Ein neuer Herbst, ein neues FIFA. Wie jedes Jahr beglückt EA Sports Fußballfreunde mit der neuesten Version seines Sport-Evergreens. Die Frage nach Neuerungen ist bei dieser Serie meist die Aufdringlichste. Einerseits kann Fußball nicht jedes Jahr neu erfunden werden, andererseits sprechen die über 700 lizensierten Vereine aus mehr als 30 Ligen eine eindeutige Sprache. Im Endeffekt ist die Antwort, wie immer, auf dem Platz zu finden. Wer einen Kauf in Erwägung zieht, dem sei hier ein Einblick gewährt.
Wir können sowas nicht trainieren, nur üben (Michael Ballack)
Als allererstes fällt die Änderung des gefühlten Spieltempos auf. Während FIFA 17 den Eindruck erweckte, in doppelte Geschwindigkeit abzulaufen, vermittelt die neue Version mehr Behäbigkeit. Behäbig bedeutet aber keinesfalls langsam, das Tempo zieht nach wie vor ordentlich an. Als Neuling fühlt man sich zu Beginn ein wenig überfordert, zumal die KI auf der dritten Stufe schon ganz ordentlich netzt. Die unteren vier Schwierigkeitsgrade wurden inzwischen aber bereits mittels Patch nach unten nivelliert. Mitverantwortlich für die stärker wirkende künstlichen Intelligenz ist unter anderem die schwieriger zu handhabende Defensive.
Die Verteidiger verhalten sich bei falscher Handhabung massiv schwerfällig, selbst wenn sie eigentlich ganz quirlige Spieler sind. Wer in der Abwehr einmal die falsche Richtungs- oder Zweikampftaste betätigt kann gleich zum nächsten Charakter wechseln, da der Angreifer bereits auf und davon ist. Jede Bewegung muss genau abgewogen werden. Außerdem rückt das Engmachen der Räume nun stärker ins Zentrum, da Passwege zustellen ein effektives Mittel darstellt. Aber hier macht die KI dem Menschen oft einen Strich durch die Rechnung, die ohne eigenes Zutun Gegenspieler so gut wie gar nicht mehr stoppt. Selbst wenn der Ball vor einem im Moment nicht gesteuerten Spieler zum Erliegen kommt, wird er ohne eigene Intervention nicht unter Kontrolle gebracht. Hektik kommt also ohne Zweifel auf, weswegen das ein wenig runtergeschraubte Tempo des Spiels sich nicht negativ bemerkbar macht.
Jede Seite hat 2 Medaillen (Mario Basler)
In puncto Grafik und Präsentation rückt FIFA 18 wieder ein Stück weiter an die Realität heran. Nicht nur, dass die Zugpferde der Reihe, wie zum Beispiel Cristiano Ronaldo, eigene Animationen oder Jubel spendiert bekommen. Wenn der Torschütze nach einem erfolgreichen Versuch direkt in die Arme der feiernden Fans stürmt, vermittelt das einen sehr interaktiven und lebensnahen Touch. Ungenaue Pässe werden nun nicht mehr so sauber weiterverarbeitet wie bisher, was ebenfalls seine Berechtigung hat. Die Gratwanderung zwischen exakter Fußball-Simulation und Spielfluss fördernden Irrealitäten ist weiterhin das schwierig zu balancierende Kernstück der Reihe. Infolgedessen schlägt das Spiel jedoch zwangsweise ein paar Haken in die andere Richtung.
Die Zielhilfe des Spiels unterstützt je nach Stufe ganz hervorragend, macht einem aber oft einen Strich durch die Flanke. Mittels Sofortwiederholung kann einwandfrei beobachtet werden, dass der Spieler mit dem Controller in eine ganz andere Richtung gezielt hat, als der Pass schlussendlich ging. Die Aktionen werden also teilweise overruled, was öfter zu ärgerlichen Momenten führt. Fernschüsse sind wiederum extrem stark und hätten eigentlich mittels Patch bereits abgeschwächt werden sollen, bisher ist hier aber nicht viel zu merken. Die starken Offensivspieler nageln den Ball nahe dem Strafraum viel zu oft ins Kreuzeck. Einerseits natürlich ein tolles Gefühl, aber das inflationäre Vorkommen sollte auf jeden Fall reduziert werden. Ein weiterer Minuspunkt sind ballführende Spieler, die des Öfteren jeden Verteidiger ohne Ball abhängen. Kann passieren, aber abseits der virtuellen Realität ist das eher eine Seltenheit.
