Als Warner nach dem mehr als durchwachsenen DC Lineup der letzten Jahre einen ganz für sich stehenden Joker Film mit neuer Besetzung und ganz ohne Batman ankündigte, sorgte das allerhöchstens für ein kollektives Augenbrauen-hochziehen. Doch nachdem bekannt wurde, wer den irren Clown spielen würde und wie der Streifen angelegt werden soll, stiegen die Erwartungen ungemein. Nun ist Joker hier, und sorgt für so viel Aufruhr wie schon lange kein Film mehr.
INHALT
Arthur Fleck lebt mit seiner kranken Mutter unter ärmlichen Verhältnissen im Großstadtdschungel von Gotham City. Mit seinem Job als Miet-Clown kann er sich gerade mal so über Wasser halten, doch er liebt diese Aufgabe. Selbst unter einer Störung leidend, die ihn veranlasst unter Stress unkontrolliert zu lachen, und einer tief in ihm verwurzelten, dauerhaften Traurigkeit, ist er von dem Gedanken besessen, die Menschen zum Lachen zu bringen. Leider bringt ihn seine Macke und die in immer größere soziale Unruhen verfallende Stadt immer wieder in Schwierigkeiten.
Er wird von einer Bande aus Spaß verprügelt, seine Kollegen schneiden ihn wo sie können, seine Comedian-Ambitionen enden in Demütigung. Als ihm dann auch noch seine psychologische Betreuerin eröffnet, dass es aufgrund von Budget-Kürzungen keine weiteren Sitzungen geben wird und auch seine Medikamente gestrichen werden, verliert Arthur langsam, aber sicher den Halt und verliert sich in seiner Fantasiewelt. Als es bei einer nächtlichen U-Bahn-Fahrt zu einem folgenschweren Zwischenfall kommt, reißen die letzten Sicherungen, die Arthur an der Gesellschaft in der er lebt festhalten und er beginnt sich zu einer ganz neuen, hochgefährlichen Person zu verändern.
KRITIK
Eines gleich vorweg: Joker ist ein Drama. Kein Superhelden-Film, kein Actionkracher. Es handelt sich hierbei um das Psychogramm eines Mannes, der es ein Leben lang geschafft hat, am Rande des Abgrunds zu wandeln, nur um dann doch, durch eine Verkettung unglücklicher und ungerechter Umstände, abzustürzen. Und er zieht alles was er greifen kann mit sich in die Tiefe. Der Zuschauer wird Zeuge eines jeden schmerzhaften Schrittes auf diesem unsäglichen Weg. Genau da liegt der Knackpunkt all der Kontroversen rund um diesen Film. Es gibt keinen Helden und auch keine andere Identifikationsfigur. Ja, all der Schmerz und die Demütigungen, die Arthur erleben muss, erregen Mitgefühl oder gar Mitleid, jedoch nie Sympathie. Denn zu jedem Zeitpunkt ist klar, dass man es hier mit einem schwer gestörten Mann zu tun hat, der zu allem fähig ist. Der Umstand dass die Kamera zu jedem Zeitpunkt ausschließlich seine Perspektive einfängt, verstärkt das Unbehagen nur noch weiter.
Zu verdanken hat der Film diese äußerst schwierige Gratwanderung fast ausschließlich seinem Hauptdarsteller Joaquin Phoenix. Der Mime hat in den letzten Jahren schon mehrmals bewiesen, dass er zu den größten seiner Generation gehört. Hier setzt er sich allerdings ein Denkmal, über das noch lange geredet werden wird. Abgemagert und krank aussehend verschwindet er in diesem zum Scheitern verdammten Mann, der immer weiter in den Wahnsinn abrutscht, vollständig. Er ist es, der trotz all der schrecklichen Dinge, die Arthur zustoßen, durch seine Körpersprache und Mimik nie zulässt, dass man sich zu sehr auf seine Seite schlägt. Zu schwarz ist die Dunkelheit hinter seinen Augen, zu breit sein Lächeln und genau diesen winzigen Ticken zu unecht seine Gestik.
