Filmkritik: Schneemann

Schon seit geraumer Zeit erfreuen sich Krimireihen skandinavischer Autoren größter Beliebtheit. Henning Mankells Wallander Reihe, Stieg Larssons Millennium-Trilogie, oder eben Jo Nesbøs Geschichten rund um Harry Hole, um nur einige der Bekanntesten zu nennen. Viele dieser Krimis wurden bereits für’s Fernsehen oder Kino verfilmt, in durchwegs überraschend hoher Qualität. Und so war die Erwartungshaltung recht groß, als bekannt wurde, dass mit „Schneemann“ eine hochkarätig besetzte Hollywood-Adaption von Nesbøs sechstem Hole Roman in den Startlöchern steht.

 

Handlung

Der brillante, aber schwer von seiner Alkoholsucht gezeichnete Kriminalkommissar Harry Hole misst dem aktuellen Fall rund um eine verschwundene Mutter, die Mann und Kind zurücklässt zunächst keine große Bedeutung zu. Zudem versucht er den Kontakt zu seiner Ex-Freundin und deren Sohn, für den er so etwas wie ein Ersatzvater geworden ist, aufrecht zu erhalten.

Erst die frisch nach Oslo versetzte, junge Kollegin Katrine Bratt, stößt ihn auf ein Muster, dass das aktuelle Verschwinden mit alten Fällen in Verbindung bringt. Anscheinend entführt jemand junge Mütter bei Schneefall und hinterlässt nur einen traurigen Schneemann.

Als dann die erste Leiche aufgefunden wird und der Täter per Brief mit Hole direkt Kontakt aufnimmt, wird die Sache nicht nur kompliziert, sondern auch sehr gefährlich für Harry und sein Umfeld.

© Universal Pictures 2017

Kritik

Eine millionenfach verkauft Buchvorlage, ein Regisseur der sich mit Filmen wie „Let The Right One In“ oder „Dame, König, As, Spion“ international einen Namen gemacht hat, sowie ein großes Hollywood-Studio im Rücken und mit Leuten wie Michael Fassbender, Charlotte Gainsbourg und J.K. Simmons hochkarätig besetzt. Was soll da groß schiefgehen?

Nun, leider fast alles. Das fängt schon beim Drehbuch an. Es ist schwer zu sagen ob hier einfach nur stümperhaft umgesetzt wurde, oder man bewusst versucht hat, die Struktur und Handlung der Vorlage abzuändern, und dabei auf voller Linie versagt hat. Es fehlt an erzählerischen Höhepunkten, überflüssige Handlungsstränge und Personen bekommen viel zu viel Screentime, während relevante Hintergründe, die das Handeln der Akteure nachvollziehbarer machen würden, nur gestreift, oder ganz ignoriert werden.

Die erste Hälfte von Schneemann schafft es noch ganz gut, seine Charaktere zu etablieren, den Fall vorzustellen und diese, für die skandinavischen Krimis so typische, trostlose Atmosphäre entstehen zu lassen. Doch schon hier zeigen sich Probleme. Der Film sagt und zeigt uns Harry als kaputten, alkoholkranken und schwer gezeichneten Mann, doch macht er nie auch nur die geringsten Anstalten uns zu erklären warum das so ist. Gleiches gilt für seine Kollegin Katrine, wobei ihre eine (viel zu spät stattfindende) Rückblende zumindest versucht ein wenig Licht auf ihre Motivationen und Hintergründe zu werfen.

Ab der Hälfte bricht dann allerdings die gesamte Erzählstrukur zusammen. Schlecht platzierte Rückblenden, gepaart mit ins Nichts führenden Nebenhandlungen und Dialogen, die unfertig wirken, machen eine in ihren Grundzügen sehr interessante, aber nicht sonderlich komplexe Krimi-Story, zu einer kaum durchschaubaren, über-komplizierten Farce, die den Zuschauer mit der falschen Art Fragezeichen überm Kopf zurücklässt, nämlich die „Was zum Henker sollte das alles eigentlich?“

© Universal Pictures 2017

Leider hören die Kritikpunkte beim Drehbuch nicht auf. Auch der Schnitt sabotiert den potentiell spannenden Krimi. Durch das oftmalige Wechseln zwischen völlig voneinander unabhängigen Szenen unterbindet man jeglichen Spannungsaufbau im Keim, in einem Film dem es ohnehin an emotionalen Höhepunkten mangelt. Aber vor allem das Finale, dass die einzige, echte Actionsequenz zu bieten hat, wirkt wie ein Lehrbeispiel dafür, wie man eine solche Sequenz nicht schneiden sollte. Nur anhand der Szenen danach, kann man sich selbst zusammenreimen, was da eigentlich passiert ist.

Zu all dem kommen noch eine Handvoll wirklich schlechter CGI-Effekte, die total überflüssig sind, da sie für Dinge verwendet werden, die sich auch problemlos mit praktischen Effekten realisieren ließen. Damit verdirbt man sich dann auch noch einen der wenigen Punkte in denen der Film wirklich gut gelungen ist, nämlich der Kamera-arbeit. Die stimmungsvollen Bilder und tollen Landschaftsaufnahmen fangen die unterkühlte Atmosphäre sehr schön ein, doch die miesen Computereffekte reißen einen immer wieder raus.

Bleibt noch die Besetzung, die zwar geschlossen gute Arbeit abliefert, der man aber ganz klar anmerkt, dass sich aus dem zur Verfügung stehenden Material aber nur mäßig viel herausholen lässt. Fassbender, Rebecca Ferguson als Kollegin Katrine, Charlotte Gainsbourg als Ex Rakel, aber auch ein J.K. Simmons als zwielichtiger Großindustrieller, oder Val Kilmer als Kommissar Rafto, der schon zuvor an dem Schneemann-Fall gescheitert ist. Sie alle geben ihr Bestes, scheitern aber im Kampf gegen das verunglückte Drehbuch.

© Universal Pictures 2017

Fazit

Wäre Schneemann eine billige TV-Produktion, so würde der Film grade noch so als Mittelmaß durchgehen, dass man sich anschauen kann, aber sicher nichts versäumt, wenn man es bleiben lässt. Als Hollywood-Produktion allerdings, der es weder an großen (und hochkarätigen) Namen, noch Geld oder einem durchaus respektablen Kreativteam mangelt, ist der Film eine Enttäuschung auf ganzer Länge. Ein Drehbuch, dass nicht weiß wohin es will und welche Aspekte der Vorlage wichtig sind, eine schwache Regie- und Schnitt-Arbeit, sowie billige, überflüssige Effekte, machen aus einer potentiell spannenden Story einen wirren Krimi ohne Höhepunkte.

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