27 Jahre ist es nun her, dass Tim Curry als erste filmische Inkarnation des teuflischen Clowns Pennywise sein Unwesen trieb. Da es sich hier um eine Produktion für das Fernsehen handelte, blieb seine Jagd nach dem Club der Verlierer relativ handzahm. Dieses Jahr feiert das Wesen in der Clownsmaske sein Comeback und seinen ersten Auftritt auf der großen Leinwand. Auch wenn ES vielleicht nicht der gruseligste Horrorfilm der letzten Jahre geworden ist, so ist er doch mit Sicherheit einer der Besten. Denn der Film hat neben dem Horror in Form von Pennywise vor allem eines zu bieten: eine verdammt liebenswerte Heldentruppe.
Inhalt
Derry, Main, in den späten 1980ern. Der kleine Georgie Denbrough läuft kichernd durch den strömenden Regen. Er lässt ein kleines Papierboot, welches ihm sein großer Bruder Billy gebastelt hat, durch die Strömung die Straße entlang treiben. Zu spät bemerkt Georgie den Abwasserschacht, und so muss der Junge mit ansehen wie das Boot in der Finsternis des Abwasserkanals verschwindet. Kurz denkt er darüber nach, dass Billy ihn vermutlich umbringen würde, jetzt da er das Boot verloren hatte. Denn noch ahnt er nicht, dass es nicht sein Bruder sein wird der ihn das Leben kostet, sondern eine uralte Präsenz in der Gestalt eines tanzenden Clowns.
Kritik
Was soll ich sagen? ES hat gerockt. Ich bin ein großer Fan der Vorlage und hatte in einigen Belangen meine Zweifel. So wurde die Geschichte des Clubs der Verlierer im Vergleich zum Buch 30 Jahre in die Zukunft verlegt. Daher spielt der Film statt in den späten 50ern in den frühen 90ern. Eine Tatsache die weniger störend wirkte als ich dachte, denn Regisseur Andrés Muschietti weiß den Zeitgeist dieses Jahrzehnts ausgezeichnet einzufangen. So spielen die Mitglieder des Clubs der Verlierer Street Fighter in Spielhallen, hören begeistert New Kids On The Block auf ihren Walkman, oder man sieht im Hintergrund der Szene, dass im örtlichen Kino gerade Tim Burtons Batman läuft. All diese Komponenten plus die Tatsache, dass das Bild des Films immer leicht körnig ist, erzeugen ein wunderbares Retro-Feeling, welches den Film für mich auf Anhieb sympathisch machte.
Zweiter Schwerpunkt meiner Skepsis war die Tatsache, dass sich der Film nur auf die Geschichte der Kinder konzentriert. Ihr Zusammentreffen mit Pennywise als Erwachsene wollte man sich für Kapitel 2 aufheben. Dieser Punkt schien mir deshalb problematisch, da im Roman diese beiden Zeitebenen miteinander verwoben sind. Sogar so sehr, dass sie stellenweise erzählerisch ineinanderfließen. Wie ich aber erfreut feststellen durfte war auch dieser Zweifel unangebracht. Denn der erzählerische Fokus auf die Kindertage des Clubs der Verlierer macht aus ES einen tollen „Coming of Age“ Film… mit einem Kinder fressenden Clown.
Dies ist über weite Teile dem Drehbuch, welches zum Großteil von Cary Fukunaga geschrieben wurde, zu verdanken. Denn der Regisseur der ersten Staffel von True Detektive sollte ursprünglich auch für ES auf den Regiestuhl Platz nehmen. Mit dem Briten Will Poulter war auch bereits ein Darsteller für Pennywise gecastet und einem erfolgreichen Dreh stand scheinbar nichts mehr im Wege. Doch dann zog sich Fukunaga zwei Wochen vor Drehbeginn aufgrund kreativer Differenzen mit Warner Bros aus dem Projekt zurück. Das Drehbuch ist insofern bemerkenswert, weil es den Geist der Vorlage einfängt ohne dabei eine strikte Nacherzählung zu sein. In der Tat gab es nur ein paar wenige Szenen die ich so eins zu eins aus dem Buch kannte. Fand ich persönlich nicht schlimm. Denn der Film kommt mit eigenen, sehr guten, Ideen daher.
