Filmkritik: Midsommar

Der New Yorker Ari Aster lieferte 2018 mit Hereditary einen sehr unkonventionellen, doch hoch effektiven Beitrag zum Horror-Genre. Eingebettet in eine Familientragödie, entfaltete das Horror-Drama, durch gekonnte Erzählung und Inszenierung, einen seltsamen Schrecken, welcher auch ohne übernatürlichen Elemente, nichts von seiner verstörenden Morbidität einbüßen würde. Deshalb waren meine Erwartungen an Asters neuestes Werk – Midsommar – besonders hoch. Der Trailer versprach ein unbequemes Filmerlebnis, welches von einer vom Schicksal gezeichneten Person erzählt, die sich unumkehrbar in den Fängen einer wahnsinnigen Sekte befindet. Diese Geschichte liefert Aster auch, durchaus gekonnt und toll inszeniert. Nur mit einem hab ich nicht gerechnet: dem Humor!

 

Inhalt

Nach dem erweitertem Selbstmord ihrer Schwester, steht die junge Studentin Dani (Florence Pugh) vor den Trümmern ihres Lebens. Vom Trauma durch den Verlust ihrer gesamten Familie gezeichnet, versinkt sie immer mehr in Depressionen und wird von Panikattacken heimgesucht. Danis Trauer und der dadurch resultierende psychologische Verfall, belasten auch die Beziehung zu ihrem Lebensgefährten Christian (Jack Raynor). Dessen Freunde sehen ihn von Dani emotional ausgenutzt und drängen Christian zur Beendigung der Beziehung. Doch der will nicht aufgeben und bietet Dani an, in der Hoffnung, dass seine Freundin das Angebot nicht annimmt, ihn und seine Freunde bei einem mehrwöchigen Trip nach Schweden zu begleiten. Christians Studienkollege Pelle, hat die Clique zu den Feierlichkeiten der Sommersonnenwende in seinem Heimatdorf eingeladen. Als Dani unerwartet zusagt und die Truppe schließlich in Hälsingland eintrift, müssen die Studenten bald feststellen, dass die verschrobenen, komplett weiß gekleideten Mitglieder der Kommune keineswegs so handzahm sind, wie es zunächst noch scheint…

Kritik

Mit Midsommar versucht Regisseur Ari Aster ein Experiment: Kann Horror auch am helllichten Tag in einem farbenfrohen Setting funktionieren? Die Antwort ist leider gar nicht so leicht zu geben. Denn Midsommar kreiert zwar zum Teil die schönsten Bilder die ich seit langem im Kino gesehen habe, durchsetzt mit einer unverholenen Grausamkeit und detaillierten Gewaltdarstellung wie nur wenige Filme es wagen zu zeigen. Selbst im Horror-Genre wird man lange nach vergleichbarem suchen. Dies liegt daran, dass die Gewaltspitzen in Midsommar nie übertrieben und immer schmerzhaft nahe an der Realität sind. Dem Gegenüber stehen jedoch Momente, die so skurril sind, dass ich nicht sicher bin ob sie verstören oder – wie in meinem Fall – fröhliches Gelächter hervorrufen sollen. Dazu jedoch später mehr!

Midsommar und Hereditary sind in ihrer Inszenierung zwei grundlegend verschiedene Filme, teilen jedoch eine gewisse DNA in ihrem Narrativ. Im Fokus beider Werke steht eine finstere Familientragödie und ein durchtriebener Kult, welcher sich an den Hinterbliebenen zu laben versucht. Ari Aster gibt sich Mühe dem Zuseher den Schmerz der Hauptfigur zu übermitteln und nimmt sich ausführlich Zeit dafür. Das Drama rund um Danis Familie wird langsam aufgebaut. Durch geschickt gesetzte Kamerafahrten, sowie den beunruhigend Klängen des Scores entsteht eine hoch unangenehme Stimmung, welche ihren Höhepunkt in einem verzweifelten Anruf der Protagonistin findet. Das sind die ersten zehn Minuten von Midsommar und die zogen mich mit ihrem beklemmenden Gefühl absolut in ihren Bann. Im Allgemein trennt sich der Part bis zur Reise nach Schweden auch optisch vom Rest des Films ab. Die Sets sind sehr dunkel beleuchtet, die Farben entsättigt und es wirkt immer als würde ein leichter Nebel im Raum liegen. Wer den ausgezeichneten It Follows gesehen hat, wird sich vorstellen können was ich meine. Selbst die Menschen wirken blass und finster. Sei es die von Depressionen gezeichnete Dani, oder Chris, der in seiner Ohnmacht Dani zu helfen immer mehr in Schuldgefühlen und Zweifeln versinkt. Selbst Chris´ Freundeskreis versprüht einen gewissen Unmut, da sie sich von Dani alles andere als begeistert zeigen. Dies ändert sich, sobald die Kommune ins Spiel kommt.

Ab dem Zeitpunkt in dem die Studentengruppe das Festival in Hälsingland betritt, ändert der Film seine Stimmung. Farben werden kräftiger, die Figuren schräger und ein unerwarteter Humor hält Einzug. Da werden Pilze eingeworfen, gefolgt von den komischen Reaktionen der Figuren darauf. Oneliner fliegen um die Ohren, es wird verdutzt geschaut und theatralisch geschrien. Die herrlich bizarren Mitglieder der Sekte tun ihr übriges. Nicht falsch verstehen, Midsommar verkommt nicht zur Horrorkomödie. Es gibt noch manch Finsteres darin zu entdecken. Das Problem ist nur manchmal, dass Ari Aster gewisse Dinge so inszeniert, dass sie verstörend wirken sollen, aber so schräg und überspitzt sind, dass man stellenweise laut lachen muss. Beim Finale hat der Kinosaal gebebt vor Gelächter und ich vermag nicht zu sagen, ob das so beabsichtigt war.

FAZIT

Midsommar, du machst es mir nicht leicht! Der zweite Kinofilm von Ari Aster erreicht leider, in meinen Augen, nicht die Ebenen des Terrors eines Hereditary. Obwohl die grundlegenden Zutaten vorhanden sind. Die Kamera und der Sound sind exzellent. Das Schauspiel der Darsteller ist durch die Bank überzeugend. Ich hätte nicht mal Probleme mit dem Humor, wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass er, gerade zum Finale hin, etwas unfreiwillig ist – auch wenn es nie die Ausmaße des The Wicker Man Remakes mit Nicolas Cage annimmt. Trotzdem hatte ich meinen Spaß mit Midsommar und denke mir, dass er nach mehrmaliger Sichtung noch in meiner Gunst steigen kann.

 

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