Filmkritik: Glass

Bereits im Jahr 2000 erschien Unbreakable, M. Night Shyamalans nächster Film nach seinem Riesenerfolg The Sixth Sense. Wenn auch von einigen für seine Langsamkeit kritisiert, kam der Thriller mit seinem ganz eigenen Ansatz zur damals noch nicht allzu sehr etablierten Superhelden-Thematik, recht gut an. Danach ging es stätig bergab mit dem einst so gefeierten Regisseur, Flops und tatsächlich grottige Filme lösten einander ab, bis ihm 2016 mit Split endlich wieder ein guter und überraschender Thriller gelungen ist. Dass der im selben Universum wie der 16 Jahre Unbreakable spielt, war bis zum Release ein Geheimnis. Noch größer allerdings, war die Überraschung, als Shyamalan mit Glass eine Fortsetzung der beiden, auf den ersten Blick so unterschiedlichen Filme, ankündigte.

INHALT

David Dunn, der sich im Laufe der Jahre einen Namen als „Superheld“ gemacht hat, kommt einem gefährlichen Massenmörder auf die Spur, der sich als Kevin Wendell Crumb herausstellt, dessen gespaltene Persönlichkeit schon seit langem die Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Dunn kommt gerade recht, um vier weitere Mädchen vor ihrem finsteren Schicksal zu retten, doch das Biest, Kevins animalische, mörderische Persönlichkeit, stellt sich ihm.

Die beiden bekommen keine Chance ihren Kampf auszutragen, denn beide werden von einem augenscheinlich auf sie wartenden Aufgebot an Polizei festgenommen und in einem psychiatrischen Sanatorium eingesperrt. Dort treffen sie nicht nur auf den ebenfalls dort untergebrachten Elijah Price, der viele Jahre zuvor versucht hat Dunn herauszufordern und sich für einen Superschurken hält, sondern auch auf Dr. Ellie Staple. Die ist fest davon überzeugt, dass alle 3 eine ganz spezielle psychische Krankheit teilen, die sie zu der Annahme verleitet, übermenschliche Fähigkeiten zu besitzen. Doch so einfach ist die Sache nicht, denn Mr. Glass, wie Price sich selbst nennt, ist ganz und gar nicht ihrer Meinung und hat ganz eigene Pläne mit seinen „Kollegen“.

© 2019 Walt Disney Pictures

KRITIK

Wer M. Night Shyamalans Filme kennt, kann wohl bestätigen, dass es dem Mann nicht an guten, oder zumindest interessanten Ideen mangelt. Selbst seine schwächsten Werke beruhen mehr oder weniger unbestritten auf einem grundsätzlich spannenden Konzept. Die ganze große Überraschung ist dann aber meist nicht nur die unweigerliche Wendung am Ende, sondern auch ob und wie es ihm gelingt eben jene Konzepte in einen kohärenten und vor allem glaubwürdigen Film zu verpacken. Denn an genau dieser letzten Hürde scheitert er nur zu oft. So spektakulär und überraschend die Plot-Twists auch daherkommen mögen, wer sich auch nur einen Moment Zeit nimmt, über diese nachzudenken, stellt schnell fest, wie wenig Sinn sie eigentlich machen.

Unbreakable hat funktioniert, weil der Twist, ganz nüchtern betrachtet, keine große, Welt-erschütternde Sache ist. Nur ein Mann, der ein Geständnis ablegt, das wirft nicht allzu viele Fragen auf. Split funktioniert aus demselben Grund. Hier gibt es gar mehrere kleine Twists. Keiner davon erschüttert aber eine Welt, in der Mann mit 24 Persönlichkeiten an der Decke laufen kann. Leider jedoch, macht Shyamalan mit Glass wieder die gleichen Fehler wie schon so oft. Die große finale Wendung nimmt einem im ersten Moment den Atem, so viele Elemente klicken ineinander und machen plötzlich Sinn. Details aus beiden Vorgängern werden aufgegriffen und durchaus gekonnt verknüpft.