Die größte Stärke von ES ist ohne Zweifel der Cast. Die sieben Kids des Clubs der Verlierer sind perfekt besetzt. Die Jungschauspieler liefern durch die Bank eine sehr tolle Leistung ab. Besonders zu erwähnen gilt hierbei Jaeden Lieberher als Bill Denbrough, Sophia Lillis als Beverly Marsh und Stranger Things Veteran Finn Wolfhard, dessen Richie Tozier für einige der lustigsten Momente des Films verantwortlich ist. Im Allgemeinen überrascht ES mit unerwartet viel Humor und Herz. Denn die Chemie zwischen den Kindern funktioniert großartig. Man hat wirklich das Gefühl, dass diese Jugendlichen etwas verbindet. Sei es jetzt, wie im Buch, eine übernatürliche Macht, oder eben die schweren Schicksale der einzelnen Figuren. Denn jedes dieser Kinder ist irgendeiner Form Missbrauch ausgesetzt. So muss sich Beverly gegen die sexuellen Annäherungsversuche ihres Vaters erwehren. Eddie ist aufgrund seiner klammernden und überfürsorglichen Mutter zum Hypochonder erzogen worden. Stan leidet unter den hohen Erwartungen seines Vaters ihm gegenüber. Und Bill stößt bei seinen Eltern mit der Hoffnung, dass Georgie vielleicht doch noch leben könnte, ja, sich vielleicht nur in der Kanalisation verirrt hat, auf Unverständnis.
Interessant hierbei ist, dass die Erwachsenen im Leben der Kinder eine greifbarere und realere Bedrohung als ES selbst darstellen. Regisseur Andy Muschietti weiß auch dies perfekt zu inszenieren. So sind die Umgebungen in denen sich die Erwachsenen bewegen meist sehr dunkel. Die Wohnung der Marshs ist verfallen und mit sehr engen Fluren durchzogen, welche es Beverly unmöglich machen ihrem Vater auszuweichen. Manchmal bedient er sich auch nur einer geschickten Kameraperspektive, um zum Beispiel eine übergewichtige, verängstigte und um ihren Sohn besorgte Frau wie ein bedrohliches Wesen wirken zu lassen. Ebenfalls eine sie alle verbindende Bedrohung ist der Bully Henry Bowers, der leider im Vergleich zu anderen Figuren etwas blass ausfällt.
Alles andere als blass fällt hingegen das titelgebende Monster aus. Wo Tim Currys Pennywise auf den ersten Blick fast freundlich wirkt, fackelt Bill Skarsgards Interpretation nicht lange. Sein Pennywise ist ein Monster. Die Haut des Clowns dient ES nicht als Köder für Kinder sondern ist ein weiteres Medium der Angst. Im Vergleich zur Erstverfilmung verfügt ES, wie im Buch, über die Fähigkeit die Ängste seines Opfers zu manifestieren. Auch wenn der Clown die dominante Form des Wesens ist, bleibt ES auf diese Weise ungreifbar. Eine Tatsache die mir sehr gut gefallen hat. Auch das Design von Pennywise, oder Skargards schlaksige Art sich zu bewegen fand ich sehr gelungen. Bei Skarsgards Darstellung wird deutlich klar, dass etwas nicht menschliches versucht einen Menschen zu imitieren. Dies und seine sadistische Freude bei der Jagd machen den schielenden und sabbernden 2017er Pennywise zur bisher verstörendsten Inkarnation des Clowns.
FAZIT
Ich habe mich sehr auf das Remake gefreut. Als großer Fan des Buches muss ich zugeben, dass der Roman viele Stärken, aber auch gewisse Schwächen hat. Daher durfte ich erfreut feststellen, dass der Film manche Dinge sogar besser löst, wie zB. das Finale. ES ist mehr eine Neuinterpretation des Romanes als eine reine Nacherzählung. So gibt es wenige Momente die man eins zu eins aus dem Buch kennt, aber dafür viele neue kreative Ideen, die allesamt toll funktionieren. Der Horror funktioniert gut, auch jenseits von Jumpscares, allerdings sollte man sich nicht den gruseligsten Film aller Zeiten erwarten. Auch fand ich schön, im Film unerwartet viel Herz und Humor zu finden. Der Club der Verlierer ist sehr sympathisch und es macht Freude den bunten Haufen bei der Bewältigung ihrer Ängste zu beobachten.
Abschließend kann ich sagen, dass ES vielleicht nicht der schlimmste Horrorfilm der letzten Jahre ist, aber Dank der tollen Jungdarsteller und einem wunderbar diabolischen Pennywise mit Sicherheit einer der Besten.