Never change a winning team: Wie schon im Vorjahr hat Codemasters auch heuer wieder von großen Revolutionen abgesehen und nur behutsam dort die Schraubenschlüssel angesetzt, wo es unbedingt nötig war. Und das ist gut so.
Bei meinem Review zu F1 2017 schloss ich noch mit folgendem Satz: „Das, in Kombination mit den historischen Autos, der soliden Technik und tollen Fahrphysik, vor allem aber der motivierenden Karriere, summiert sich zu nicht weniger als dem in meinen Augen besten Formel 1-Spiel unserer Zeit. Chapeau.“ Nun, etwas weniger als ein Jahr später, steht also auch schon wieder ein neuer Teil der F1-Serie in den Regalen und buhlt um unsere Zocker-Gunst. Und sonderlich viel getan hat sich ehrlicherweise nicht. Ja, man könnte sogar soweit gehen zu sagen, dass sich F1 2018 mehr wie ein sehr umfangreiches Update, denn ein wirklich neues Spiel anfühlt. An den Grundpfeilern etwa hat sich so gut wie nichts geändert. Nach wie vor könnt ihr euch also in den abgegrenzten Multiplayer-Modus werfen, ein schnelles Rennen mit aktuellen oder historischen Boliden wagen oder aber in das Herzstück des Spiels starten: Den Karrieremodus.
Kein Kommentar!
Rollen wir das Feld von hinten auf: Der Karrieremodus! Wenig überraschend sind die wohl größten Veränderung hier das aktualisierte Lineup an Teams (persönliche Randnotiz: Yay! Alfa Romeo ist zurück in der Formel 1!!!111Eins), der neue Streckenkalender und, rein optisch, die umstrittenen Halos. Gleich geblieben ist hingegen die Tatsache, dass ihr, noch bevor ihr das erste Mal Hand an ein Lenkrad legt, euren Fahrer bzw. eure Fahrerin erstellen könnt. Dabei ist der Charakter-Editor nach wie vor alles andere als umfangreich. Ihr könnt lediglich aus einer Sammlung vorgefertigter Figuren auswählen und müsst euch auch beim Rufnamen mit einer recht überschaubaren Auswahl zufriedengeben. Dass in dieser zum Beispiel ausgerechnet „Michael“ fehlt – ein an sich schon nicht unbedingt seltener und für die Formel 1 doch recht bedeutender Name – verstehe wer will. Wie dem auch sei: Danach lernt ihr erst einmal eure Managerin und eine Journalistin kennen. Ja, die Presse-Interviews sind zurück! Und ja, sie sind deutlich besser geworden als damals in F1 2010, wo sie ihr Debüt gefeiert haben. Perfekt sind sie deswegen aber noch lange nicht. Nicht nur ist die Zeit zu antworten bei längeren Texten ab und an etwas knapp, ihr dürft bzw. müsst zudem so oft mit der Dame plaudern, dass es im Laufe der Karriere recht schnell lästig wird. Vor allem, da euch auch des Öfteren dieselben Fragen gestellt werden. Aber gut: Irgendwie ist das ja sicherlich auch ein Teil der Simulation des Lebens eines echten F1-Piloten. Jedenfalls sind diese Frage-Antwort-Spielchen nicht reiner Zeitvertreib sondern haben wesentlichen Einfluss auf den Verlauf eurer Karriere. Je nachdem wie ihr so antwortet, steigt oder sinkt nicht nur das Ansehen von euch selbst als Sportsmann oder Selbstinszenierer, auch eure Reputation innerhalb des Teams wird maßgeblich beeinflusst. Wer zu viel über die Leistung seines Wagens und damit der Techniker lästert, muss sich also nicht nur auf fehleranfälligere Updates einstellen, sondern darf auch bei den während der Saison regelmäßig vorkommenden Vertragsverhandlungen auf wenig Entgegenkommen des Managements hoffen.
Nachdem das gesagt ist, wissen Kenner schon, was als nächstes kommt: Die Rollenspiel-ähnliche Entwicklungsbaum-Mechanik für die Weiterentwicklung eures Autos ist ebenfalls zurück! Durch erfahrene Punkte – zum Beispiel in den ebenfalls wieder vorhandenen Missionen während der Trainings-Sessions – könnt ihr also ein weiteres Mal nach und nach euer Auto verbessern. Witziger und vielleicht auch frustrierender Fakt hierzu: Wie auch im echten Leben ändert die FIA auch in F1 2018 während der Saison gern einmal in Details das Reglement. Somit kann es gut sein, dass Änderungen, in die ihr Zeit und Punkte gesteckt habt, im Laufe der Saison als regelwidrig eingestuft werden und ihr sie auch auf den Bauch pinseln könnt. Hart, aber realistisch. Weniger realistisch ist hingegen, dass besonders fleißige Fahrer, die in den erwähnten Missionen eifrig Punkte sammeln um sie in die F&E zu stecken, schon circa ab der Mitte der Saison auch mit einem Mittelfelds- oder sogar Backfield-Team den Top-Teams wie Mercedes, Ferrari und Co. um die Ohren fahren können. Zumindest kann man hier aber recht einfach damit gegensteuern, dass zwischen Rennwochenenden jederzeit die KI-Schwierigkeits-Settings angepasst werden können.