Filmkenner werden sich vielleicht an dieser Stelle fragen: „Kommt mir das nicht von irgendwoher bekannt vor?“ Und sie haben recht. Vor über 40 Jahren gab es diese Story schon einmal, in Form von Martin Scorseses Taxi Driver. Der handelte zwar von einer gänzlich anderen Person mit anderer Vorgeschichte, jedoch gleichen sich die Filme doch frappant, was Konzeption, Plot und Bildsprache angeht. Das wäre an sich kein echter Kritikpunkt, hat Joker doch genug Eigenes zu bieten um bei weitem nicht als Plagiat dazustehen. Jedoch hat es Todd Phillips mit seiner offensichtlichen Liebe zur Ära und des Altmeisters Werk, etwas übertrieben. Einen mehr als nur ähnlichen Film zu machen ist die eine Sache, das Vorbild aber dann noch bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu zitieren aber eine ganz andere. So wird man den Eindruck nicht los, der Regisseur hätte mit Gewalt versucht so etwas wie ein inoffizielles Remake zu realisieren.
Nur ein Beispiel dafür ist das Casting von Robert De Niro in einer kleinen, aber wichtigen Nebenrolle. Der liefert eine erstklassige Leistung ab, ebenso wie die übrige Besetzung, jedoch verblassen sie alle neben Phoenix‘ Leistung. Trotz der offensichtlichen Anleihen des (ebenfalls schwer umstrittenen) Klassikers von 1976, bleibt Joker ein hervorragender Film, denn eine derartige Story so umzusetzen, dass ein Publikum mitgeht, ist keine einfache Sache. Umso trauriger ist die Tatsache, dass sich der gesamte Diskurs um den Film einzig um dessen Gewaltdarstellung und deren mögliche Effekte auf das Publikum, erschöpft. Dabei will er ganz andere Fragen aufwerfen, wie etwa der Umgang mit mentalen Krankheiten in der Gesellschaft die alltägliche oder soziale Ungerechtigkeit. All das geht in der hitzigen (und müßigen, weil seit Jahrzehnten geführten) Diskussion um Gewaltdarstellung leider völlig unter.
Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass auch die technische Präsentation von allerhöchster Güte ist. Das Gotham City in Joker gleicht einem New York der 80er Jahre, wirkt schmutzig und verkommen, wird aber von Kamera-Chef Lawrence Sher trotzdem in seltsam schönen Bildern eingefangen. Phillips´ Regie ist hervorragend gelungen, wenn auch, wie schon erwähnt, etwas zu sehr vom großen Vorbild inspiriert. Special Effects und Stunt-Arbeit kommt nur sehr gering zum Einsatz, ist aber wunderbar gelungen. Ein weiteres Highlight des Films ist seine musikalische Untermalung. Die atonalen Streicher-Töne unterstützen die unheilvolle Stimmung noch weiter und schlagen sich mit Klassikern der 50er und 60er, ausschließlich von großen Entertainern, so wie Arthur gerne einer wäre.
FAZIT
Todd Phillips treibt den Ansatz eines Christoper Nolan, dem Comic einen realistischen Anstrich zu verpassen, auf die Spitze. Nichts an Joker fühlt sich wie eine Comic-Verfilmung an, was er genau genommen auch gar nicht ist. Er nimmt die Figur des ewigen Batman-Gegenspielers her und spinnt ein Drama rund um dessen Werdegang, ohne explizite Bezüge zur Vorlage. Dabei kommt ein unangenehmes und verstörendes Psychogramm heraus, dass vor allem von der atemberaubenden Leistung seines Hauptdarstellers getragen wird und einige schwere Fragen über den Zustand unserer Gesellschaft aufwirft. Einzig der Umstand, dass Joker nur ganz kann daran vorbeischrammt ein unwillkürliches Remake eines großen Klassikers zu werden, nagt ein wenig am sonst exzellenten Gesamteindruck.