© 2019 Walt Disney Pictures

Was dann aber leider keinen Sinn mehr ergibt, sind die 90 Minuten davor. Die Entscheidungen einzelner Charaktere, die vor der großen Offenbarung noch halbwegs nachvollziehbar sind, oder sich zumindest durch mangelndes Hintergrundwissen des Zuschauers selbst, abtun lassen, erscheinen plötzlich mehr als nur fragwürdig. Das Skript versucht verzweifelt, das Publikum von der Lösung fernzuhalten und in die Irre zu führen. Dazu geht es weite Wege, die sich dann im Gesamtbild nicht mehr schlüssig erklären lassen. Das alles ist verdammt schade, denn die Idee um Superhelden und -Schurken, die quasi die ersten ihrer Gattung sind und erst ihren Platz in der Welt finden müssen, hat so viel Potenzial. Und auch was Shyamalan im Endeffekt damit macht, ist absolut spannendes Material, um noch ein Weilchen nach dem Film darüber nachzudenken.

Am Cast liegt der Verlust an Glaubwürdigkeit jedenfalls nicht. Selbst der in den letzten Jahren mehr als nur schwächelnde Bruce Willis, schafft es nach langem wieder einmal, eine brauchbare Leistung abzuliefern. Samuel L. Jackson wird besser, je angedrehter seine Rolle ist, womit sein Mr. Glass zweifelsfrei Freude macht. Das Highlight ist allerdings James McAvoy, der seine atemberaubende Leistung aus Split hier unverändert meisterlich weiterführt. Der Rest des Casts macht seine Sache zwar auch durchwegs gut, leidet aber unter den oben erwähnten Drehbuchproblemen und hat, mit Ausnahme von Sarah Paulson als Dr. Staple, auch nicht sonderlich viel zu tun.

Wenn man ausschließlich betrachtet, was auf der Leinwand zu sehen ist, kann Glass durchaus überzeugen. Trotz der übernatürlichen Thematik wird auf abgehobene CGI-Orgien gänzlich verzichtet, die Special Effects bleiben erfrischend bodenständig. Kamera und Schnitt erlauben sich einige interessante Spielereien, sind bei Shyamalan aber nichts Neues. Die blassen und ausgewaschenen Farben verhelfen dem Film zusätzlich zu einer seltsam realistischen Atmosphäre, die einen harschen, aber durchaus gewollten Kontrast zum Thema darstellt. Selbes gibt auch für die unterschwellig düstere musikalische Untermalung, die stark an den ersten Film, Unbreakable, erinnert. Die Soundeffekte dagegen arbeiten im Dienste der dann eben doch realitätsfremden Story, was diesen Zwiespalt noch deutlicher macht.

© 2019 Walt Disney Pictures

FAZIT

Mit Glass hätte M. Night Shyamalans ein ganz großer Wurf gelingen können. Er betritt die heutzutage so ausgetreten Pfade um Superhelden-Stories mit einer ganz eigenen, frischen Perspektive. Das Ganze verpackt er in ein audio-visuelles Konstrukt, dass diese Kluft zwischen geerdeter und realistischer Herangehensweise, an ein ganz und gar realitätsfremdes Thema, sehr überzeugend trägt. Leider lässt sich das von der tatsächlichen Handlung viel zu selten behaupten. Viel zu oft lassen sich Handlungen einzelner Charaktere oder ganze Handlungsstränge nur dadurch erklären, dass sie nötig sind, um zum gewünschten Ausgang zu führen, den außer Acht lassend aber so gar keinen Sinn ergeben. Nachdem die Lichter im Kino wieder an sind, hat man einen außergewöhnlichen Superhelden-Film gesehen, der durchaus interessante Denkansätze aufwirft, aber Aufgrund seines kaum durchdachten Skripts einen unguten Beigeschmack hinterlässt, den Geschmack von verschenktem Potential.

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