Filament im Test

Der erste Titel des 3-Mann Studios Beard Envy, Filament, versucht sich am Spagat zwischen beruhigenden Puzzles und spannendem Sci-Fi-Thriller. Wie kann das funktionieren? Wie sich herausstellt, erstaunlich gut. Die Prämisse scheint dabei simpel: Man kombiniere ein einfaches Spielprinzip mit stimmungsvoller Erzählung. Schafft man es dann noch eine Herausforderung zu bieten, sieht die Sache doch schon ganz vielversprechend aus.

Der Andockvorgang ist abgeschlossen, die Schleuse öffnet sich und unser stummer Protagonist betritt das Raumschiff. Warnlampen leuchten, Dokumente und Comics liegen auf dem Boden verstreut. Von der Crew ist weit und breit nichts zu sehen. Die Sicherheitskamera neben einer verschlossenen Tür, vermittelt das Gefühl den Neuankömmling argwöhnisch zu betrachten und folgt einer jeden seiner Bewegungen. Der einzige Hinweis darauf was passiert ist: Aus einem Lautsprecher ertönt die Stimme der Pilotin, alias Wacholder. Allzu gesprächig ist diese allerdings nicht, also machen wir uns auf den Weg selbst herauszufinden, was hier eigentlich gespielt wird. Auf dem ganzen Schiff sind sogenannte Anker verteilt, deren eigentlicher Zweck erst später enthüllt wird. Genau diese Anker gilt es zu deaktivieren, indem man Puzzles löst. Das Grundprinzip dieser Rätsel ist relativ simpel. Man steuert einen kleinen Roboter mit eine Glühbirne als Kopf durch einen Raum voller Säulen und umwickelt dieselben mit einem leuchtenden Faden, den man hinter sich herzieht. Dabei muss darauf geachtet werden die Säulen in der richtigen Reihenfolge anzusteuern. Gelingt dies, öffnet sich eine Tür und man kommt zum nächsten Level. Also eine Art Sci-Fi-Labyrinth des Minotaurus, nur… nun ja… ohne Minotaurus. Pro Anker gibt es in der Regel fünf solcher Level, die der Reihe nach an Schwierigkeit zunehmen.

Farben und Formen

Die Story borgt sich klassische Cyberpunk-Themen, wie Transhumanismus und übermächtige Firmen, um Spannung aufzubauen. Beispielsweise haben die Besatzungsmitglieder keine Namen, sondern nur zugewiesene Farben. Daher auch Wacholder. Diese Spannung steht in starkem Kontrast zu den meist farbenfrohen Puzzles und der an einigen Stellen in warmes Licht getauchten Umgebung des Raumschiffs. Dass dieser Widerspruch funktioniert liegt wohl unter anderem daran, dass die Geschichte physisch von den Rätseln getrennt ist. Denn, um mehr erfahren zu können muss man erst eine Konsole aufsuchen. Dieser Einfallsreichtum schlägt sich glücklicherweise auch in den Puzzles nieder. Insgesamt finden sich in Filament ungefähr 300 verschiedene Puzzles. Um die Rätsel interessant zu halten warten die Entwickler mit einer bunten Vielfalt an Variationen des ursprünglichen Rätsel-Prinzips auf: Etwa gibt es Level in denen man mehrere Roboter navigieren muss, oder Säulen die nur aktiviert werden wenn man sie mit einem Faden der richtigen Farbe umwickelt. Andere Säulenanordnungen wiederum gleichen Sternkonstellationen und die Schwierigkeit besteht in erster Linie darin, sich beim Umwickeln derselben nicht selbst den Weg abzuschneiden. Damit werden durchaus einige Stunden an Grübelei geboten. Eine Erklärung zu den Puzzles gibt es im Übrigen nicht. Dank der simplen Grundidee und graduell steigender Komplexität ist das in den meisten Fällen auch kein Problem. Manchen der Varianten hätte eine kurze Erklärung allerdings doch gut getan.

