Filmkritik: ES Kapitel 2

Vor zwei Jahren spülte ES Kapitel 1 rund 700.000 Millionen Dollar in die Kinokassen und avancierte damit zum erfolgreichsten Horror-Film aller Zeiten. Nicht zu unrecht, wie sich zeigte. Regisseur Andy Muschietti lieferte eine relativ freie, aber funktionierende Adaption von Stephen Kings 1200 Seiten starkem Epos. Die Idee die eigentlich ineinander verwobenen Zeitebenen in zwei Filme zu teilen, erwies sich als schlauer Schachzug. ES Kapitel 1 konnte sich so auf den Kampf einer kleinen Gruppe von Kindern gegen das Monster im Clowns-Format konzentrieren und wurde so zu einem tollen Coming-of-Age-Film mit einer Brise Horror. Kann nun die finale Konfrontation zwischen dem Club der Verlierer und ES ebenso begeistern?

Inhalt

27 Jahre sind vergangen, seit der Club der Verlierer dem übernatürlichen Wesen Pennywise (Bill Skarsgård) lehrte was Angst bedeutet. Seither haben sich dessen Mitglieder in alle Himmelsrichtungen verstreut, einander, sowie die Ereignisse in Derry vergessen und erfolgreiche Leben gelebt. Bill Denbrough (James McAvoy) ist zu einem erfolgreichen Schriftsteller geworden und für seine schlechten Enden bekannt. Beverly Marsh (Jessica Chastain) hat sich einen Namen als Modedesignern gemacht, ist jedoch mit einem Haustyrannen verheiratet. Eddy Kaspbrak (James Ransone) verdient als Risiko-Analyst sein Geld und steht unter der Fuchtel seiner Frau, die frappierend an eine jüngere Version seiner Mutter erinnert. Richie „Schandmaul“ Dozier (Bill Hader) hat sein loses Mundwerk zu einem verdammt guten Stand-Up-Comedian werden lassen. Und der einst übergewichtige Ben Hanscom (Jay Ryan) ist zu einem sexy Architekten mutiert. Nur Mike Hanlon (Isaiah Mustafa) blieb zurück in Derry. Von den Ereignissen der Kindertage geprägt, verfolgt er, als Bibliothekar und Chronist, die Spuren von ES in der Vergangenheit. Als in Derry wieder Kinder zu verschwinden beginnen, greift Mike zum Höhrer um den Club der Verlierer an ihren Schwur zu erinnern: Sollte ES je zurückkehren, werden auch sie da sein, um das Monster endgültig zu töten. Und so machen sie sich auf, um sich in Derry ihren größten Ängsten zu stellen. Bis auf Stan Uris (Andy Bean), der nimmt ein Bad.

Kritik

ES Kapitel 2 spielt in unserer Gegenwart und erzählt davon wie der erwachsene Club der Verlierer ein letztes Mal auf Pennywise, den tanzenden Clown, trifft. Der Film ist über weite Strecken anders, als man es von einer Stephen King-Adaption erwarten würde. War das erste Kapitel schon überraschenderweise mit einigem Humor durchzogen, legt ES Kapitel 2 noch eines oben drauf. Dies ist zu einem großen Teil der Darstellung von Bill Hader geschuldet, der, das muss gesagt werden, vermutlich die beste Leistung im Trupp der Erwachsenen liefert. Doch auch die allgemeine Inszenierung durch den Regisseur ist sehr auf Komik ausgelegt. Oft werden, wirklich gelungene, Spannungsmomente aufgebaut und am Höhepunkt durch einen flapsigen Spruch entschärft. Man würde ES Kapitel 2 unrecht tun, würde man behaupten, dass die Gags nicht funktionieren, doch angesichts der eigentlich sehr finsteren Vorlage rechnet man nicht damit.

Einige Kritiker warfen ES Kapitel 2 vor, dass er mit seinen fast drei Stunden Laufzeit zu lange ausfällt. Das ist ein Kritikpunkt den ich persönlich nicht unterschreiben kann. Im Gegenteil, ich war ziemlich überrascht als es plötzlich zum Finale kam. Ich hatte einfach zu viel Spaß dabei, zu beobachten, wie Bill, Beverly und Co. ihre jeweils ganz eigenen Wiedersehen mit Pennywise feierten. Die Begegnungen mit der Kinder fressenden Wesenheit sind meist sehr kreativ umgesetzt und kommen auch gelegentlich mit einem gewissen Augenzwinkern daher. So gab es eine Rückkehr des Leprakranken aus Kapitel 1. Sein Auftritt brachte mich auf sehr angewiderte Weise zum Schmunzeln, da er mich an Sam Raimi Filme wie Evil Dead oder Drag Me to Hell erinnerte. Wirklicher Grusel kommt daher in ES Kapitel 2 eher selten auf, aber um ehrlich zu sein, finde ich, dass sich auch die literarische Vorlage eher durch extreme Brutalität und Grausamkeit gegenüber Kindern auszeichnet, als durch starken Grusel.

