Filmkritik: Mother!

Darren Aronofsky hat noch nie „leichte“ Filme gemacht. Sein Markenzeichen ist es, Realität mit Traumsequenzen oder Wahnvorstellungen zu verschmelzen und es dem Zuschauer zu überlassen, was denn nun tatsächlich passiert und was sich nur in den Köpfen der Protagonisten abspielt. Damit schafft er faszinierende Psychogramme und hinterlässt viele Fragen in den Köpfen seiner Zuschauer. Mit Mother! geht er noch einen Schritt weiter, denn hier ist nichts, was es auf den ersten Blick zu sein scheint.

INHALT

Ein unter einer Schreibblockade leidender Poet lebt mit seiner jungen Frau in einem großen, abgeschiedenen Haus. Während sie in liebevoller Kleinarbeit das alte Haus renoviert und wieder auf Vordermann bringt, versucht er endlich wieder seine Inspiration zu finden.

Als plötzlich ein Fremder vor der Tür steht und sich als Fan des Poeten herausstellt, findet dieser Gefallen an der ungewöhnlichen Aufmerksamkeit, die ihm hier zu Teil wird und lädt den Mann ein zu bleiben. Seiner Frau ist die Sache gar nicht geheuer und bevor sie es sich versieht, trifft erst die Frau des Fans und später deren beider Söhne ein.

Von da an beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen, werden immer verstörender und beängstigender für die Hausherrin, die weder weiß was da um sie herum passiert, noch irgendetwas dagegen zu tun vermag.

© 2017 Paramount Pictures

KRITIK

Es ist schwer zu sagen ob die Marketing-Abteilung im Falle von Mother! einfach nicht gewusst hat was sie damit anfangen sollte oder bewusst versucht hat den Film als Horrorfilm zu verkaufen, um mehr Menschen in die Kinos zu bekommen. Wie dem auch sei, mit einem Horrorfilm haben wir es hier definitiv nicht zu tun, auch wenn er immer wieder in die Trickkiste des psychologischen Horrors greift und, gerade gegen Ende, mit seiner Darstellung unsäglicher Dinge hart an der Grenze dessen kratzt, was man als Zuschauer sehen möchte (oder kann).

Viel mehr haben wir es hier mit einer Allegorie zu tun, darauf weisen schon die Bezeichnungen der beiden Hauptakteure hin. Sie werden im Skript nur als „Er“ und „Mutter“ bezeichnet und im Film selbst nie per Namen angesprochen. Auch scheinen sie, bis zum Eintreffen des ersten Besuchers, völlig abgeschieden von der Außenwelt zu leben, in diesem riesengroßen Haus in der Mitte einer Waldlichtung, zu dem keine Straßen führen. Und spätestens nach dem Erscheinen der Ehefrau des Verehrers wird schnell klar, dass sich hier keine reale Geschichte entwickelt.

Wir, als Zuschauer, sitzen in einem Boot mit der Ehefrau des Poeten. Und genau wie sie müssen wir hilflos zusehen, wie ihr Leben, zuerst langsam und dann ab dem zweiten Drittel in atemberaubender Geschwindigkeit, komplett aus den Fugen gerät. Der Film schafft diese Verbindung zwischen „Mutter“ und dem Publikum durch bemerkenswerte Stilmittel. Zum einen bleibt die Kamera fast ausschließlich in ihrer unmittelbaren Nähe. Wir sehen nur was sie sieht und das meist in Einstellungen über ihre Schulter. Diese andauernde Nähe, gepaart mit der gewollt unangenehmen Geräuschkulisse und den immer schneller, immer verstörender werdenden Ereignissen, macht es unglaublich nachvollziehbar, wie sich diese Frau fühlen muss.

© 2017 Paramount Pictures

Worum es im Endeffekt geht, ist eine Frage die uns Mother! nicht beantworten will. Wenn ich eingangs vom Film als einer Allegorie gesprochen habe, trifft das nur halb den Kern. Er ist eine ganze Ansammlung von Allegorien. Einige große, die den ganzen Film einschließen, und ein paar kleinere, die sich nur auf bestimmte Passagen beziehen. Und hier möchte ich auch meinen Hauptkritikpunkt anbringen. Denn obwohl sich der Film auf viele Arten interpretieren lässt, so ist doch zumindest ein Ansatz ganz klar im Vordergrund (offensichtlich bewusst). Das ist an sich nicht schlimm, doch ein wenig mehr Subtilität hätte dem Thema gut getan und den Film noch offener für Gedankenspiele gemacht. Möglicherweise ist das aber nicht was Aronofsky wollte.

Die schauspielerischen Leistungen der beiden Hauptperson ist phänomenal. Javier Bardem mimt den Poeten in einer so ruhigen und doch fast erschreckenden Intensität, dass man sich kaum fragen traut, was sich wirklich hinter seinen durchdringenden Augen abspielt. Und Jennifer Lawrence, die in den letzten Jahren ausschließlich in Blockbuster-Produktionen als starke Heldin zu sehen war, tut hier genau das Gegenteil. Eine etwas naive Person, die den Dingen die plötzlich rund um sie passieren hilflos ausgeliefert ist. Und die Kamera, die ständig fast schon unangenehm (auch für den Zuschauer) nah an ihr dran ist, fängt all die Verwirrung, Angst und Verzweiflung gnadenlos ein und lässt keine Fehler zu. Als Nebenfiguren gibt es noch Ed Harris, Michelle Pfeiffer und eine sehr überraschende Kristen Wiig zu sehen, die alle hervorragende Arbeit leisten.

Produktionsdesign sowie alle anderen technischen Aspekte sind erstklassig. Das Haus in dem sich alles abspielt, ist wunderschön und durch seine Bauweise verwirrend, was dem ständigen Unbehagen eine zusätzliche Ebene gibt. Special Effect sind spärlich eingesetzt und stören nicht weiter, auch wenn sie nicht ganz so gut realisiert sind, wie sie es sein könnten. Erstmals arbeitet Aronofsky nicht mit seinem Lieblingskomponisten Clint Mansell zusammen, sondern dem ebenfalls hervorragenden Jóhann Jóhannsson, der vor allem für sein Zusammenarbeiten mit Denis Villeneuve bekannt ist. Und er macht seine Arbeit sehr gut, auch wenn Musik in Mother! generell nur sehr verhalten genutzt wird. Dafür ist das Sounddesign umso aufdringlicher. Die ständig unangenehmere Geräuschkulisse des Hauses und der Dinge die in ihm passieren, werden fast zu einem eigenständigen Charakter.

© 2017 Paramount Pictures

FAZIT

Mother! wird ohne Frage das Publikum spalten. Wer sich einen Unterhaltungsfilm erwartet, oder gar einen Horrorfilm wie es die Trailer suggerieren, wird schwer enttäuscht werden. Aber auch Leute die wissen worauf sie sich einlassen, werden geteilter Meinung das Kino verlassen. Die präsentierten Themen und deren Visualisierung, sind bestimmt nicht jedermanns Sache. Trotzdem, wer Arthouse-Filmen etwas abgewinnen kann und gerne seine kleinen, grauen Zellen stimulieren lässt, der sollte Mother! nicht versäumen.

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