Filmkritik: Little Women

Vor knapp über 2 Jahren hat die erst 37 Jahre alte Greta Gerwig mit ihrem Regiedebut Lady Bird ganze 5 Oscar-Nominierungen einfahren können, und damit für gehöriges Aufhorchen im doch etwas vergreisten Hollywood gesorgt. Jetzt ist sie mit ihrer Neuinszenierung des schon unzählige Male (erstmals 1918) verfilmten Literatur-Klassikers Little Women zurück und muss beweisen, dass ihr erster Film nicht nur ein großer Glücksgriff war.

INHALT

Zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges wachsen die vier March Schwestern in armseligen Verhältnissen, aber unter der liebevollen Fürsorge ihrer Mutter Marmee, in einem Dörfchen in Massachusetts auf. Meg, Jo, Beth und Amy könnten zwar unterschiedlicher nicht sein, doch raufen sie sich immer wieder zusammen, denn gemein haben sie alle ihren großen Familiensinn.

Während ihr Vater im Krieg dient wachsen die vier Mädchen zu jungen Frauen heran und beginnen ihre eigenen Wege zu gehen. Vor allem die starrköpfige Jo treibt es in die weite Welt und so geht sie nach New York um Schriftstellerin zu werden. Als sie allerdings ein Telegramm von Zuhause erreicht, lässt die alles liegen und kehrt heim.

© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH / Wilson Webb
Friedrich Bhaer (LOUIS GARREL) in Sony Pictures‘ LITTLE WOMEN.

KRITIK

Die Geschichte, die Little Women erzählt ist weit weg von unbekannt und daran ändert sich auch in Gerwigs neuer Fassung so gut wie gar nichts. Sie fügt zwar ein paar winzige Elemente ein, die haben jedoch keinerlei Auswirkungen auf die Kernaussagen des Stoffes. Wie in der Vorlage begleitet man die vier Schwestern auf ihrem Weg ins Erwachsenenalter, mit all den Höhen und Tiefen, die diese Entwicklung mit sich bringt. Und zwar für jede von ihnen auf eine ganz eigene Weise, denn Schwestern hin oder her, charakterlich unterscheiden sie sich doch sehr voneinander.

Genau hier liegt die größte Stärke der Geschichte, und damit auch einer (gelungenen) Adaption. Ob nun die traditionelle Meg, die sich eine Familie wünscht, die burschikose Jo, die das Schreiben liebt, die leise und musikalisch hochbegabte Beth, oder das etwas egoistische Nesthäkchen Amy, sie alle sind vielschichtige und lebendige Figuren. Jede hat ihre eigenen Träume und Ängste, Ziele und Schwächen, doch sie verbindet die Familie, die für jede von ihnen oberste Priorität hat. Das macht sie unglaublich glaubwürdig und gerade deshalb furchtbar liebenswert.

Auch der Rest der Figuren, wenn auch nicht so detailliert gezeichnet wie die Schwestern, versprühen Sympathie. Ja sogar die von den Mädchen immer wieder als „böse alte Jungfer“ dargestellte, reiche Tante, ist eigentlich nur ein wenig schrullig und auf ihre ganz eigene Weise doch sehr am Wohlergehen der Vier interessiert. Und hier liegt mein einziger Kritikpunkt an Little Women als Geschichte: So glaubhaft die ganzen Charaktere für sich genommen auch sein mögen, in Summe wirkt eine nicht unbedingt kleine Riege an ausschließlich wunderbar verständnisvollen, mit riesigen Herzen ausgestatteten Figuren dann doch etwas zu sehr nach Märchen.

© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH / Wilson Webb
Amy March (FLORENCE PUGH) in Sony Pictures‘ LITTLE WOMEN.

Ob einen dieser Umstand nun stört oder nicht, es ist bestimmt nicht die Schuld des Films. Ganz im Gegenteil, wirken doch zumindest die 4 Protagonistinnen hier noch um kleines bisschen vielschichtiger als bisher. Die stimmungs- und aussagengetreue Umsetzung des Stoffes gelingt Gerwig trotzdem ausgezeichnet. Mit einer weiteren einfachen Nacherzählung gibt sie sich allerdings nicht ab, denn auch wenn der Plot 1:1 erhalten bleibt, schraubt die junge Regisseurin etwas an der Erzählstruktur herum. Ihre Fassung macht immer wieder Zeitsprünge vor und zurück, was der ganzen Sache eine völlig neue, aber wohl nicht von jedermann geliebte, Dynamik verleiht.

Selbstverständlich sind solch farbenfrohe Charaktere nicht viel wert, wenn sie nicht von fähigen Mimen dargestellt werden. Und auch hier weiß die neue Fassung durch die Bank zu überzeugen. Saoirse Ronan, Emma Watson, Florence Pugh und Eliza Scanlen brillieren als die vier Schwestern, ebenso wie Laura Dern als Marmee und Timothée Chalamet als Love-Interest Laurie. Und auch wenn es mittlerweile wohl niemanden mehr überraschen dürfte, Meryl Streep in der Rolle der Tante March wie ein Fest.

Wie schon Gerwigs erster Film, zeugt auch Little Women für ein großes Verständnis des Mediums Film. Sie hat ein Händchen für wunderschöne und aussagekräftige Bilder und auch der nicht chronologisch anlaufende Plot (sprich, das Editing) funktioniert reibungslos. Set- und Kostümdesign sind ebenfalls wunderbar gelungen, letzteres konnte immerhin eine Oscarnominierung einfahren. Derer gibt es übrigens insgesamt 6 an der Zahl, eine weitere davon für den besten Score von Alexandre Desplat, der in der Tat mit wunderbaren und eingängigen Melodien glänzen kann.

© 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH / Wilson Webb
James Norton in Sony Pictures‘ LITTLE WOMEN.

FAZIT

Little Women ist auch in der neuesten Fassung ein Familiendrama der positiven, wohligen Sorte. Auch wenn die Geschichte sich teils ganz spezifisch mit dem Dasein als Frau auseinandersetzt und unbestritten in die verpönte Kategorie „Frauenfilm“ gehört (ich war ein von genau 2 Männern im Kinosaal), so gelten die Kernaussagen doch für uns alle. Der Umstand, dass hier alle Menschen fast zu gut um wahr zu sein scheinen, mag vielleicht den einen oder anderen Zuschauer etwas stören, jedoch ist dies der Vorlage geschuldet. Die Umsetzung dieser ist Greta Gerwig in jedem Fall hervorragend gelungen, denn sie wirkt trotz der vielen vorangegangenen Verfilmungen überaus frisch und ist handwerklich über jeden Zweifel erhaben.

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