes Eis“ werden. In gerade einmal sechs Wochen schaffte er es ohne externe Programmierer und in den Sprecherrollen unterstützt von seinen Bandmitgliedern Anne Baumann und Gunnar Bergmann Dünnes Eis – Das Spiel zum Song fertigzustellen. Als großer Daedalic-Verehrer stellte sich mir dabei die bange Frage, ob Poki hier wirklich die gute alte Zeit wiederbeleben könnte oder er die Erwartungshaltung der Community bewusst oder unbewusst unterlaufen würde.

Ohne Dich zu sein…

Die kleine Geschichte spielt rund um eine Forschungsstation in der Antarktis. Nachdem sein Kollege Hank verschollen ist und seine Freundin Robbie für einige Tage in Puerto Williams weilt, ist unser Held und Pinguin-Experte Clifford erst einmal alleine und muss seinen Alltag im ewigen Eis bewältigen.

Zu Beginn wird das dadurch erschwert, dass der Windgenerator ausfällt und repariert werden muss.
Hier werden zwei Dinge gleich deutlich: Clifford hat sehr unorthodoxe Methoden ein Windrad wieder instand zu setzen. Und irgendjemand oder irgendetwas scheint die Station sabotieren zu wollen. In der Folge lernen wir mehr von Cliffords Alltag kennen, wenn wir ihm helfen die Station aufzuräumen, Pflanzen zu gießen oder Kaffee für die bevorstehende Expedition zu kochen. Das monotone und einsame Leben am Südpol steht zunächst im Vordergrund. Clifford (oder Cliffi wie ihn seine Freundin Robbie nennt) ist ein rechter Pedant, wenn es um Ordnung und feste Abläufe geht. Man spürt, dass er nach Kräften versucht, sich einen geregelten Alltag zu organisieren. Genauso ist zu greifen, wie schwer ihm die Einsamkeit zusetzt und das etwas in ihm brodelt.

Nach einem Ausflug zum Eismeer (inklusive eines kleinen Pinguin-Such-Spiels) kehrt Clifford zur Forschungsstation zurück und muss feststellen, dass eingebrochen wurde. Oder bildet er sich das nur ein? Denn auch den verschwundenen Hank halluziniert sich Clifford immer wieder herbei, dessen Nervenkostüm zusehends dünner wird. Wo das Spiel bislang ein durchaus für Kinder geeignete Unterhaltung gewesen ist, wird es jetzt zusehens düsterer und das angeschlagene Seelenleben des scheuen Pinguin-Forschers tritt dabei immer weiter in der Vordergrund. Ein Psycho-Thriller wird das Spiel dadurch dennoch nicht. Der stets präsente Humor des Spiels und die bunte Optik lockern das Geschehen auf, ohne aber unpassend zu wirken. So wird auch mal überraschend ein Bonsai-Lied intoniert oder man bekommt am Rechner der Hauptfigur eine Übersicht über nicht ganz so ernst gemeinte Pinguin-Unterarten präsentiert.

Auf klassischen Eisbahnen

Während das Spiel geschichtlich immer weiter auf eine Eskalation zusteuert, kann man sich als Genre-Fan beruhigt zurücklehnen. Denn dieses interaktive Musikvideo ist ein waschechtes Point-and-Click-Adventure mit Inventar, Kombinationsrätseln und handgezeichneter 2D-Grafik. Bei einer Gesamtspielzeit von ungefähr einer Stunde kann man sicherlich keine inselumspannenden Rätselketten wie in Monkey Island erwarten. Alles ist äußerst linear gestaltet und durch die kleine Zahl an Gegenständen und Handlungsorten auch nicht wirklich schwer zu meistern. Dennoch ist es kein Walking Simulator, sondern man bekommt als Spieler durchaus eine angemessene Herausforderung mit durchdachten Knobelaufgaben.

Als Engine nutzt das Spiel Visionaire Studio. Die Comic-Grafik ist gerade bei der Darstellung von Gesichtern sehr reduziert, weiß aber mit den dicken Strichen und kräftigen Farben durchaus zu gefallen. Wie bei diesem kleinen Projekt zu erwarten, ist nicht jede Okjektinteraktion vollends animiert, aber die Bewegungen der Charaktere sind stimmig und fügen sich ins Gesamtbild ein. Die musikalischen Untermalung punktet selbstverständlich mit dem Originalsong „Dünnes Eis“, der immer mal wieder zu Zwischensequenzen in Auszügen gespielt wird. Die Sprecher sind zwar hörbar keine Profis, dennoch passen die Stimmen gut zu den dargestellten Charakteren.

Zusammenfassung

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