Filmkritik: Alita: Battle Angel

Manga- bzw. Anime-Verfilmungen und Videospiel-Umsetzungen auf die große Leinwand haben eine markante Gemeinsamkeit: Sie missglücken in den allermeisten Fällen. Nicht alle sind völlige Desaster, manche schlagen sich sogar recht gut an den Kinokassen, aber als gelungene Umsetzung und zugleich guter Film lassen sich nur die allerwenigsten bezeichnen. James Cameron will das nun mit Alita: Battle Angel ändern, einem Herzensprojekt, das er seit den 90er-Jahren versucht zu realisieren.

INHALT

Dr. Ido, ein Spezialist für Cyber-Implantate und Körperteile, der immer wieder auf der riesigen Müllhalde vor Iron City nach Ersatzteilen und brauchbarer Elektronik such, findet eines Tages den Kopf eines scheinbar völlig zerstörten Androiden-Mädchens. Überrascht stellt er fest, dass ihr Gehirn in Takt und am Leben ist. Er entschließt sich, ihr den Körper, den er Jahre zuvor für seine eigene Tochter gebaut hat, zu spenden und weckt sie auf.

Da sich das Mädchen an nichts erinnern kann, gibt er ihr auch den Namen seiner Tochter, Alita. Wie ein Kind, entdeckt diese alle Aspekte des Lebens neu, doch schnell holt sie ihre Vergangenheit ein. Denn wie es scheint, ist Alita ein ganz besonderes Modell, eines dass der aktuellen Technologie weit überlegen ist und über Fähigkeiten verfügt, die nicht nur ihre Vorstellung übersteigen. Und das weckt nicht nur Interesse in der Unterwelt die mit Cyber-Technologie gute Geschäfte macht, sondern auch in Zalem, der sagenumwobenen Stadt im Himmel direkt über Iron City.

© 2019 Twentieth Century Fox

KRITIK

Wenn man den Film gesehen hat (oder die Manga-Vorlage kennt), wird einem schnell klar, warum Cameron so lange gebraucht hat, um diese Verfilmung Wirklichkeit werden zu lassen. Eine glaubwürdige Realisierung dieser weit entfernten Zukunft und vor allem der abenteuerlich designten Cyber-Körper, die viele der Charaktere zur Schau tragen, ist auch heute noch keine leichte Aufgabe. Zumindest nicht, ohne den ganz eigenen Charme des Mangas aufzugeben. Alles ein bisschen over the top, überlebensgroße Action und ebensolche Augen.

Die sind es auch, die nach den Trailern für den meisten Gesprächsstoff sorgten…Alitas übergroße Augen. Natürlich kann man sich an dem Design stören, doch wer es ablehnt „weil es nicht realistisch genug aussieht“, kritisiert am Thema vorbei. Alita soll nicht „echt“ aussehen, sondern eben nur fast echt, denn sie ist ja auch kein echter Mensch. Insofern funktioniert ihr Design ganz hervorragend. Das mädchenhafte an ihr ist natürlich ein bekanntes und oft belächeltes Stilmittel in Manga ganz allgemein, erfüllt hier aber sehr wohl auch einen narrativen Zweck.

So ist Alita: Battle Angel nicht nur als klassische Heldenreise zu sehen, sondern auch als eine sehr persönliche Geschichte der Protagonistin. Alita mag eine hochentwickelte Kampfmaschine sein, über das Leben weiß sie aber im Grunde gar nicht und lernt dessen Höhen und Tiefen erst nach und nach kennen. Im Grunde ist sie also ein keines Mädchen, das im Laufe der Handlung viel schneller als man ihr wünschen würde, gezwungen wird erwachsen zu werden. Womit wir gleich zum größten Makel von Alita kommen.

© 2019 Twentieth Century Fox

Die Story ist interessante Cyberpunk-Kost, die trotz ihres Alters (immerhin ist der Manga schon fast 30 Jahre alt) noch frisch wirkt und sich neben der eigentlichen Handlung mit sozialpolitischen und philosophischen Fragen beschäftigt. Auch die transportiert der Film zumindest im Ansatz, doch zu einem Preis. Denn so reicht es zwischen all der Action und dem Spektakel eben nur zu leisen Andeutungen, die nie vertieft werden. Auch die Emotionen leiden ein wenig unter dem Fakt, dass der Film einfach um eine Kleinigkeit zu „voll“ ist.

