Filmkritik: Greta

Ein langsamer Psychothriller, erstklassig besetzt, auf Film gebannt von einem vielfach preisgekrönten Regisseur? Da kann eigentlich nicht viel schiefgehen, vor allem wenn man das, aus unerfindlichen Gründen im letzten Jahrzehnt fast in Vergessenheit geratene, Genre mag. Warum also scheint Greta völlig an der Öffentlichkeit vorbeizugehen?

INHALT

Die junge Frances lebt gemeinsam mit ihrer besten Freundin Erica seit einiger Zeit in New York und hat Schwierigkeiten, den ein Jahr zurückliegenden Tod ihrer Mutter zu verarbeiten. Nach einem langen Tag findet sie auf dem Weg nach Hause in der U-Bahn eine verlassene Handtasche. Da das Fundbüro schon geschlossen hat, beschließt sie kurzerhand, die Tasche selbst ihrer Besitzerin zurückzubringen.

Die stellt sich als Greta Hideg vor und zeigt sich überglücklich, angesichts der hilfsbereiten jungen Frau. Bei Tee stellen sie fest, dass beide unter großen Verlusten zu leiden haben. Nicht nur Gretas Mann ist vor nicht allzu langer Zeit verstorben, auch ihr Hund ist erst kürzlich eingeschläfert worden. Ihre Tochter studiert in Paris und so ist die freundliche, alte Dame ganz offensichtlich einsam. Die sich recht schnell entwickelnde Freundschaft, zwischen den Frauen, scheint anfangs beiden sehr gut zu tun. Doch Greta drängt sich immer weiter in Frances‘ Leben und schon bald macht sie eine Entdeckung, die ihre Irritation zu Angst werden lässt.

© 2019 ASCOT ELITE Entertainment GmbH

KRITIK

Wie die Einleitung vielleicht schon erahnen lässt, ist Greta doch nicht der sichere Qualitäts-Film geworden, der er auf dem Papier sein sollte. Er macht auch nichts explizit falsch. Regisseur Neil Jordan versteht unbestritten sein Handwerk und hat schon weit schwierigeres Material überzeugend umgesetzt. Und genau da ist der Haken an der Sache: Das Material, die Prämisse.

Dieses Grundkonzept vom großartigen neuen Freund, der scheinbar zufällig ins Leben des Hauptcharakters schneit, um sich dann langsam als Gefahr zu entpuppen, hat man schon in so vielen Variationen und Aufmachungen gesehen, dass dem kaum mehr viele Überraschungen zu entlocken sind. An dieser Stelle sei dem Drehbuch zugutegehalten, dass es sich im letzten Drittel dann glücklicherweise doch wieder deutlich von dem, was man von diesem Setup erwarten? würde, wegbewegt.

Das Problem daran ist nur, dass dieser frische Weg so gar nicht überzeugend wirkt. Die Ereignisse des letzten Akts wirken von Autoren (übrigens auch Jordan, unter anderen) herbeigewünscht, um zu einem bestimmten Ende zu kommen. Das führt zu einer Menge ungeklärter Fragen und die Glaubwürdigkeit sinkt von Minute zu Minute. Das tatsächliche Ende, versöhnt dann doch wieder ein bisschen, gibt es der Sache dann doch einen interessanten und unerwarteten Twist.

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Nicht auszusetzen gibt es an der Besetzung. Chloë Grace Moretz, zeigt hier zwar nicht ihre stärkste Leistung, macht ihre Sache aber trotzdem gut. Hierbei sei angemerkt, dass ihre Rolle auch nicht viel mehr als das reagieren auf die Dinge, die rund um sie passieren, zu tun gibt. Die eine Sache, die in einem Film wie diesem absolut funktionieren muss, ist die der Antagonistin, und das tut sie hier, trotz einiger Ungereimtheiten in den Verhaltensmustern von Greta. Die fabelhafte Isabelle Huppert schafft es spielend diese kleinen Stolpersteine zu umlaufen und zeigt eine bedrohliche Präsenz, die man der in die Jahre gekommenen, zierlichen Dame nicht zutrauen würde. Auch Maika Monroe, als augenscheinlich oberflächliche und nervige Erica, die darunter aber eine wahre Freundin versteckt, kann überzeugen.

Wie schon Eingangs erwähnt, sind in Greta kaum handwerkliche Makel zu finden. Jordan lässt sich zwar auf keine Experimente ein und setzt den Film rundum klassisch unaufgeregt um, dass aber souverän. Die Bilder vermitteln einen irgendwie unangenehmen Unterton, und das ganz ohne die heutzutage so gerne gebrauchten Stilmittel, wie zum Beispiel Color-Grading. Auch die Musik fügt sich in dieses seltsame Unbehagen ein, vor allem durch klassische Piano-Stücke, die erst durch die Verbindung zum Plot ihre Wirkung bekommen.

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FAZIT

Thriller dieser Art sind in den letzten Jahren leider sehr dünn gesät, was es umso trauriger macht, dass man ein so hochqualitatives Team mit diesem recht mittelmäßigen Material verheizt. Während die ersten beiden Drittel viel zu ausgetretene Pfade begeht, opfert der Film zum Ende hin all seine Glaubwürdigkeit, um eben diese Pfade zu verlassen. Isabelle Huppert ist sehenswert und die Umsetzung gelungen, daher dürfte Greta, vor alle für ausgehungerte Freunde des Genres, sicher einen Blick wert sein.

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