Filmkritik: Death Wish

Es war einmal vor langer Zeit, im Jahr 1974 um genau zu sein, da sorgte ein Film namens „Ein Mann sieht Rot“ (im Original Death Wish) für gehöriges Aufsehen. Dieser Film, mit Charles Bronson in der Hauptrolle, begründete damals mehr oder weniger das bis heute umstrittene Genre des Rache-Thrillers. Nun, gefühlt hunderte Klone und eine Handvoll Perlen später, kommt ein tatsächliches Remake des viel diskutierten Films in die Kinos und wieder scheidet die heikle Thematik die Geister mehr, als die Qualität des Films. Denn die ist, beim neuen Death Wish, leider kaum der Rede wert.

INHALT

Dr. Paul Kersey ist Notfall-Chirurg in einem großen Krankenhaus in Chicago, wo die Gewaltverbrechen Tag für Tag zunehmen. Die Welt des ruhigen und ordnungsliebenden Mannes bricht in sich zusammen als seine Frau und seine Tochter aufgrund eines Einbruch im eigenen Haus, bei ihm in der Notaufnahme eingeliefert werden.

Nach dem ersten Schock und den Schuldgefühlen seiner Familie gegenüber, kommt der Frust über die Handlungsunfähigkeit der überforderten Polizei und schließlich der Hass auf jene, die ihm alles genommen haben. Und so fasst Kersey den Entschluss, sich selbst auf Verbrecherjagd zu begeben, um anderen sein Schicksal zu ersparen und früher oder später vielleicht auf die Täter zu stoßen, die sein Leben aus der Bahn geworfen haben.

© 2018 Universum Film

KRITIK

Die wichtigste Voraussetzung, die ein Film zu einem so sensiblen Thema wie Selbstjustiz erfüllen muss, ist zu wissen was er sein will. Ein sozialkritischer Blick auf eine immer mehr verrohende Gesellschaft? Ein Statement zur vielzitierten Waffen-Vernarrtheit der Amerikaner? Ein simpler, gewalttätiger Exploitation-Film? Eine Satire? All das und noch mehr wären Möglichkeiten an die Sache heranzugehen, und alle könnten funktionieren. Was allerdings nicht funktionieren kann, ist einfach von alledem ein kleines bisschen herauszupicken und dann in beliebiger Reihenfolge aneinander zu schneiden.

Während die wirr in den Film geschnittenen Radio- und TV-Clips versuchen ein wenig Social Commentary ins Spiel zu bringen, springt die eigentliche Handlung zwischen sich ernst nehmenden Thriller, Gewaltorgie und Psychogramm eines traumatisierten Mannes unablässig hin und her. Dazwischen werden dann noch ein paar der Action-Sequenzen mit komischen Momenten geschmückt, um dem Film endgültig so etwas wie eine kohärente, tonale Identität zu nehmen.

© 2018 Universum Film

Vielleicht hätte aus diesem abstrusen Mischmasch in den Händen eines großartigen Regisseurs, der es versteht nuanciert solche tonalen Brüche zu verweben (Martin McDonagh fällt mir spontan ein, der genau daraus sein Markenzeichen gemacht hat und gerade mit Three Billboards outside Ebbing, Missouri Nominierungen und Preise abräumt), ein guter Film werden können. Eli Roth ist allerdings nicht für seine Feinfühligkeit bekannt. Sein Metier ist das Gewalt- und Schock-Kino und er war mit Hostel Mitbegründer des Torture Porn-Hypes.

Leider kann der Film nicht mal in dieser Richtung überzeugen. Während einige von Pauls Hinrichtungen fast schon comichaft blutig und brutal dargestellt werden, fehlt Death Wish für einen echten Exploitation-Movie der Schneid und der Wille Grenzen zu überschreiten. Was zu dieser Gattung Film allerdings wunderbar passen würde ist das hanebüchene Drehbuch, womit wir beim zweiten großen Problem wären.

