Filmkritik: The First Purge

Jedes Jahr existieren eine Nacht lang keine Regeln. 12 Stunden lang sind alle Gesetzte außer Kraft und jedem steht frei zu tun oder zu lassen was er will. Dieses simple, aber zugleich faszinierende Grundkonzept, ist seit „The Purge – Die Säuberung“ aus dem Jahr 2013 der Antrieb für die Reihe. Und das obwohl besagter erster Film nicht mehr als das Setup für einen eher schwachen Home-Invasion-Thriller daraus gemacht hat. Glücklicherweise hat man sich danach entschieden, dieses Konzept zum Mittelpunkt der Fortsetzungen zu erheben. Und das überaus erfolgreich, weswegen uns nun mit „The First Purge“ bereits Teil 4 der anarchischen Menschenjagd vorliegt.

INHALT

Wir befinden uns im Geburtsjahr der Purge. Noch handelt es sich dabei um kein landesweites Ereignis und auch diesen Namen trägt sie noch nicht. Die Neue Regierung der USA ist mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Missständen im Land überfordert und unternimmt, nach dem Entwurf einer angesehenen Psychologin, einen ersten Feldversuch auf Staten Island. Eine Nacht lang wird der New Yorker Bezirk von der Außenwelt abgeschottet, während der dort keine Gesetze oder Regeln herrschen.

Da es sich um ein Experiment handelt, werden die Bewohner nicht gezwungen zu bleiben, erhalten aber eine Prämie von 5000 Dollar, falls sie es tun. Weitere Zahlungen winken für all jene, die sich aktiv an der Säuberung beteiligen, denn die Regierung wacht mit Argusaugen über die Operation und will unbedingt, dass ihr Versuch zum Erfolg wird. Auch vor noch viel verwerflicheren Methoden schreckt man nicht zurück, doch hat niemand mit dem ansässigen Drogen-Boss Dimitri gerechnet, der seine ganz eigenen Ziele verfolgt.

© Universal Studios

KRITIK

Einen großen Fehler des Erstlings macht The First Purge leider, wenn auch in geringerem Maße, ebenfalls. Er beschäftigt sich zu wenig mit der eigentlichen Horrornacht. In diesem Fall, dem etablieren der wichtigen Charaktere, dem Setup für die erste Purge und den politischen Hintergründen der ganzen Sache. Das nimmt mehr oder weniger die gesamte erste Hälfte des Films ein und wenn das Chaos dann endlich losgeht, ist es allzu schnell auch wieder vorbei. Denn was dann in der zweiten Hälfte geboten wird, kann durchaus gefallen. Brutale Action, in einem Hexenkessel voller verzweifelter und aufgeheizter Menschen, die entweder überleben, oder sich abreagieren wollen.

Was trotz der langen Vorlaufzeit aber untergeht, ist eine schlüssige Erklärung für das Ganze. Wie etwa eine möglichst blutige Nacht dem Land weiterhelfen soll, wird zwar in ein paar gut klingenden Floskeln erklärt, hält aber keinem auch noch so kurzem darüber nachdenken stand. Zudem bricht der Film immer wieder seine selbst aufgestellten Regeln, um den Plot in Richtungen zu drängen, die eigentlich nicht nötig wären. So ist die One-Man-Show am Ende zwar cool, wäre aber nachvollziehbarer und bei dementsprechender Umsetzung nicht weniger aufregend, dafür aber ein wenig realistischer, hätte man auf sie verzichtet.

© Universal Studios

So sind die größten Mängel von The First Purge eindeutig dem Skript geschuldet, dass wie so oft in Filmen dieser Art, versucht mehr zu sein als eigentlich nötig wäre. Das Chaos dieser besonderen Nacht macht den Reiz der Idee aus. Der Kampf ums Überleben für die einen, die Erfüllung ansonsten verbotener Fantasien für die anderen. Und all die Tragödien und Abenteuer, die sich aus dieser Situation entwickeln können, dass ist es was man als geneigter Zuschauen sehen will. Gesellschaftspolitik und -kritik darf sehr wohl sein, doch sollte sie nicht zu sehr in den Vordergrund rücken, wenn man eigentlich nur einen Popcorn-Film machen will.

Gut gelungen und auch dargestellt sind dagegen die Hauptcharaktere. Vor allem der noch weitgehend unbekannte Y’lan Noel, der Dimitri verkörpert, fällt auf. Den harten, aber doch sehr um sein Viertel und seine Familie besorgten Drogenbaron nimmt man ihm ohne weiteres ab. Leider fällt die Qualität bei den Antagonisten sichtlich ab. Der durchgeknallte Junkie Skeletor (Rotimi Paul) funktioniert zwar an sich recht gut, er wird aber viel zu wenig genutzt um zu einer echten Bedrohung zu werden. Der fiese Stabschef (Patch Darragh) bleibt ein facettenloser Pappkamerad und die wunderbare Marisa Tomei wird in einer winzigen und undankbaren Rolle verheizt.

Recht gut gelungen ist The First Purge in allen handwerklichen Bereichen. Kamera und Schnitt arbeiten mit der, für einen Film mit geringem Budget wirklich sehr guten, Kampfchoreografie homogen zusammen und liefern ein paar wirklich gute Szenen ab. Ebenfalls positiv fallen die per CGI eingefügten Bluteffekte auf, ist doch gerade Blut noch immer eine Achilles-Ferse im Bereich der Computer Effekte und eine Sache die auch Groß-Produktionen mit wesentlich größeren Budgets nicht immer hinbekommen (zuletzt etwa Deadpool 2). Hier ist das digitale Blut fast immer glaubwürdig und wird auch nur eingesetzt, wenn nötig. Der Soundtrack besteht fast ausschließlich aus rauen Hip-Hop Tönen, was zwar sicher nicht jedermanns Geschmack sein dürfte, aber sehr gut zum Setting und dem Ton des Films passt.

© Universal Studios

FAZIT

The First Purge verschenkt leider viel Potential mit einer zu zähen ersten Hälfte und einigen überflüssigen Ungereimtheiten im Plot. Dafür bietet der Film, wenn er dann mal loslegt, qualitativ hochwertige Action und ein gutes Maß an Spannung. Wenn man ein bisschen beim Setup dieser ersten Purge gespart und dafür ein wenig mehr in die Antagonisten investiert hätte, wäre da noch einiges drin gewesen. So aber erreicht The First Purge nicht mehr als eher belangloses Mittelmaß und reiht sich damit nur knapp vor dem ersten Teil auf Platz 3 der Serie ein. Für rund 2 Stunden abschalten und berieseln lassen ist er trotzdem allemal geeignet, auch wenn jeder selbst entscheiden muss, ob ihm das eine Kinokarte wert ist.

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