Filmkritik: Knives Out – Mord ist Familiensache

Regisseur Rian Johnson spielt gerne mit Genre-Konventionen. Während er immer wieder versucht, ausgetretene Pfade neu zu entdecken, vergisst er doch nicht darauf, den Erwartungen ans Genre zu entsprechen. Der letzte Jedi hat gezeigt, dass diese Herangehensweise bei etablierten Franchises eher problematisch ist, ganz besonders wenn die eine so eingefleischte Fangemeinde hat wie das Star Wars-Universum. Bei seinen selbst erdachten Filmen funktioniert die Sache aber ganz ausgezeichnet, wie auch sein neuestes Werk, Knives Out – Mord ist Familiensache, eindrucksvoll beweist.

INHALT

Harlan Thrombey, seines Zeichens erfolgreicher und reicher Patriarch einer großen, mehr als exzentrischen Familie, feiert im Kreise eben dieser seinen 85. Geburtstag auf seinem Landsitz. Als Harlan jedoch am nächsten Morgen tot in seinem Zimmer aufgefunden wird, ist es schnell um die Feier-Laune geschehen. Die sofort herbeigerufenen Ermittler beginnen ihre Ermittlungen und versuchen die Ereignisse der vergangenen Nacht zu rekonstruieren.

Mit ihnen taucht allerdings auch der berühmte und etwas verschrobene Detektiv Benoit Blanc auf, was nicht nur die Polizisten, sondern auch die versammelten Familienmitglieder aus dem Konzept bringt. Blancs Hauptinteresse fällt dagegen schnell auf die junge Marta, denn sie ist nicht nur Harlans Pflegerin und hat ihn als letzte lebend gesehen, sondern hat auch ganz offensichtlich etwas zu verbergen.

© 2019 Universum Film

KRITIK

„Klingt sehr nach Agatha Christie“ könnte man sich nach dieser Inhaltsangabe denken. Und wirklich falsch würde man mit dieser Annahme gar nicht liegen, denn Johnsons Inspiration kommt ganz eindeutig aus dieser Ecke. Ein klassischer „Who done it“-Krimi, wie sie lange Zeit so populär waren, ist Knives Out geworden. Gleich zu Beginn wird ein Verbrechen verübt, üblicherweise in einem räumlich beschränkten Umfeld, mit einer überschaubaren Anzahl an Verdächtigen. Der smarte Ermittler erscheint und im Zuge seiner Nachforschungen lernt man als Zuschauer die genaueren Umstände, Personen und Hintergründe kennen. Der Mörder und der der genaue Tathergang bleiben im Dunkeln, solange bis man das Rätsel selbst löst, oder der Detektiv am Ende die Ereignisse effekthaschend darlegt und den Täter stellt.

Eben diese Formel ist in den letzten Jahren leider etwas in Vergessenheit geraten und wurde aus dem Kino so gut wie vollständig in diverse TV-Serien-Formate verdrängt. Die wenigen Ausnahmen, die es gibt, sind so gut wie immer Remakes von älteren Klassikern, wie etwas zuletzt 2017 mit Mord im Orient-Express. Umso erfreulicher also, dass wir es bei Knives Out mit einer völlig neuen Story zu tun haben. Und die hat es in sich, denn irgendwie schafft es das hervorragende Skript einerseits alle Erwartungen an einen Streifen dieser Art zu erfüllen, während er gleichzeitig immer wieder mit Wendungen überrascht, die so gar nicht den Genre-Konventionen entsprechen. So wird beispielsweise relativ schnell klar, woran Harlan gestorben ist und wessen Schuld es war. Und dennoch steckt viel mehr hinter den Ereignissen als es scheinen mag.

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Auch der oft zum Genie hochstilisierte Detektiv funktioniert hier ganz anders als gewohnt.  Zwar ist Blanc ganz offensichtlich ein fähiger Ermittler, jedoch erweckt er nie den Eindruck, ständig einen Schritt voraus zu sein, wie das so oft bei Poirot und Konsorten der Fall zu sein scheint. Er wirkt viel mehr wie ein verwirrter Professor, der die meiste Zeit selbst nicht so ganz genau weiß, was er hier eigentlich tut. Auch die übrigen Charaktere sind erfrischend. Schillernde Figuren sind sie allesamt, freilich etwas überzeichnete Stereotypen, allerdings nie so sehr, dass sie in die Lächerlichkeit oder gar Unglaubwürdigkeit abrutschen. Und genau hier liegt neben dem durchdachten Plot die größte Stärke des Filmes: Es macht einfach ungemeinen Spaß alle die schrillen Charaktere und deren Interaktionen mitzuverfolgen.

Eine Grundvoraussetzung dafür ist selbstverständlich ein kompetentes und motiviertes Ensemble. Und auch hier brilliert Knives Out. Selten bekommt man eine derart talentierte Riege an spielfreudigen auf einem Haufen zu sehen wie hier. Von Don Johnson als schmierigen Schwiegersohn, über die wundervollen Damen Toni Collette und Jamie Lee Curtis als Tochter bzw. Schwiegertochter, bis hin zum unausstehlichen und Strickpullover-tragenden Chris Evans. Und trotz all diesen Größen, gehört der Film eindeutig einem wunderbar verschrobenen Daniel Craig als Detektiv Blanc und der sich immer mehr zum Star mausernden Ana de Armas „zu gut für diese Welt“-Pflegerin, die übrigens gerade eine Golden Globe Nominierung für diese Rolle eingefahren hat.

Ein weiters Highlight von Knives Out ist das großartige Setdesign. Die Villa in der sich gut 70% des Films abspielen ist eine Augenweide und trägt einen großen Beitrag zur Charakterisierung ihres exzentrischen Besitzers bei. Und auch sonst lässt man sich nicht lumpen, ist der Film doch in wunderbaren Bildern eingefangen, flüssig geschnitten und wirkt generell sehr hochwertig, trotz des relativ kleinen Budgets. Der Soundtrack tut es dem Skript gleich und verwebt was man hier erwartet, unheilvolle Streicher, um Spannung aufzubauen, mit völlig schrägen Tönen die eigentlich so gar nicht passen sollten.

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FAZIT

Es ist kaum zu glauben was man alles aus einem Genre herausholen kann, das gegen Ende des letzten Jahrhunderts schon ausgelutscht war, dass es (zumindest im Kino) so gut wie ausgestorben ist. Dazu braucht es allerdings einen ausgeklügelten Plot, eine Riege an bunten und interessanten Charakteren und selbstverständlich entsprechend fähigen Schauspielern, um eben diesen Leben einzuhauchen. All diese Punkte meistert Knives Out – Mord ist Familiensache mit Bravour und ist ganz nebenbei auch noch sehr wertig produziert und wunderbar anzusehen. Für wen ein verzwickter Mordfall in Verbindung mit einer Menge frisch wirkendem Spaß, kurzweilig verpackt nach guter Unterhaltung klingt, der sollte das neue Kinojahr unbedingt mit diesem Film einleuten.

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