Die viel zu große Menge an praktischen Zufällen (wie die aus der Tasche eines auf dem Operationstisch liegenden Gang-Mitgliedes fallende, unregistrierte Waffe, die niemand außer Paul bemerkt) und die in einer Zeit voller Handy- und Überwachungskameras viel zu unglaubwürdige Tatsache, dass ein mehrfacher Killer nur aufgrund des Tragens eines Hoodies nicht gefunden werden kann, sind nur der Anfang. Die teils dummen, teils einfach nur unglaubwürdigen Charaktere sind es, was das Script wirklich in die Lächerlichkeit abdriften lässt.

© 2018 Universum Film

Da wären die klischeehaften Cops, die zwar darüber jammern mit all den Fällen überfordert zu sein, aber dann doch die Zeit finden rund um die Uhr nach dem mysteriösen Gangster-Killer zu suchen. Die Tochter, die im Angesicht des Todes Dinge tut, die einen einfach nur den Kopf schütteln lassen. Und zu guter Letzt Paul selbst, dessen Wandel vom gesetzestreuen, gut-bürgerlichen und regelrecht pazifistischen Familienvater zum kaltblütigen Killer, lächerlich und klischeehaft wirkt.

Womit wir zur Besetzung kommen und damit zum letzten der herausstechenden Probleme: namentlich Bruce Willis. Es ist schwer zu sagen, warum der Mann seit einigen Jahren aufgehört hat sich Mühe zu geben (sowohl was Rollenauswahl, als auch Schauspiel angeht), aber es war nie so offensichtlich wie hier. Die Szenen in denen es seine Mimik schafft, den emotionalen Ton des gezeigten zu treffen, lassen sich an einer Hand abzählen und während es einem wirklich schwer fällt ihm den gebrochenen Mann der ersten Hälfte des Films abzukaufen, wird er danach plötzlich zu einer Art durchgedrehtem John McClane.

Der Rest der Besetzung tut ihren Job, wobei die meisten aber, wie oben erwähnt, keine Chance gegen ihre mies geschriebenen Charaktere haben. Einziger Lichtblick ist Vincent D’Onofrio, der in der Rolle von Pauls Bruder nicht nur die einzige wirklich sympathische Rolle einnimmt, sondern diese auch wunderbar trägt. Überhaupt ist es sehr erfrischend, den Mann mal nicht in seiner Standard-Rolle als Bösewicht zu sehen.

Technisch ist der Film in Ordnung und es sollte lobend erwähnt werden, dass die paar blutrünstigen Special-Effects tatsächlich handgemacht zu sein scheinen. Das sieht man in der heutigen Zeit leider viel zu selten und ist wohl dem Regisseur Roth und seiner Vorgeschichte im Low Budget-Film geschuldet. Der Soundtrack der mit einer Menge Ghetto-Hiphop versucht zeitgemäß zu sein, hat den Zug aber wohl verpasst. Kamera und Schnitt erfüllen ihren Zweck, viel mehr ist darüber aber nicht zu sagen.

© 2018 Universum Film

FAZIT

Wenn man all die aktuellen Diskussionen über Waffengesetze, Amokläufe und Selbstjustiz außen vorlässt und Death Wish einfach nur als Film bewertet, merkt man schnell, dass er all das Gerede gar nicht wert ist. Was wir hier vor uns haben ist ein – im allerbesten Fall – gerade mal mittelmäßiger Rache-Thriller, der es nur wegen seinem Hauptdarsteller und vielleicht aufgrund des kultigen Originals ins Kino geschafft hat. Der ständige tonale Wechsel zwischen ernsthaft und komisch, sozial relevant und einfach nur gewalttätig, grotesk und dann doch fast wieder ein wenig tiefsinnig, lässt das Gesamtwerk gerade mal so am Abgrund der Lächerlichkeit vorbeischrammen. Bis es von den grottigen Charakteren und Willis‘ trauriger Leistung dann doch hineingerissen wird.

Passende Beiträge

Call of Duty®: Black Ops 6 im Test

Life is Strange: Double Exposure im Test

PRIM im Test