Filmkritik: Dunkirk

Christopher Nolan ist wohl einer der angesehenste Regisseur in Hollywoods „junger“ Riege. Einige seiner Filme zählen mit zum Besten was die vergangenen rund 15 Jahre zu bieten hatten, zumindest wenn man sich auf Mainstream-Kinoproduktionen beschränkt. Als bekannt wurde, dass Nolan plant einen Kriegsfilm zu realisieren, hat das zunächst für Erstaunen gesorgt. Untypischer konnte das Projekt nicht sein, für den Mann, den gerade seine selbsterdachten (und im Falle seiner Batman-Filme, zumindest selbst aus dem unerschöpflichen Fundus bei DC-Comics zusammengetragenen), komplexen Geschichten groß gemacht hatten. Kann er das? Wird das funktionieren?

Handlung

Ende Mai 1940 waren fast 400.000 britische, französische und belgische Soldaten in der kleinen französischen Küstenstadt Dürnkirchen (die Briten nennen es Dunkirk) von den Deutschen eingekesselt. Während in erster Linie die französischen Truppen versuchten die Stadt zu halten war die britische Marine an der Küste damit beschäftigt so viele Soldaten wie nur irgend möglich zu evakuieren. Von ständigen Luftangriffen am Strand und U-Boot Beschuss auf die zu Hilfe eilenden Schiffe sabotiert sollte diese, ungefähr eine Woche andauernde, Rettungsaktion zu einer der wohl dramatischsten Momente eines fürchterlichen Krieges werden.

Der Film erzählt die Ereignisse dieser Woche aus mehreren Perspektiven. Da wären eine Handvoll einfacher britischer Bodensoldaten die einfach nur von dort wegwollen, eine Einheit Spitfire-Piloten die auf dem Weg über den Ärmelkanal alliierte Schiffe vor Luftangriffen schützen soll, oder ein Bootsbesitzer in einem kleinen englischen Küstenort, der dem Aufruf der Marine folgt und sich auf den Weg nach Dürnkirchen macht, um zu helfen.

Bildnachweis: © 2017 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC.

Kritik

Wenn man sich ein bisschen mit Nolans Filmen befasst, kommt man recht schnell dahinter, dass ihm in erster Linie die Geschichte, die er versucht zu erzählen, wichtig ist. Charaktere sind für ihn nur Vehikel um seine Story voranzutreiben und werden daher auch nur vielschichtig ausgebaut, wenn es dramaturgisch nötig ist. Das ist nichts grundsätzlich Schlechtes, lässt aber viele seiner Charaktere relativ flach zurück, während andere an Komplexität kaum zu überbieten sind. Ungewöhnliche Erzählstrukturen sind wohl das auffälligste seiner Steckenpferde, denn während fast alle seiner Filme im Grunde ganz simple Geschichten erzählen und Aussagen vermitteln, werden sie erst durch die Art und Weise, wie er sie aufbaut, zu komplexen Konstrukten.

Unter diesen Gesichtspunkten überrascht seine Entscheidung, die Ereignisse von Dürnkirchen zu verfilmen, gar nicht mehr so sehr. Hier kann er sich fast ausschließlich dem „was passiert“ widmen, ohne sich groß um das „wer“ oder „warum“ kümmern zu müssen. Denn genau das macht Nolan hier so konsequent wie mir das noch in keinem Kriegsfilm zuvor untergekommen ist: Er erzählt nicht die Geschichte eines Soldaten, gibt keine Statements über Sinn oder Unsinn der Ereignisse ab und verliert sich nicht in den politischen Hintergründen von damals. Sogar den „Bösewicht“, also die Deutschen, blendet er weitestgehend aus, denn der wahre Bösewicht ist der Krieg an sich. Alles was er tut, ist seinem Publikum zu zeigen, was damals an dieser Küste im Jahre 1940 passiert ist.

Und eben diese Kompromisslosigkeit wird die Geister scheiden, was Dunkirk betrifft. Wir sind es von Filmen gewohnt, dass sich ihre Geschichten um einen zentralen Charakter drehen. Der ist unser Bezugspunkt und Aufhänger um den herum sich die Ereignisse entfalten. Der einzige Hauptcharakter hier ist das Ereignis selbst. Alles andere, von den handelnden Personen, über die Schauplätze bis zu den gewaltigen Bildern, dient nur um uns einen Eindruck des damals geschehenen zu geben. Das lässt den Film streckenweise mehr wie eine Dokumentation als einen Spielfilm wirken und mag damit manchem Zuschauer sauer aufstoßen. Doch genau diese Herangehensweise ist es, die Dunkirk von einem guten, zu einem außergewöhnlichen Film werden lässt.

Auch in diesem Film kann es Nolan allerdings nicht lassen, sein Händchen für ungewöhnliche Erzählstrukturen zu beweisen. Subtiler als sonst von ihm gewohnt, aber genauso wirkungsvoll. Die nicht minder wichtigen Nebenakteure in Dunkirk sind die wundervoll und schrecklich zugleich komponierten Bilder, sowie das Sounddesign und Hans Zimmers Soundtrack. Letzterer schafft es, im Vergleich zu vorangegangenen Nolan-Filmen, sich diesmal perfekt ins Gesamtbild einzufügen und es nicht zu übertönen, wie das zum Beispiel bei Inception mitunter der Fall war.

Neben Quentin Tarantino ist Christopher Nolan einer der letzten Verfechter analoger Kameratechnik, und so präsentiert sich auch sein jüngstes Werk wieder im 70mm IMAX Format. Und genau so sollte man sich den Film, wenn man die Möglichkeit dazu hat, auch ansehen. Die atemberaubenden Bilder und der zum Teil ohrenbetäubend laute Sound schaffen es, trotz eines viele Kilometer langen Strandes und dem Meer als Schauplatz, ganz ohne Wort oder dramaturgischen Zusammenhang, eine klaustrophobische Spannung aufzubauen, die ihresgleichen sucht.

Der Cast an echten Charakteren wird, wenn auch hochkarätig besetzt und erstklassig gespielt, hier zur Nebensache. Tom Hardy sei hier als einziger erwähnt, denn ihm gelingt es 95% seiner Rolle nur mit den Augen zu spielen, da sie alles sind was man von ihm sieht. Er ist auch der einzige dem die Ehre zu Teil wird, so etwas wie einen heroischen Moment darstellen zu dürfen.

Bildnachweis: © 2017 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC.

Fazit

Dunkirk ist ein audiovisuelles Meisterwerk und Lehrstück über Kamera, Bild- und Sound-Editing, sowie Schnitt. Ein handwerklich perfekter und in seiner Erzählweise einzigartiger Kriegsfilm, an dem sich die die Geister trotzdem scheiden werden. Nolans konsequenter Blick auf den Krieg, ohne sich dabei zu sehr um dessen Beteiligte zu scheren, wird wohl beim großen Publikum eher zwiespältig aufgenommen werden. Dennoch: Gewaltiger (und lauter!), realistischer, bedruckender und urteilsfreier war der Krieg im Kino noch nie.

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