F1 2019 im Test

Der neuste und übrigens nun schon zehnte Teil der von Codemasters aufgelegten, offiziellen Formel 1-Games, ist nicht weniger als das beste F1-Game aller Zeiten. Und ja: Ich kenne die Grand Prix-Spiele von Geoff Crammond. Ebenso die schon wirklich guten, direkten Vorgänger. Doch schön langsam haben sich die britischen Entwickler mit der Serie so richtig schön eingegrooved und mit sinnvollen Innovationen erneut ein echtes Glanzstück abgeliefert.

Das Wichtigste bei jährlich neu aufgelegten Spieleserien zuerst: Was also neu? Die Lizenz – klar: Fahrer, Teams, Strecken und Autos der F1-Saison 2019 sind allesamt und lückenlos enthalten. Zusätzlich kam aber noch eine weitere Lizenz hinzu. Mit F1 2019 feiert die Krabbelstube der Königsklasse ihr Videospiel-Debüt: die Formel 2. Zum Start ist davon zwar nur die Saison 2018 enthalten, die aktuelle wird allerdings noch mittels kostenlosem Update nachgereicht. In jedem Fall ist die F2 schon jetzt eine tolle Erweiterung für das Spielerlebnis. Die allesamt auf der exakt gleichen technischen Basis fußenden Autos fühlen sich dank geringerer Power und deutlich niedrigerem Abtrieb reichlich anders an als die hochgezüchteten F1-Raketen. Außerdem wurde die F2-Klasse gleich inklusive der Original-Kommentatoren integriert. Wenn Codemasters in dieser Serie etwas angeht, dann eben richtig.

Gelungener Drahtseilakt

Das Gleiche gilt übrigens auch für die Technik. Frei nach dem Motto Evolution statt Revolution hat Codemasters die bestehende Engine – die aktuelle Version der Ego-Engine, um genau zu sein – beibehalten und sowohl in Sachen Physik als auch Optik nur an kleinen, aber dafür umso entscheidenderen Stellschrauben gedreht. Beginnen wir beim Fahrverhalten: Nach wie vor fühlen sich alle Autos mehr als authentisch an. Allerdings wird die Unruhe, die hohe Curbs ins Auto bringen, nun noch deutlich besser simuliert, womit man diese mit mehr Bedacht mitnehmen sollte. Gleichzeitig ist es Anno 2019 mit frischen Reifen aber auch deutlich einfacher auf der Strecke zu bleiben als noch im Vorjahr – auch wenn die Pneus freilich nach wie vor eingefahren werden müssen, um ihren vollen Grip zu liefern. Ob der dadurch einfachere Umgang mit den Autos – vor allem für Einsteiger – am Ende an den 2019er-Autos per se oder an Tweaks in der Engine liegt, könnte wohl nur ein F1-Fahrer selbst beantworten … und so einer bin ich leider nicht.

Sei’s drum: Erfahrener Video- und F1-Spieler bin ich allemal. Und als solcher darf ich attestieren, dass Codemasters es geschafft hat die Autos der Königsklasse sowohl mit Controller als auch Lenkrad gut beherrschbar, aber doch authentisch ins Spiel zu hieven. Gleichzeitig sorgt simples Abdrehen aller Elektronik-Helferlein aber nach wie vor dafür, dass auch echte Simulations-Cracks ihren Spaß haben werden. Vor allem natürlich, da auch die Tuning-Möglichkeiten wieder in exakt gleichem Umfang wie im Vorjahr integriert wurden. Selbiges gilt übrigens auch für die in 110 Einzelstufen justierbare KI eurer Opponenten. Schon kleine Veränderungen machen sich hier durchaus bemerkbar und sollten sicherstellen, dass tatsächlich jeder die genau für seine Bedürfnisse passende Einstellung findet. Und ja: die darf ruhig so ausfallen, dass man nicht problemlos mit einem beschädigten Williams noch Kreise um Lewis Hamilton fahren kann. Immerhin hat man als Spieler ja noch das altbewährte Ass im Ärmel, auf Wunsch jederzeit nach einem Fahrfehler zurückzuspulen und es noch einmal zu probieren.

Klein aber fein

Fehlt noch der optische Part der Technik: Wie schon erwähnt beließ es Codemasters auch hier bei Detail-Verbesserungen. Zum einen wurde nun endlich der „echte“ Formel 1 Font für die Anzeigen und das HUD verwendet, was schon an sich für einen anständigen Authentizitätszuwachs sorgt. Darüber hinaus wurden aber auch diverse technische Modifikationen vorgenommen: Dabei mögen verbesserte Effekte für Hitzeflimmern, aufgewirbelte Partikel und Reifenspuren am Asphalt sowie verfeinerte Reifenbelags-Texturen nach unwichtigen Kinkerlitzchen klingen, just sie machen aus F1 2019 aber einen richtigen Hingucker. Okay … sie und die veränderte Beleuchtung, die vor allem während der Nachtrennen in Bahrain oder Abu Dhabi einen gewaltigen Unterschied machen. Zudem wurde der Stadtkurs von Monte Carlo großflächig überarbeitet und die Umgebung deutlich detaillierter modelliert.

Angenehmer Weise hat weder das noch sonst eine Veränderung aber nennenswerte Wirkung auf die Performance des Spiels. Die PC-Anforderungen sind nach wie vor recht moderat und auf der PS4 Pro, die als Haupt-Testplattform diente, lief das Geschehen jederzeit perfekt flüssig, auch wenn die optische Qualität hier dem PC nach wie vor einen Tick hinterherhinkt … welch Überraschung.