Auf Speed
Wenn wir schon von der KI sprechen, springen wir doch gleich mal auf die Strecke – reden also über das, worum es in einem Rennspiel doch am ehesten geht: Das Fahren. Am Physik-Modell wurde wenig geändert. Gut so: Immerhin war das schon vor einem Jahr nicht weniger als ausgezeichnet. Dass sich das Spiel dennoch recht anders anfühlt, liegt vor allem am neuen F1-Reglement. Dank den breiteren Reifen fühlt sich das Geschehen heuer noch ein ganzes Stück schneller an als Anno 2017 und fordert von euch noch einen Tick mehr Feingefühl am Steuer – bzw. eine gewisse Eingewöhnungszeit. Gerade in den ersten paar Kurven ist schwer zu glauben wie schnell man eigentlich mit hohen Anpressdruck-Settings (natürlich können die Boliden wieder sehr detailliert abgestimmt werden) tatsächlich noch in Kurven schneiden kann.
Apropos Settings: Neu in F1 2018 ist auch die Möglichkeit die ERS-Einstellungen selbst ändern und dessen Einsatz eigens regeln zu können. Gemeinsam mit dem manuell zu betätigendem DRS, den ebenfalls änderbaren Motoren-Settings, managebarem Boxenfunk und der Kleinigkeit des Fahrens an sich, hat man also bei Zeiten ganz schön was zu tun. Vor allem mit einem Controller in der Hand stößt man hier schnell an die Grenzen des Machbaren für die eigenen Finger. Da wirkt ein Lenkrad mit massig Tasten freilich Wunder. Brauchen tut man ein solches aber nicht unbedingt. Einerseits geht die Steuerung der Boliden auch mit Controller gut von der Hand, andererseits kann ERS, Motorsetting und Co. ja auch automatisiert werden … was wir jedem Nicht-Profi auch dringend empfehlen würden.
Natürlich geht einem damit eine gewisse, neu hinzugekommene und das Spiel durchaus bereichernde, taktische Komponente verloren. Allerdings ist es nicht so, dass die mit Trainings-Missionen, Qualifying und Rennen vollgestopften Rennwochenenden nicht auch so genug Motivation und Beschäftigungen bieten würden. Auch die KI-Fahrer halten einen während der Rennen gut auf Trab. Gerade in den höheren Gefilden der 110-stufigen Skala, über die der Spieler deren Geschick regeln kann, werden Kurvenein- und ausgangsduelle gerne mal wirklich auf der letzte Rille gefahren. Auch sonst werden da und dort die harten Bandagen ausgepackt – ob das allerdings immer Absicht ist, können wir nicht beschwören. Leider passiert es nämlich nach wie vor recht oft, dass der Hintermann einem beim Anbremsen in eine Kurve einfach mit deutlich mehr Schmackes ins Heck knallt, als es bei einem einfach Verbremser passieren würde.
Wie dem auch sei: der zuvor erwähnte Umstand, dass man mit einem Mittelklasse-Auto, das möglichst viele der mehr als 120 verfügbaren Updates verpasst bekommen hat, relativ problemlos einfach aufgrund technischer Überlegenheit dem restlichen Feld davonfahren kann, bleibt immer bestehen. Vor allem auch, da – sofern man das nicht in den auch sonst umfangreichen Schwierigkeitssettings deaktiviert – Unfälle oder Ausritte mittels des altbewährten Rückspulfeatures ungeschehen gemacht werden können.
Das gilt freilich auch für die recht leicht passierenden Totalschäden – besonders hohe Kurvenspeeds bedeuten eben auch besonders dramatischen Kontrollverlust, wenn man es dann wirklich einmal übertreibt. Viel beeindruckender sind aber eigentlich die kleinen Karambolagen. Gerade sie – also zum Beispiel kleine Absplitterungen am Front-Spoiler durch ein zu intensives Kurvenduell – machen nämlich am besten klar, wie feinfühlig die Physikengine arbeitet. Selbst sie machen sich nämlich augenblicklich im Handling des Autos bemerkbar. Vom ebenfalls im Spiel enthaltenen und gut simulierten Regen erst gar nicht zu sprechen. Spätestens hier steigen dann übrigens auch die Chancen mal selbst eine Safetycar-Phase zu erleben. Auch ein solches gibt es im Spiel. Wie in der Realität auch, rückt es aber freilich nur dann aus, wenn sich eine größere Massenkarambolage ereignet hat.
Gute, alte Zeit
Während der Karriere habt ihr natürlich keinerlei Einfluss auf die Tageszeit und das Wetter während eines Rennwochenendes. Anders im zweiten, großen Teil des Spiels: den Einzelrennen. Hier dürft ihr frei festlegen, zu welcher Tageszeit ein Rennen starten soll, welches Wetter die Götter gerade für euch parat halten und vor allem auch: Mit welcher Geschwindigkeit die Zeit vergehen soll. Bei Strecken, die auch in der Nacht befahren werden können – zum Beispiel Monte Carlo oder dem Yas Marina Circuit – könnte es also gut passieren, dass ihr Mittags bei strahlendem Sonnenschein startet und ein paar Runden später schon bei Nacht und Regen übers Ziel donnert.
