Filmkritik: Jojo Rabbit

Der Neuseeländer Taika Waititi ist ein Regisseur, der sich in Windeseile die Achtung der Branche verdient hat. Nach der wundervollen Horrorkomödie 5 Zimmer Küche Sarg und seinem überaus erfolgreichen Eintrag ins Marvel Cinematic Universe, Thor: Ragnarok, stehen dem knapp 45-jährigen alle Türen offen. Gut für ihn und auch für uns, denn sein aktuelles Werk, Jojo Rabbit, ist kleines Meisterstück.

INHALT

Der 10-jährige Jojo (eigentlich Johannes) leb mit seiner Mutter in einer deutschen Stadt gegen Ende des 2. Weltkrieges. Er trifft sich mit seinem besten Freund Yorki, beteiligt sich mit großem Enthusiasmus an Gruppenaktivitäten und hat einen imaginären Freund. An sich also ein ganz normaler Junge.

Doch die Gruppe ist die Hitlerjugend und sein eingebildeter Freund ist niemand geringerer als Adolf persönlich. Ganz zum Leidwesen seiner Mutter, denn bei der stößt der kindliche Fanatismus ihres Sohnes auf wenig Begeisterung. Ganz im Gegenteil, ist sie doch überzeugte Gegnerin des Nazi-Regimes. Als Jojo herausfindet, dass sie im Dachboden ihres Hauses ein jüdisches Mädchen versteckt, gerät für den kleinen Mann die Welt aus den Fugen, denn plötzlich muss er sein so liebgewonnenes Weltbild ernsthaft hinterfragen.

© 2019 Twentieth Century Fox

KRITIK

Diese Prämisse liest sich zwar etwas abgedreht, aufs Wesentliche reduziert ist sie aber nicht wirklich neu. Der fehlgeleitete Protagonist, der durch Lebensumstände und Begegnungen seine Ansichten und Prinzipien überdenkt und zum besseren Menschen wird, ist nicht gerade eine neue Erfindung. Und wenn man unbedingt möchte, kann man Jojo Rabbit auch genau darauf reduzieren, ist es doch im Wesentlichen die Geschichte, die der Film erzählt. Jedoch würde man ihm damit bei weitem nicht gerecht.

Denn im Kern haben wir es hierbei mit einer pointierten und streckenweise bitterböse Sozial-Satire zu tun. Die ist freilich in erster Linie gegen den blinden Fanatismus der damaligen Zeit gerichtet, jedoch ertappt man sich viel zu oft dabei, Parallelen zur aktuellen politischen und gesellschaftlichen Situation zu entdecken. Genau das ist wohl einer der Gründe, warum einem trotz der bedrückenden Thematik, das Lachen auch bei derberen Scherzen nicht im Hals stecken bleibt…auch wenn einen danach das schlechte Gewissen quält.

Ein weiterer Grund, warum der böse Humor funktioniert, ist wohl der Umstand, dass es Waititi geschafft hat den schmalen Grat zwischen Realismus und Absurdität zu wandeln. Die Charaktere sind durch die Bank ein bisschen zu stereotyp und abgedreht, um echt zu sein, die Begebenheit gerade einen Hauch zu unwahrscheinlich, um aus dem Leben gegriffen zu wirken. So hat man als Zuschauer nie das Gefühl, über tatsächliche Personen und dessen Leid zu lachen. Und doch bleibt alles dem Boden nah genug, um klar zu machen: Aus der Luft gegriffen ist das alles nicht, nur blumig nacherzählt.

© 2019 Twentieth Century Fox

Funktionieren kann so eine Gratwanderung natürlich nur mit der richtigen Besetzung, und die legt hier eine Glanzleistung hin. Allen voran Roman Griffin Davis als Jojo, der eine für sein Alter eine beeindruckende Leistung abliefert, fordert ihm seine Rolle doch einiges ab. Außerdem erwähnenswert sind Scarlett Johansson als Jojos Mutter, sowie der immer wieder wundervolle Sam Rockwell als desillusionierter Leiter der hiesigen Hitlerjugend-Gruppe, Hauptmann Klenzendorf. Waititi selbst als nervöser Adolf Hitler hat sichtlich Spaß an seiner Rolle und hat mitunter die besten Lacher auf seiner Seite. Einzig Rebel Wilson fällt ein wenig aus dem Rahmen, sie scheint in jedem Film, in dem man sie antrifft, dieselbe Figur zu mimen. Die mag ihr zwar passen, jedoch stellt sich schön langsam die Frage, ob sie auch noch zu anderem fähig ist.

Technisch und handwerklich gibt es rein gar nichts an Jojo Rabbit auszusetzen. Eine Kamera, die immer wieder für Überraschungen gut ist (und in manchen Momenten ein wenig an Wes Andersons Stil erinnert, ohne diesen wirklich zu kopieren oder auszureizen), tolles Timing dank wunderbarem Skript und dazu passendem Editing, meisterhaft zusammengefügt vom neuseeländischen Tausendsassa, der nicht nur für Regie und Nebenrolle, sondern auch besagtes Drehbuch verantwortlich zeichnet. Ein besonderes Schmankerl am Rande gibt es dann noch im Soundtrack zu hören. Allseits bekannte Klassiker legendärer Musiker wie etwa den Beatles oder David Bowie, allerdings in den deutschen Fassungen (damals tatsächlich von den jeweiligen Leuten eingesungen), die über die Jahrzehnte zu Raritäten geworden sind, die heute kaum noch jemand kennt.

© 2019 Twentieth Century Fox

FAZIT

Bitterböse, herzzerrreißend, zutiefst traurig und dann doch wieder urkomisch. All das trifft auf Jojo Rabbit zu und funktioniert tatsächlich viel besser als man meinen sollte. Gedankt ist diese Leistung vor allem dem Feingefühl des Masterminds hinter der Kamera, Taika Waititi und einer Riege an hochmotivierten und überaus talentierten Schauspielern. Wer sich nicht davor scheut, herzhaft über die Absurdität menschlicher Abgründe zu lachen und gleich darauf einen Klos im Hals zu haben, den erwartet ein Kleinod der etwas anderen Kinos, ganz abseits ausgetretener Pfade.

Passende Beiträge

Nur noch wenige Tage bis zur Vienna Comic Con 2024

Planet Coaster 2 im Test

Little Big Adventure – Twinsen’s Quest im Test