In Sachen Ton gibt es ebenfalls nicht viel zu meckern. Der Soundtrack ist gut und das sehr turbolastige „Ge-Brumm-Heule“ (schöne Wortschöpfung, oder?) der aktuellen Motoren wurde erstklassig ins Spiel geholt. Deutlich akustisch spektakulärer sind freilich die historischen Autos, die sich erneut im mittlerweile 42 Teams und Autos umfassenden Fuhrpark finden. Alle davon bekommt man aber nur gegen Aufpreis – nämlich wenn man zur 10 Euro teureren Legend-Edition greift, bei der man zudem in eigenen Events die ikonische Auseinandersetzung zwischen Senna und Prost aufleben lassen kann.

Freunde und Feinde

Wenn wir schon mit großen Namen um uns werfen, erwähnen wir doch gleich noch zwei weitere: Weber und Butler. Noch nie gehört? Kein Wunder – sie sind ja auch fiktive Fahrer, die sich Codemasters für den „Story-Modus“, also die Karriere von F1 2019 ausgedacht hat. Bei dieser startet ihr in der Formel 2, wo sich bereits recht platte Verbindungen zwischen eurem Alter Ego (übrigens auf Wunsch auf eine Frau) und den beiden Fahrern herauskristallisieren. Weber, der nette Teamplayer von Nebenan und euer Kader-Kollege. Butler, der selbstsüchtige Ehrgeizler mit niedriger Reizschwelle. Der „Haken“: Eure gesamte F2-Karriere besteht im Rahmen der Kampagne aus drei Rennen und dazwischen gesetzten Interviews, die vermeintlich beeinflussen, von welchen Teams ihr dann Angebote bekommt – sonderlich große Auswirkungen hat das Ganze aber nicht.

Ebenfalls schade: während am Anfang noch recht viel „Story“ erzählt wird, was trotz nach wie vor verbesserungswürdig aussehender Charaktere und platter Handlung durchaus seinen Reiz für mich hatte, nimmt die Dichte an solchen Story-Momenten nach eurem Einstieg in die Formel 1 deutlich ab. Aber gut: Sich in einem Rennspiel aufs Rennfahren konzentrieren zu müssen ist ja irgendwie eh ganz passend.

Dabei warten auf Kenner des Vorgängers viele bekannte Mechaniken: Zum Beispiel das RPG-ähnliche Weiterentwicklungssystem für euren Boliden bzw. euer Team, für das ihr durch Aufgaben in den Trainingsessions Punkte sammeln könnt. Neu hingegen: Nicht nur ihr könnt Team wechseln – auch die anderen Fahrer, auch die echten/lizenzierten, können während der Saison Angebote anderer Rennställe erhalten und annehmen. Vor einiger Zeit wäre das mit der offiziellen F1-Lizenz vollkommen undenkbar gewesen. Ob es am mittlerweile verdient guten Standing von Codemasters liegt oder am neuen Management der Königsklasse selbst bleibt ein Geheimnis. Uns soll’s so oder so recht sein.

Multiplayer

Wem das reine Kräftemessen mit KI-Fahrern nicht reicht – so gut diese auch sein mögen – der darf sich freilich auch wieder im Mehrspieler-Modus von F1 2019 vergnügen. Zwingend dafür erforderlich ist nur leider nach wie vor eine Internetverbindung: Splitscreen-Modus bietet Codemasters auch dieses Jahr keinen an. Dafür hat man sich sonst so manch Neuigkeit ausgedacht. So könnt ihr nun erstmals eigene Lackierungen für eure Flitzer erstellen. Das dahinterliegende System ist zwar nicht unbedingt das detaillierteste am Markt, aber es reicht allemal, um Freude daran zu haben, ins Cockpit seines ganz persönlichen Boliden hüpfen zu können.

Darüber hinaus erwarten euch wöchentlich wechselnde Online-Events und ein neues Liga-System. Hier können zahlreiche Einstellungen vorgenommen werden, um für Ordnung zu sorgen: von der Rennlänge, über die erlaubten Assistenzsysteme bis hin dazu, aus welchen Ländern die Fahrer kommen dürfen und ob KI-Piloten mitmischen sollen, kann alles festgelegt werden. Da dürfte Freude aufkommen bei den schon 2018 recht zahlreich herangeströmten eSport-Rennfahrern mit Faible für den Formel-Sport.

FAZIT

Die Erinnerung verklärt ja oft die Realität. Dennoch: Selbst meine beste Erinnerung an den besten Teil der Grand Prix-Serie von Geoff Crammond kommt nicht an das heran, was ich bei F1 2019 so im Laufe einer hitzigen F1-Saison erlebt habe. Tolle Grafik, erstklassige KI, nette „Story“, fantastisches Fahrverhalten, spannender Online-Modus, authentische Simulation des gesamten F1-Zirkus und sogar an den Sound der Turbo-V6 habe ich mich mittlerweile wohl gewöhnt … auch wenn die historischen Wagen in der Hinsicht natürlich immer noch eine Klasse für sich sind. Aber auch die werden hier ja geboten. Ein echtes Wunschlos-Glücklich-Paket für Formel 1 Fans also.

Was ist F1 2019? Die nunmehr zehnte Rennsimulation am Stück von Codemasters zur jeweils aktuellen F1-Saison – diesmal auch mit der F2.
Plattformen: PC, PS4, Xbox One
Getestet: PS4, PC
Entwickler / Publisher: Codemasters
Release: 25. Juni 2019
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 9.6

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 10 | Handling: 10 | Spieldesign: 8 | Motivation: 10

Passende Beiträge

Flint: Treasure of Oblivion im Test

ANTONBLAST im Test

The Spirit of the Samurai im Test