Und das „donnert“ meinen wir dabei durchaus wörtlich. Immerhin haben im Vergleich zum Vorjahr noch ein paar zusätzliche, historische Autos den Weg ins Spiel gefunden … also Fahrzeuge, die auch wirklich noch gut geklungen haben. Genau mit diesen – 20 sind es jetzt – dürft auch wieder in diverse Bonus-Events starten. Auch eigene Meisterschaften mit speziellen Herausforderungen, ebenfalls bekannt aus dem Vorgänger, sind wieder mit von der Partie.
Online – jetzt mit „fair“?
Wie schon voriges Jahr können im Online-Part des Spiels bis zu 20 Fahrer – also ein komplettes F1-Starterfeld – gleichzeitig in ein Rennen starten. Zusätzlich gibt es noch Platz für zwei Zuschauer. Dabei dürfen aber nicht nur Einzelrennen gefahren werden. Ihr könnt mit Freunden (auch via LAN!) auch eine komplette Online-Meisterschaft mit individuell zusammengebasteltem Rennkalender austragen. Dabei ist es dann natürlich auch möglich für alle Teilnehmer verpflichtende Regeln aufzustellen – etwa welche Fahrhilfen verwendet werden dürfen oder auf welchem Leistungsniveau alle Fahrzeuge liegen sollen. So schafft man es mit den richtigen Einstellungen, dass absolut alle Autos im Feld rein technisch exakt gleich schnell sind – sorgt also für perfekt faire Rahmenbedingungen.
Besonders „fair“ soll es in den gerankten Rennen jetzt auch deswegen zugehen, weil Codemasters ein neues Einstufungssystem eingebaut hat, das eben auf Basis des Fahrverhaltens dazu beitragen soll „ernsthaftere“ und „rabiatere“ Spieler übers Matchmaking bestmöglich zusammen zu bringen bzw. auseinander zu halten. Selbst ausprobieren konnten wir das noch nicht – immerhin fand der Launch gerade erst statt. Wir reichen eine passende Einschätzung aber ASAP nach.
Großes Ego
In Sachen Technik war ebenfalls Evolution statt Revolution angesagt. Wieder einmal muss also die Ego-Engine herhalten, die aber erneut ein paar neue Tricks beigebracht bekommen hat. So sorgen nun feinere Rauch-Effekte, eine neue Wolkentechnologie für den Himmel und zusätzliche Details am Streckenrand für mehr „Leben und Furore“ am Bildschirm. Außerdem konnte man dem Spiel auf den Konsolen (wir haben auf der PS4 Pro getestet) das lästige Tearing weitgehend abgewöhnen. Auch der Fahrzeug-Detailgrad wirkt subjektiv noch einen Tick höher als im Vorjahr. Schön ist auch, dass die Entwickler in den Grafikoptionen daran gedacht haben das Halo-Visier deaktivierbar zu machen, wenn man in der Cockpitperspektive fährt. Mit dem merkwürdigen Flip-Flop-Look muss man also zumindest während der Rennen nur bei den anderen Autos leben, nicht aber beim eigenen … bis zum Replay halt.
Schade ist nur, dass die Entwickler auch diesmal weder Splitscreen- noch VR-Support integriert haben. Das ist vor allem deswegen verwunderlich, weil Codemasters mit den letzten Dirt-Teilen am PC ja bereits gezeigt hat, dass die Engine zumindest letzteres locker bieten kann. Jedenfalls am PC, versteht sich. Dort warten dafür – neben NOCH hübscherer Grafik – auch andere Technik-Schmankerl wie die Unterstützung von Eye-Tracking oder D-BOX Motion Simulatoren.
FAZIT
Das Bessere ist des Guten Feind. Codemasters hat im Vergleich zum Vorgänger noch einmal an den genau richtigen Stellschrauben gedreht. Die verfeinerte Karriere, leicht verbesserte Technik, größere Auswahl an historischen Autos und Verbesserung an so manchem Detail macht aus F1 2018 im Grunde wieder genau das selbe, was F1 2017 schon war: Das in meinen Augen beste Formel 1-Spiel unserer Zeit. Müssen generelle Rennspielfans ohne explizitem Interesse an der Formel 1 deswegen jetzt nochmal zugreifen? Vermutlich nicht. Ist es ein Pflichtkauf für echte Fans der Königsklasse? Unbedingt.
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Was ist F1 2018? Rennsport-Simulation mit der offiziellen Lizenz der aktuellen Formel 1-Saison 2018.
Plattformen: PC, Xbox One, Playstation 4
Getestet: Playstation 4
Entwickler / Publisher: Codemasters / Koch Media
Release: 24. August 2018
Link: Offizielle Webseite
Gesamtwertung: 9.6
Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 10 | Handling: 10 | Spieldesign: 10 | Motivation: 10