Entspannt der Verzweiflung entgegen

Insbesondere die späteren Levels werden durchaus sehr komplex. Wer ein bestimmtes Level partout nicht lösen kann, muss sich trotzdem keine allzu großen Sorgen machen. Man kann jederzeit zu einem anderen Anker laufen und sich an einem anderen Puzzle versuchen. Denn, um die Geschichte voranzutreiben müssen nicht alle Anker deaktiviert werden, es reicht eine gewisse Anzahl zu erreichen. Und diese wird in erster Linie in Form hastig zurückgelassener Habseligkeiten und im Level verstreuter Dokumente erzählt. Wird etwa ein Anker gesichert, findet man meistens eine Karte mit einem Muster darauf. Dieses Muster kann an einer beliebigen Konsole, von denen ebenfalls mehrere über das Raumschiff verstreut sind, eingegeben werden, um Zugriff auf Chatnachrichten und Logeinträge der Besatzung zu erhalten. Zusätzlich meldet sich gelegentlich Wacholder zu Wort. Wer besonders aufmerksam ist, kann auch noch in der Umgebung selbst Muster finden, die wiederum genutzt werden können, um mehr Information freizuschalten. Wobei einige davon schon sehr knifflig sind, was aber natürlich auch einen gewissen Reiz ausmacht. Der synthlastige Soundtrack passt zu der restlichen Ästhetik von Filament und klingt nicht schlecht. Die geringe Auswahl an unterschiedlichen Tracks fällt allerdings spätestens dann unangenehm auf, wenn man unausweichlich bei einem der Puzzles einfach nicht weiterkommt. Nach dem gefühlt hundertsten Versuch ein Level zu knacken, nervt der repetitive Sound dann doch.

Ärger im Paradies

Bei Grafik und Ästhetik von Filament gibt es wenig zu bemängeln. Die 3D-Ansicht von oben eröffnet eine stilisierte Welt in angenehmen Farbtönen. Vielleicht wirkt diese Welt schon etwas zu einladend, aber ohne zu viel verraten zu wollen würde genau dies jedoch zu der Geschichte passen, die hier erzählt wird. Sowohl Puzzles als auch Erkundung des Raumschiffs laufen wie zu erwarten sehr flüssig ab. Die Steuerung hat jedoch zwei erwähnenswerte Mankos: Zum Ersten ist die Mustereingabe, um Nachrichten und Logs auf Konsolen freizuschalten, aufgrund der geringen Größe recht fummelig. Das macht es etwas unangenehm mehrere Muster nacheinander einzugeben, was jedoch leicht vorkommt wenn man sich nicht nach jedem deaktivierten Anker sofort auf den Weg zur nächstgelegenen Konsole macht. Zweitens kann es bei manchen Puzzles passieren, dass der Faden an einer Kante in eine ungünstige Position rutscht und einem damit um wenige Pixel den Weg versperrt. In diesem Fall hilft es jedoch oft bereits das Teilstück ein paar Mal zu wiederholen, bis der Faden optimal hängen bleibt.

FAZIT

Filament schafft es, Puzzles zu liefern die zunächst reine Entspannung bieten, mit zunehmender Komplexität jedoch richtig knifflig werden. Gegen Ende könnte das für manche eventuell etwas zu viel werden. Allerdings müssen nicht alle Rätsel gelöst werden, um weiterzukommen. Besonders aufmerksame Spieler werden dafür mit zusätzlichen Herausforderungen belohnt. Die Geschichte die erzählt wird ist zu großen Teilen optional, wobei es durchaus lohnenswert ist in dieselbe einzutauchen und mehr über die Welt von Filament zu erfahren. Nicht zuletzt dank des spannenden, dystopischen Kontrasts den sie zur angenehmen, hellen Ästhetik der Umgebung bildet. Zu bemängeln sind in erster Linie kleinere Probleme bei der Steuerung, die zwar nervig sind, aber nicht tragisch. Auch der mittelmäßige Soundtrack kann auf Dauer nicht ganz mit der restlichen Qualität mithalten. Wer also einen soliden Puzzler in einem Sci-Fi-Setting sucht, wird mit Filament definitiv seine Freude haben.

Was ist Filament? Ein kniffliger Puzzler in einem Sci-Fi-Setting
Plattformen: Nintendo Switch, PC
Getestet: auf Nintendo Switch
Entwickler / Publisher: Beard Envy / KalypsoMediaGroup
Release: 08. Oktober 2020 (Switch)
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 7.6

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 6 | Handling: 6 | Spieldesign: 10 | Motivation: 8

Passende Beiträge

Planet Coaster 2 im Test

Little Big Adventure – Twinsen’s Quest im Test

LEGO Horizon Adventures im Test