Filmkritik: The Lighthouse (OV)

Ach, wie habe ich mich auf diesen Film gefreut. Ich muss zugeben, dass ich erst durch einen meiner Kollegen auf The Lighthouse aufmerksam geworden bin. Um genau zu sein, nach dem Film Festival in Cannes dieses Jahr. Es brauchte nur ein wenig Recherche bis der Funke zur Flamme wurde. Nach seiner Rolle als Regisseur in The Witch, herrschte eine lang andauernde Stille um Robert Eggers. Erst dieses Jahr kehrt er mit seinem zweiten, wortwörtlichen „Streifen“ wieder auf die Leinwand zurück, setzt einen maßgeblichen Meilenstein in der aktuellen Filmindustrie, und beweist damit auch zum selben Zeitpunkt, dass manchmal ein Schritt zurück, auch ein Schritt nach Vorne sein kann.

INHALT

The Lightouse handelt vom Leben zweier Männer auf einer entlegenen Insel gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Aufgabe? Einen Leuchturm-Außenposten vor der Küste Neuenglands instand zu halten. Thomas Wake (Willem Dafoe) und Efraim Winslow (Robert Pattinson) werden Anfangs nicht warm miteinander, da der wesentlich ältere Thomas den jungen Efraim dazu zwingt die Drecksarbeit zu erledigen, und er entgegen den Vorschriften den ehemaligen Holzfäller keine Schicht in der Kuppel des Leuchtturms übernehmen lässt. Das bestehende Machtverhältnis bereitet Efraim schon zu Beginn des vierwöchigen Auftrags Unbehagen, weswegen er immer öfter versucht mehr über seinen Kollegen herauszufinden. Auch das plötzliche Verschwinden seines Vorgängers, hilft in der ganzen Situation nur wenig. Als ein Sturm die zwei komplett verschiedenen Persönlichkeiten auf der Insel festhält, entwickelt sich das Machtspiel mehr und mehr zu einem rauen Überlebenskampf. Die psychische Belastung macht es Efraim unmöglich den Überblick zu behalten und zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden. Dabei stellt er nicht nur seine Umgebung Infrage, sondern auch sich selbst.

© Universal Pictures International

KRITIK

Die Handlung von The Lighthouse greift einige, menschliche Themen auf, die besonders zur damaligen Zeit, unter derartigen Verhältnissen wirklich herrschten. Eine immer wiederkehrende Symbolik ist beispielsweise die Sirene, welche von dem Model Valeriia Karaman verkörpert wird. Schon Homer schrieb in seinem Epos „Odyssee“ über den wundervollen Gesang der Sirenen, und darüber, dass diese die verzauberten Seemänner zu sich ins Wasser locken, um sie zu ertränken. Auch in The Lighthouse dient diese Anspielung zur Symbolisierung des schmalen Grades zwischen Vernunft und Wahnsinn der Charaktere. Während die Auswirkungen der Einsamkeit auf den schüchternen Efraim deutlich spürbar sind, ist es viel schwerer abschätzen zu können was sich im Kopf seines selbsternannten Vorgesetzten Thomas abspielt. Die Erzählperspektive aus Sicht des kanadischen Jungen macht es schwer, als Zuschauer selbst die Übersicht zu behalten, weswegen es auch möglich ist, viel in das, doch sehr konfuse, Ende hineinzuinterpretieren.

Die Unklarheit am Ende, trägt ungemein zur Atmosphäre des Films bei, lässt den einen oder anderen Zuschauer aber auf halber Strecke liegen. Die durchgängige Symbolik, die im Film Vertreten ist, wirft bis zum Ende der 110 Minuten mehr Fragen in den Raum als sie beantwortet. Natürlich liegt es an jedem Zuschauer selbst das Ende für sich zu interpretieren, aber eine Interpretation auf einer Basis von ungeklärten Fragen und teils lückenhaften Erklärungen gestaltet sich nicht allzu leicht. Laut einem Interview des Regisseurs sind die beiden Hauptfiguren des Films den mythologischen Göttern Prometheus und Proteus nachempfunden, was bei einer genauen Recherche durchaus Sinn ergibt.

Der Film scheut sich nicht davor den Zuschauer mit obszönen, teils übertrieben realistischen Szenen zu konfrontieren, was dazu führt, dass selbst das Publikum die Grenze seiner Auffassung infrage stellt. Besonders das Set und die Arbeit mit fast ausschließlich praktischen Effekten lässt im Zusammenhang mit der einzigartigen Optik ein Gefühl aufkommen, als würde man echte Szenen einer alten Videoaufnahme sehen.

© Universal Pictures International

 

Wie vielen sicherlich aufgefallen ist, unterscheidet sich The Lighouse in seiner Optik stark von jeglichen anderen Filmen in der heutigen Zeit. Grund dafür ist das besonders auffällige Format in Kombination mit der Schwarz-Weiß Farbgebung. Als Kameramann fungierte Jarin Blaschke, welcher auch in The Witch schon erstaunliche Arbeit leistete. Laut ihm orientierte man sich an den Tonfilmen des 19. Jahrhunderts. Die nahezu quadratische Form der 35mm Filmaufnahmen trägt ungemein zum Mystery/Horror Feeling des Films bei. Die durchgehend bedrückende Stimmung wird durch das Enge Format nochmals weitergesponnen, bis zu einem Punkt, an dem ein klaustrophobisches Unbehagen zum Normalsein wird. Diese Authentizität wird durch bedrückende Musik von Mark Korvan untermalt, welcher ebenfalls schon an The Witch mitgearbeitet hat. Auch die Umstände des Drehorts wurden so eingefangen, wie es im Film gezeigt wurde, es kamen also weder Wind- noch Regenmaschinen zum Einsatz. Das alles ist schön und gut, aber besonders bei einem Film mit gerade einmal zwei Charakteren ist es wichtig, dass es nicht an der schauspielerischen Leistung mangelt. Und um den Entgegenzuwirken, aber auch die Glaubwürdigkeit des Settings nicht zu verlieren, mussten Willem Dafoe und Robert Pattinson ein intensives Sprachtraining absolvieren, um dem Gesprochenen auch den damals üblichen Fischerdialekt zu geben. An diesem Punkt muss ich kurz einhaken: Ich habe den Film in seiner Originalfassung gesehen. Und zugegebenermaßen, es hat sich gelohnt! Zwar fiel es mir in einigen Abschnitten schwer dem Geschrei eines Betrunkenen Willem Dafoes mit einem altenglischen Seemansdialekt zu folgen, dennoch würde ich behaupten, dass bei der deutschen Synchronisation einiges an Atmosphäre verloren geht.

© Universal Pictures International

FAZIT

Für mich setzt The Lighthouse neue Maßstäbe in der heutigen Filmindustrie. Robert Eggers und sein Team stellten einen Film auf die Beine, der in seiner Art so einzigartig ist, dass es mir schwer fällt zu beschreiben was mir während der Filmvorführung durch den Kopf ging. Die scheinbare Echtheit der Aufnahmen entführt den Zuschauer in eine Scheinwelt, in welcher die Realität kaum von der Fantasie des Regisseurs zu unterscheiden ist. Die einzigartige Optik entfaltet ihre Stärke erst durch die schauspielerische Qualität die Robert Pattinson und Willem Dafoe mit sich bringen. Die teils unbeantworteten Fragen mögen für den einen oder anderen Kinogänger zwar störend wirken, allerdings wirft sich die Frage auf, ob jedes Rätsel eine Antwort benötigt.

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