Ihr Fünf spielt jetzt vier gegen drei (Fritz Langner)
Wieder mit von der Partie ist der Journey-Modus rund um Alex Hunter, der dieses Mal in die weite Welt hinausgezogen werden will. Dieser Modus spinnt die Geschichte des aufstrebenden Fußballstars weiter und hilft sich mit klitzekleinen Rollenspiel-Elementen aus. Bei Gesprächen oder Auftritten können mehrere Antwortmöglichkeiten ausgewählt werden, die entweder einer coolen, aggressiven oder neutralen Ausrichtung zugeordnet sind. Leider haben diese Entscheidungen jedoch so gut wie keine Auswirkungen auf zukünftige Ereignisse. Darüber hinaus muss er in Trainingsspielen und Einheiten gut abschneiden, um in die Startelf zu kommen und somit die Aufmerksamkeit anderer Top-Vereine auf sich zu ziehen. Neu ist das Element Twitter. So können wir die Anzahl der Follower erhöhen, indem wir gute Leistungen zeigen. Mehr Funktionen, außer ein paar Allerwelts-Tweets über den Star zu lesen, bietet es jedoch nicht. Außerdem kann sein Aussehen nun mit freischaltbaren Gegenständen verändert werden. Im Zuge dieses Modus kommt es auch einmalig zu einem kleinen Street-Soccer-Duell. Alles in allem präsentiert EA hier aber nicht viel Neues. Die Halle bleibt neuen wie altgedienten Fans leider weiterhin verwehrt.
Im Karrieremodus gibt es ebenso wenig Neuheiten. Hervorzuheben wären die Transfergespräche, wo wir mittels vorgespielten Live-Verhandlungen um Transfersummen und Gehälter feilschen. Anfangs bringt das noch frischen Wind in die altbekannten Karriere-Strukturen. Aber spätestens nachdem drei Mal dieselbe Zwischensequenz gezeigt wird, werden die meisten Spieler diese nur mehr überspringen. Der eigens erstellte „Pro“ ist selbstredend wieder mit von der Partie und kann mit limitierten Trainingseinheiten verbessert werden, um zur Weltspitze aufzusteigen.
Man darf nicht alles so schlecht reden, wie es war (Fredi Bobic)
Auf den glücksspiel-ähnlichen Goldesel -Modus, FIFA Ultimate Team genannt, wurde natürlich nicht vergessen. Freunde des gekauften Erfolges können sich hier immer wieder mit Gegnern messen, deren Besitzer durch mehrstellige Eurobeträge verschiedenste, starke Spieler zusammengekauft haben. Hier klopft der Realismus wieder heftig an die Tür, wenn man an aktuelle Transfersummen und Gehälter im Weltfußball denkt. Wer schon immer das Gefühl haben wollte, Millionenbeträge wie Monopoly-Spielgeld zu verteilen, dem sei dieser Modus ans Herz gelegt. Böse Zungen nennen es das Financial Unfair Play der unteren Einkommensklassen oder Oligarchen-Modus für Arme. Andere einfach nur Pay-2-Win.
Immerhin wurden hier ebenso Neuerungen implementiert. Ein neuer Einzelspielmodus, genannt Squad-Battles, lockt mit neuen Herausforderungen, die mit den eigenen Teams bestritten werden können. Täglich stehen unter der Woche bis zu vier neue Mannschaften bereit, gegen die angetreten werden kann, an Wochenenden sogar mehr. Bei Siegen steigt das Team in der Rangliste auf, Punkte gibt es abhängig vom Schwierigkeitsgrad natürlich für Siege und Tore. Als Prämie winken Leihspieler, Münzen oder Packs mit Spielern, die auf dem Transfermarkt verhökert werden können. Ein kleiner Kompromiss für Leute, die gern mit einem eigenen Team spielen aber nicht von den Cracks im Online-Modus Prügel beziehen möchten.
FAZIT: Vom feeling her ein gutes Gefühl (Andreas Möller)
Insgesamt spielt sich FIFA 18 wieder angemessen gut und bietet Unterhaltung, die aber nicht nur aus schönen Momenten besteht. Als Go-to Fußballsimulation für Gelegenheitsspieler eignet es sich im Moment durchaus, wenngleich die Schwerpunkte sehr auf der Präsentation ruhen. Für die Hardcore-Spieler ist vielleicht noch der ein oder andere Patch nötig, der an den richtigen Schrauben dreht. Wer neu in diesem Genre eingewechselt wurde kann durchaus zugreifen, und sei es nur, um sich selbst ein Bild der doch viel gescholtenen Reihe zu machen. Veteranen wissen ohnehin, worauf sie sich einlassen.
Abgesehen davon, tut ein erfolgreiches FIFA der E-Sport-Szene alles in allem sicherlich gut. In Österreich startet jetzt die Ebundesliga, an der sich alle Vereine der ersten Liga beteiligen. Allein dafür sollte ein Erfolg der Marke auch all jenen dienen, die mit dem Spiel an sich nichts zu tun haben. PES hinkt da, vor allem aus Vermarktungs- und Lizenzgründen, hinterher. Da E-Sport in Österreich nach wie vor nur Rand-Thema ist, ist jegliche Addition in diesem Bereich gern gesehen. Unabhängig von den Makeln, die das Spiel ohne Zweifel hat.
Gesamtwertung: 7.2
Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 6 | Handling: 8 | Spieldesign: 6 | Motivation: 8