Filmkritik: Doctor Sleeps Erwachen

Fast 40 Jahre nach Stanley Kubricks damals kontroverser, aber heute gemeinhin als Meisterwerk angesehener Adaption des Bestsellers von Stephen King The Shining, kommt nun eine Fortsetzung in die Kinos. Auch die Vorlage zu Doctor Sleeps Erwachen stammt aus der Feder des Horror-Altmeisters und der neue Film verspricht, sowohl den Büchern als auch Kubricks Werk, gerecht zu werden. Kann das überhaupt funktionieren?

INHALT

Dan Torrance hat ein schweres Los. Nicht nur hat er massive Probleme damit sein Kindheitstrauma rund um den Tod seines Vaters zu verarbeiten, auch seine besondere Gabe, das Shining, macht ihm sein ganzes Leben lang zu schaffen. Nach Jahren der Selbstzerstörung mit Alkohol und Drogen, kommt er endlich in einem abgelegenen Städtchen zur Ruhe und glaubt nun endlich seinen Frieden gefunden zu haben. Bis plötzlich das ebenfalls Shining-begabte Mädchen Abra mit ihm mental Kontakt aufnimmt.

Was zunächst als harmlose Freundschaft beginnt, wird schnell zu bitterem Ernst, also ihm Abra mitteilt, dass eine Gruppe bösartiger Gestalten scheinbar durch die Lande zieht, um nach Kindern mit dem Shining zu suchen. Diese uralten, skrupellosen Kreaturen scheinen sich von der Angst und den Schmerzen solcher Kinder zu ernähren. Auch die haben das Shining und so kann nicht nur Abra sie sehen, sondern auch deren Anführerin Rose sieht das Mädchen und will unbedingt an dessen mächtiges Shining. So beginnt ein Wettlauf mit der Zeit und Dan muss seinen alten Dämonen stellen, im Abra helfen zu können.

© 2019 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC.

KRITIK

Wer auch immer es für eine gute Idee hielt, dieses Material zu verfilmen, sollte keine Budget-Entscheidungen in Hollywood treffen. Es erschließt sich dem Betrachter nie ganz, für welches Publikum dieser Film eigentlich bestimmt sein soll. Den meisten Menschen ist wohl am ehesten der Film von 1980 ein Begriff. Der wird zwar heutzutage von der Kritik als Meisterwerk gefeiert und hat eine große Fangemeinde, ein Publikumsfilm war er aber nie. Dazu kommt, dass nur Eingeweihte King Leser überhaupt wissen, dass es sich hierbei um eine Fortsetzung handelt. Der Titel gibt keine Hinweise darauf und das kaum existente Marketing hat das auch nicht unbedingt klar gemacht.

So bekommt die Fangemeinde des alten Films ein seltsam konstruiertes „Anhängsel“, dass zwar auf bekannte Versatzstücke zurückgreift, aber eine völlig neue und eigenständige Geschichte erzählt, in der eben zufällig auch Dan Torrance vorkommt. Neulinge wiederum dürfen sich über die gesamte Länge hinweg fragen, was es denn eigentlich mit dieser seltsamen nackten Frau und diesem Hotel auf sich hat. Das Argument, das eine Fortsetzung eben ein gewisses Hintergrundwissen voraussetzt, greift hier nicht wirklich, denn die eigentliche Handlung könnte problemlos ohne jeden Bezug zum Vorgänger erzählt werden.

Überhaupt wirkt die Story, trotz interessanter Grundidee, so als ob man zwanghaft versucht hätte, sie mit der aus The Shining zu verweben. Nötig hat sie es nicht, denn das Setup rund um eine Kommune einer Art Vampire, die sich von ganz besonderen Opfern ernähren, könnte ganz problemlos für sich genommen funktionieren. Nur leider haben die eben so gar nichts mit dem Overlook Hotel und den dortigen Geschehnissen zu tun. So wirkt der gesamte dritte Akt von Doctor Sleeps Erwachen wie ein gigantischer Fanservice-Akt, ohne nachvollziehbaren, narrativen Hintergrund. Dazu kommt, dass trotz der offensichtlichen Mühe, die Sets von damals haargenau nachzustellen, zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise dieselbe Atmosphäre aufkommt. In manchen Momenten sogar eher Mitleid.

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Die zwanghafte Verknüpfung mit The Shining macht den Film zugleich auch viel zu lang. Die ersten 20 Minuten sind komplett dazu verdammt Dan, seine Vorgeschichte und seinen Werdegang zu erzählen. Auch das Pacing wird dadurch gestört. Immer wieder auftauchende, packende Momente werden durch zähe Rückblenden und Querverweise auf Dans Schicksal, zunichte gemacht. Und zu guter Letzt fehlt dem Film so die Zeit, sich eingehend mit den an sich wahnsinnig interessanten Antagonisten auseinanderzusetzen.

Die Besetzung kann dagegen durchaus überzeugen. Ewan McGregor holt auch aus den miesesten Rollen etwas heraus und macht seine Sache sehr gut, auch wenn sein Part mit fortschreitender Laufzeit immer weniger nachvollziehbar wird. Ein Highlight ist die wunderbare Rebecca Ferguson als Anführerin der Schurken, Rosie The Hat. Charismatisch und mit einer unglaublichen Präsenz, flößt sie einem schon Furcht ein, bevor man überhaupt weiß, wozu sie fähig ist. Kyliegh Curran macht ein für ihr Alter gute Figur als Abra, stolpert aber das eine oder andere Mal durch schwierige Passagen. Der Rest der Besetzung fällt nicht weiter auf, hat aber auch kaum etwas zu tun.

Auch die technische Umsetzung ist nicht fehlerfrei. So könnte der Schnitt um einiges straffer sein und die Inszenierung versucht verzweifelt, das Original zu imitieren, ohne jede Chance auch nur in dessen Nähe zu kommen. Die Special Effects gehen zwar in Ordnung, man kann ihnen aber ansehen, dass hier kein übergroßes Budget in die Hand genommen wurde. Die musikalische Untermalung funktioniert, auch wenn sie an mancher Stelle ein wenig zu sehr in den Vordergrund tritt. Keiner der Bereiche wird zur Katastrophe, wirklich gut gelungen sie sie aber allesamt nicht.

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FAZIT

Wäre dies ein eigenständiger Film, ohne Zusammenhang mit dem großen Ahnen, hätte es ein atmosphärischer Horrorfilm mit ein paar wirklich spannenden Ideen werden können. Die Anbindung an The Shining kostet Doctor Sleeps Erwachen allerdings wahnsinnig viel seiner Laufzeit, ohne das je durch einen tieferen Hintergrund zu rechtfertigen. Zudem wird der Film damit automatisch mit dem großen Original verglichen. Und das ist ein Schatten, aus dem es fast unmöglich ist, hervorzutreten. Leider bleibt so nur ein recht unausgegorenes Stück Horror-Kino übrig, das in keinem Bereich so richtig überzeugen kann.

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