Der Kampf die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen ist weit über hundert Jahre alt und ist abhängig davon wen man fragt, auch heute noch voll im Gange und gerechtfertigt. Dieser Kampf hat viele bemerkenswerte Personen und Geschichten hervorgebracht, die es verdient haben, in Erinnerung gerufen zu werden. Ruth Bader Ginsburg ist eine dieser Personen und ihre Geschichte kann nun in dem brandneuen Biopic Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit im Kino nacherzählt bekommen.
INHALT
In den 50er Jahren ist Ruth eine der ersten Frauen, die zur renommierten Elite-Uni Harvard zugelassen wird, um dort Juristin zu werden. Ihr großer Traum ist es die im teils lange überholten, amerikanischen Recht festgeschrieben Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern aufzubrechen. Die junge Mutter wird kaum ernst genommen, straft jedoch alle Zweifler lügen und schließt als Jahrgangs-beste ab. Doch selbst mit ihrem Abschluss in der Tasche bleibt ihr der Traum verwehrt, denn keine der renommierten Kanzleien in New York ist bereit eine Frau als Anwältin einzustellen, während ihr Mann, der ebenfalls in Harvard abgeschlossen hat, vom Fleck weg einen Top-Job abstaubt.
Zerknirscht begnügt sich Ruth mit dem Angebot an der örtlichen Uni eine Professur anzunehmen und fokussiert ihre Energien darauf, die nächste Generation von Anwälten und Anwältinnen darauf vorzubereiten zu tun, was ihr scheinbar nicht möglich ist. Als Anfang der 70er die Hippie-Bewegung anbricht und die Tochter des Hauses mit weit radikaleren Ideen ankommt als es sich Ruth je erträumt hätte, belebt das ihren verloren geglaubten Kampfgeist wieder. Zudem wird sie über ihren Mann auf einen Fall des Berufungs-Gerichts aufmerksam, mit dem sie die einmalige Chance sieht, für einen das veraltete Recht erschütternden, Präzedenzfall zu sorgen.
KRITIK
Biopics sind so eine Sache. Es gilt den schmalen Grat zwischen dramaturgisch interessanter Nacherzählung und den trockenen Tatsachen wandeln. Während sich hier viele in langweiligen Details verzetteln, verzichten andere auf eine allzu realitätsnahe Darstellung, zugunsten des Unterhaltungswertes. Die Berufung hält hier, soweit man das Laie der Justiz-Geschichte der USA beurteilen kann, die Waage augenscheinlich ganz gut, auch wenn der Film ganz klar zur letzteren Sparte tendiert. Die Handlung bleibt durchgehend interessant und juristische Feinheiten, die ein nicht vom Fach kommendes Publikum überfordern könnten, werden minimal gehalten.
Die erste Hürde nimmt der Film also noch problemlos. Schwieriger wird die Sache aber wenn es um die Kernaussage geht. So achtens- und bewundernswert Ruth Ginsburgs Person und Lebenswerk (wurde sie doch in den 90er Jahren gar in den Supreme-Court, den Obersten Gerichtshof, berufen) bestimmt ist, fällt dem aufmerksamen Zuschauer aber doch eine Sache auf, die der Film konsequent ignoriert. Ginsburg war offensichtlich eine mehr als nur privilegierte Frau. Auch heute noch ist es für eine Mittelschicht-Familie mit einem kleinen Kind finanziell kaum möglich, dass beide Elternteile studieren, schon gar nicht an einer Elite-Uni in den USA. Und auch später, als Top-Anwalt und Professorin, dürfte die Familie Ginsburg viele der Sorgen für die Ruth spricht, gar nicht kennen.
Das soll bitte nicht als Kritik an der Person verstanden werden. Jedoch leidet die Glaubwürdigkeit des Films darunter, dass dieses Thema zu keinem Zeitpunkt auch nur angedeutet wird. Ein ausgefülltes Familienleben, trotz der anspruchsvollen Jobs beider Elternteile. Keine Kindermädchen oder Babysitter weit und breit, ja sogar gekocht wird regelmäßig zusammen. Der Film vermittelt einfach ein weitestgehend unrealistisches Bild einer Familie wie dieser, nicht nur für die 70er. Entweder waren die beiden nie Zuhause bei ihren Kindern, oder sie waren bei weitem nicht so erfolgreich und engagiert wie dargestellt…beides kaufe ich dem Film nicht ab.
Abgesehen davon funktioniert die Sache durchaus gut. Die Besetzung macht ihre Arbeit ganz gut und ganz besonders Felicity Jones sei ein Lob ausgesprochen. Sie haucht der zwischen ihren anerzogenen Verhaltensmustern und ihrer fortschrittlichen Denkweise zerrissenen Ruth, glaubwürdig Leben ein. Justin Theroux als Menschenrechts- und Gleichberechtigunganwalt fällt ebenfalls noch positiv durch seine vielschichtige Darstellung auf. Armie Hammer wirkt als Ruths Ehemann Martin fast schon zu gut um wahr zu sein, er hat absolut keine Ecken oder Kanten und bleibt in jeder Situation der Strahlemann…sollte das eine akkurate Darstellung des Martin Ginsburg sein, möchte ich mich hiermit höflichst bei ihm entschuldigen. Falls nicht, hätte ich mir ein bisschen mehr Charakter für ihn gewünscht.
Vom handwerklichen Standpunkt aus gibt es kaum etwas an Die Berufung auszusetzen. Der Film ist kompetent und fehlerfrei fotografiert und geschnitten. Gleiches kann man über die Regie sagen, jedoch darf man sich in keinem der Bereiche irgendwelche Experimente erwarten. In dem Genre erwartet auch niemand mehr als traditionell aufgearbeitete Bilder. Special Effects gibt es auch keine, dafür ein sehr schönes Set- und Kostümdesign, angesiedelt in den 50er bzw. 70er Jahren. Die Musik hat sich weder im positiven noch im negativen eingeprägt und verschenkt die Möglichkeit mit Klassikern der jeweiligen Jahrzehnte auf sich aufmerksam zu machen.
FAZIT
Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit ist vor allem für jene, die sich für das Thema interessieren, ein durchaus sehenswerter Film. Auch wenn einige Fragen, vor allem zum Familienleben der Ginburgs, geflissentlich unbeantwortet bleiben, ist die Geschichte an sich doch ein spannendes Zeitdokument aus einer noch gar nicht mal so lange zurückliegenden Vergangenheit. Kompetent umgesetzt und überzeugend gespielt, wird der Film aber wohl trotzdem niemanden ins Kino locken, der nicht ein besonderes Interesse an der Thematik, oder Biopics im Allgemeinen hat. Vor allem auch weil man hierzulande wenig Bezug zum amerikanischen Gesetzeslage und den Personen hat, was die Wirkung des Ganzen sicher schmälert.