All das soll nicht heißen, dass der Film wirklich überladen oder gehetzt erscheint, wie zuletzt Mortal Engines. Hier lässt sich den Abläufen wunderbar folgen, auch wenn einen das durchgängige Pacing ohne Pause auf Trab hält. Und natürlich die gewaltigen Action-Sequenzen. Seinen es brutale Kämpfe gegen übermächtige Cyborgs oder die halsbrecherischen Gefechte des im 26. Jahrhundert gefeierten Sports Motorball. Das Ende mag dem einen oder anderen etwas unbefriedigend erscheinen, da es fast schon als Cliffhanger bezeichnet werden kann, auch wenn die eigentlichen Handlungsstränge durchaus abgeschlossen sind.

Zurück zur Action und damit unweigerlich auch zur technischen Umsetzung. Auch wenn Cameron die Regie an den Routinier Robert Rodriguez abgegeben hat, ist seine Handschrift doch eindeutig zu erkennen. Der Vorreiter, was visuelle Effekte und optische Brillanz angeht, enttäuscht auch mit Alita: Battle Angel nicht. Ob nun die lebendigen Sets, die teils aberwitzigen Cyborg-Designs oder eben die atemberaubenden Action-Momente. Allen voran aber beeindruckt das Herzstück des Films: Alita selbst.

© 2019 Twentieth Century Fox

Von der jungen Schauspielerin Rosa Salazar dargestellt, im fertigen Film aber gänzlich per CGI in das Androiden-Mädchen verwandelt, stellt Alita die neue Königsklasse an gänzlich im Computer entstandenen Charakteren dar. Die eingangs erwähnte „Unechtheit“ ihres Designs verfliegt nach den ersten Momenten ihres Erwachens und man bevor man sich versieht, hat man vergessen, dass man hier keinen gewöhnlichen Menschen vor Augen hat. Vor allem die Ausdruckskraft der Gesichtsanimationen sind atemberaubend, zum Teil aber sicher auch der hervorragenden Arbeit der Darstellerin geschuldet.

Die restlichen (menschlichen) Rollen sind prominent und durchwegs gut besetzt. Allen voran kann Christoph Waltz als Dr. Ido überzeugen. Einziger Schwachpunkt ist Keean Johnson, der es als Love-Interest Hugo nicht ganz schafft, die ohnehin etwas zu flott abgehandelte Romanze zu transportieren. Auf ein weiteres prominentes Gesicht trifft man ganz am Ende in Form des vermeidlichen Antagonisten, doch diese Überraschung möchte ich dem geneigten Publikum nicht nehmen. Zuletzt wäre noch anzumerken, dass Regisseur Rodriguez sehr gute Arbeit geleistet hat, auch wenn nicht ganz klar ist wie viel Einfluss Cameron auf die Produktion genommen hat. Schnitt und Kamera sind ausgezeichnet, ebenso wie das Sounddesign. Die Musik ist gelungen, jedoch wären dem Film noch ein wenig mehr Extravaganz und Exotik zum Gesicht gestanden, als klassischer Orchestral-Pomp.

© 2019 Twentieth Century Fox

FAZIT

Alita: Battle Angel ist nicht nur ein optisch beeindruckendes Sci-Fi Spektakel geworden, sondern auch endlich eine gelungene, groß-angelegte Verfilmung einer Manga-Vorlage, die es schafft, die visuellen Eigenheiten des Mediums, sowie auch die Handlung so gut wie unbeschadet zu portieren. Auch wenn einige interessante Aspekte des Originals hier aus Zeit nur angeschnitten werden können und der Film teilweise ein wenig hadert, alles unterzubringen, bleibt am Ende trotzdem ein vor allem auf der großen Leinwand sehenswertes Action-Feuerwerk mit mehr Gefühl und Tiefgang als man ihm vielleicht zutrauen möchte.

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