Was jedoch die eben erwähnte Grausamkeit und Brutalität betrifft, bleibt ES Kapitel 2 dem Roman nichts schuldig. Es spritzt das Blut, es fliegen die Körperteile und ES wird mehr denn je, als jagendes Wesen porträtiert, welches den Clown als Köder benutzt, um seiner naiven und unschuldigen Beute habhaft zu werden. Großes Lob an dieser Stelle an Bill Skarsgård, welcher Pennywise wieder mit Bravour verkörpert. Pennywise ist ein Sadist, dem es nicht nur darum geht seine einstigen Peiniger zu töten, nein, er will sie leiden und an ihrer Verzweiflung zerbrechen sehen, bevor er sie verschlingt. Skarsgård verleiht dem Clown ein fast kindliches, von Hass getriebenes Wesen, dass irgendwie im selben Augenblick verstörend und unterhaltsam zu sein vermag. Zweifelsohne die große Stärke der Romanverfilmung.

Etwas störend empfand ich die Struktur des Films. ES Kapitel 2 fühlt sich manchmal wie ein Episoden-Film an. Im zweiten Drittel wird der, eigentlich gut harmonierende, Cast getrennt um Derry auf der Suche nach Erinnerungen zu durchforsten. Oft werden diese einzelnen Episoden, dann auch noch durch Rückblenden in die Vergangenheit geteilt. Die Übergänge in Kindheit der Figuren, in denen wir auch die sympathische Truppe aus Kapitel 1 wiedersehen, sind super gemacht, da sie meistens auf einen Schnitt verzichten. Trotzdem fühlt sich ES Kapitel 2 nicht als ein ganzes Machwerk an.

Ich liebe die Bücher von Stephen King. Doch muss ich selbst als Fan gestehen, dass der Meister sehr gut darin ist Mysterien aufzubauen, aber es absolut schlecht beherrscht diese auf coole Art und Weise aufzulösen – eine Tatsache auf die auch in ES Kapitel 2 mehr als einmal hingewiesen wird. Auch in ES hatte der Autor diverse Entscheidungen in seiner Erzählung getroffen, die mir das Wesen hinter der Maske des Clowns fast ruinierten. Insofern blickte ich mit nagenden Zweifeln in Richtung ES Kapitel 2. Würde der Film es schaffen diese Fehler (für mich) zu beheben? Die Antwort ist: „Ja!“. Sie deuten den Ursprung des Monsters an, ohne ihm das geheimnisvolle zu nehmen. Selbst seine „wahre“ Form stellte einen Kompromiss dar, den ich sehr passend fand.

FAZIT

ES Kapitel 2 ist, in meinen Augen, etwas schwächer als sein Vorgänger. Was mehr an seiner Erzählstruktur liegt, als an der Inszenierung. Die Fortsetzung überrascht mit einigen, meist gut funktionierenden, humoristischen Momenten. Nimmt sich aber dadurch den Grusel, den der Stoff vielleicht bieten würde. In Sachen Brutalität hinkt die Verfilmung seiner Vorlage zu keinem Moment hinterher. Andy Muschietti lässt das Blut fließen und zeigt welche Grausamkeit der Beute des Clowns widerfährt. Man merkt ES Kapitel 2 das höhere Budget deutlich an. Der Film ist hochwertig gefilmt, sieht sehr gut aus und die Effekte wissen zu überzeugen. Der Cast ist durch die Bank gut, doch nur Bill Hader und Bill Skarsgård stechen wirklich heraus. Ist ES Kapitel 2 also eine gute Buchverfilmung? Wenn man es streng betrachtet vielleicht nicht, da man sich einige Freiheiten im Vergleich zur Vorlage nimmt – nicht immer zum Nachteil der Erzählung! Sieht man ES Kapitel 2 und seinen Vorgänger jedoch als eigenständige Werke, funktionieren sie als solche großartig!

 

Passende Beiträge

Flint: Treasure of Oblivion im Test

ANTONBLAST im Test

The Spirit of the Samurai im Test