Filmkritik: Auslöschung

Alex Garland  ist eigentlich als Autor von Romanen (The Beach), Videospielen (Enslaved) und Filmen (28 Days Later, Sunshine, oder auch Dredd) bekannt, hat aber vor 4 Jahren mit seinem Regiedebut für gehöriges Aufsehen gesorgt. Ex Machina war ein intelligenter und visuell toll umgesetzter Science-Fiction Film, der nicht nur bei Kritik und Publikum äußerst gut angekommen ist, sondern nebenher auch noch Alicia Vikander und Oscar Isaac zu Stars gemacht hat. Auch sein neuer Film, Auslöschung, hat für viel Wirbel in der Branche gesorgt, doch leider aus all den falschen Gründen.

INHALT

Nachdem Lenas Ehemann, von dem sie seit einem Jahr nichts gehört hat, verwirrt und offensichtlich krank wie aus heiterem Himmel Zuhause auftaucht, ändert sich das Leben der ehemaligen Soldatin und Biologie-Professorin schlagartig.

Auf dem Weg ins Krankenhaus werden die beiden von Männern in schwarzen Limousinen abgefangen, betäubt und an einen unbekannten Ort gebracht. In der geheimen Einrichtung, in die sie gebracht werden, erfährt Lena vom sogenannten Schimmer. Dabei handelt es sich um eine sich stetig ausbreitende Region im Sumpfgebiet Floridas. Seit drei Jahren werden Erkundungstrupps in den Schimmer geschickt und Lenas Mann ist der erste der jemals wieder herausgekommen ist.

Ohne groß zu überlegen meldet sich Lena für die nächste Tour in den Schimmer, in der Hoffnung herauszufinden, was mit ihrem Mann dort passiert war und vielleicht einen Weg zu finden ihm zu helfen, da sich sein Zustand von Tag zu Tag zu verschlechtern scheint. Doch die Wunder, Schrecken und Erkenntnisse, die im Schimmer auf sie warten, kann sie nicht einmal im Traum voraussehen.

Left to right: Natalie Portman and Oscar Isaac in ANNIHILATION, from Paramount Pictures and Skydance.

KRITIK

Man könnte Auslöschung als Falle für den Zuschauer bezeichnen, die einen zu Beginn mit vielen Erklärungen einlullt und damit den Eindruck vermittelt, ein relativ gewöhnlicher Sci-Fi Horrorfilm zu sein. Auch der erste Teil der Reise unserer 5 Wissenschaftlerinnen in den Schimmer scheint den Eindruck noch zu unterstützen. Doch je tiefer die Frauen in das mysteriöse Gebiet eindringen, umso abstrakter und verwirrender werden nicht nur ihre Entdeckungen, sondern auch der Film an sich.

Das Ganze kulminiert dann in einem finalen Akt, der nicht nur komplett auf jegliche Erklärung verzichtet, sondern generell so gut wie ohne Dialog auskommt. Als Zuschauer bleibt man mit einem Kopf voller Fragen und Ideen zurück und genau das ist es, was Auslöschung ausmacht. Filme, die ihrem Publikum eine  gewisse Intelligenz zusprechen und ihm zutrauen diese auch nutzen zu wollen sind viel zu selten geworden.

Auch wenn der Film mehr oder weniger ganz oberflächlich als reiner Alien-Invasion Film funktioniert, will er doch viel mehr. Er beschäftigt sich mit tief philosophischen Fragen um Zerstörung, sowohl als Ende als auch als Neubeginn. Wissenschaftliche Theorien werden genauso angeschnitten wie uralte buddhistische Lehren. Was man aus all dem macht und zu welchen Schlüssen man kommt, bleibt einem selbst überlassen.

Left to right: Natalie Portman and Tessa Thompson in ANNIHILATION, from Paramount Pictures and Skydance.

Das mag alles sehr kopflastig klingen, doch kommt der Horror-Aspekt, der in den Trailern sehr prominent hervorgehoben wurde, nicht zu kurz. Die Art und Weise, wie sich der Schimmer auf die Organismen in ihm auswirkt, führt zu einigen, teils recht verstörenden Momenten. Und diese sind, wie der gesamte Film, visuell exzellent umgesetzt. Die unwirklich farbenfrohe Welt im Schimmer ist ein wunderbarer Kontrast zu den grausigen Dingen die dort passieren und wirft zugleich weitere Fragen auf.

Genau wie Handlung und visuelle Aufbereitung vollführt auch der Soundtrack eine Reise ins Abstrakte. Wenn in der ersten Hälfte noch Folk-Klänge überwiegen, die man im Süden der USA erwarten würde, werden die Sounds später immer unwirklicher und im Finale zu einem synthetischen Geräusch-Gewirr, das wahrlich nicht von dieser Welt zu sein scheint.

Schauspielerisch gibt es nichts zu kritisieren. Natalie Portman kommt mit der Darstellung der sehr komplexen Lena wunderbar zurecht und auch ihre Kolleginnen sind sehr gut. Ganz besonders Jennifer Jason Leigh als Leiterin der Expedition liefert eine beeindruckende Leistung ab. Nicht vergessen sollte man auch Oscar Isaak, der zwar nicht viel Screen-Time hat, dafür aber eine sehr schwierige Rolle zu spielen hat und diese bravourös meistert.

Der eingangs erwähnte Wirbel um den Film hat leider gar nichts mit seinem Inhalt, seinen Aussagen oder seiner Qualität zu tun. Es geht dabei um die Entscheidung Paramounts, den Film aus Angst vor einem Flop an Netflix zu verkaufen. Was dieser Präzedenzfall für Folgen für die Film- und Kinolandschaft haben könnte, ist unbestreitbar ein interessantes Thema. Doch ist es eine Schande, dass die Diskussion um seine Veröffentlichung kaum Raum lässt, über den Film selbst zu sprechen, denn er hätte es verdient.

Gina Rodriguez, Jennifer Jason Leigh, Natalie Portman, Tessa Thompson and Tuva Novotnyin Annihilation from Paramount Pictures and Skydance.

FAZIT

Mit Auslöschung liefert Alex Garland einen intelligenten Sci-Fi Horrorfilm ab, der sich mit weitgreifenden Themen befasst und viele Fragen stellt, ohne sie beantworten zu wollen. Dazu kommt eine toll gelungene audio-visuelle Umsetzung, ein hervorragender Cast und ein bis ins kleinste Detail durchdachter Schnitt. Immer wieder fühlt man sich an die ganz großen Kunstwerke eines Tarkovsky erinnert und genau hier liegt der größte Makel von Auslöschung: Er will kein reiner Arthouse Film sein, sondern ein unterhaltsamer Science-Fiction Film und gleichzeitig ein intellektuelles Kunstwerk. Beides schafft er am Ende leider nicht ganz, kommt der Sache aber beeindruckend nahe.

Passende Beiträge

Nur noch wenige Tage bis zur Vienna Comic Con 2024

Planet Coaster 2 im Test

Little Big Adventure – Twinsen’s Quest im Test