Filmkritik: Wir

Mit seinem Erstlingswerk Get Out sorgte Regie-Anfänger Jordan Peele nicht nur bei Kritik und Publikum für Freude, sondern gewann auch den Oscar für das beste Original-Drehbuch. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt wie gerne die Academy Horrorfilme generell übersieht. Nun ist er zurück mit seinem zweiten Film, wieder von ihm selbst geschrieben und abermals passt der Film nicht gänzlich ins Horror-Genre. Aber kann er auch den Qualitätsstandard halten?

INHALT

Adelaide und Gabe Winston wollen die Ferien gemeinsam mit ihrem beiden Kindern Zora und Jason in Adelaides Elternhaus, nahe dem Meer, verbringen. Dort angekommen scheint noch alles in bester Ordnung zu sein, doch schon bald häufen sich seltsame Zufälle, die Adelaide mehr als nur beunruhigen. Als Kind hatte sie am hiesigen Strand ein traumatisches Erlebnis, an das sie sich zwar kaum erinnern kann, doch die Umgebung von damals bringt die alten Geister zurück.

Gerade als sie versucht, Gabe zu überreden den Urlaub abzubrechen und nach Hause zu fahren, stehen plötzlich vier Gestalten in ihrer Einfahrt. Trotz Gabes Versuchen, lassen sie sich nicht vertreiben, ganz im Gegenteil. Als sich die Fremden Zugang zum Haus verschaffen, muss die Familie zu ihrem Entsetzen feststellen, dass es sich bei den Eindringlingen um so gut wie identische Doppelgänger ihrer Selbst handelt. Doch was noch schlimmer ist, die Neulinge sind nicht mit friedlichen Absichten hier.

©2019 UNIVERSAL STUDIOS

KRITIK

Auch wenn Wir viele Eigenschaften eines klassischen Horrorfilms aufweist, so fühlt man sich doch eher in eine überlange Episode von The Twilight Zone, der kultigen und düsteren Sci-Fi Serie, versetzt. Ohne das Text-Insert über die vielen ungenutzten Tunnelsysteme unter den USA und die anschließende Rückblende auf Adelaides Kindheit, könnte man während der ersten Hälfte des Films versucht sein, zu glauben in einem gewöhnlichen Home-Invasion Shocker gelandet zu sein. Sobald aber die seltsamen Doppelgänger erscheinen, wird auch dem letzten klar, dass größere Dinge passieren, als die nächste Familie, die in ihrem Zuhause von Bösewichten überfallen wird.

Leider ist gerade diese erste Hälfte auch recht zäh und langsam. Vielleicht hat man sich deshalb entschieden, gleich zu Beginn Hinweise auf eine größere Story fallen zulassen. Denn ohne diese Erwartungshaltung, würde der Anfangsteil von Wir wohl verdammt hart an der Grenze zur Langweiligkeit kratzen. Ganz persönlich hätte ich es aber interessanter und mutiger gefunden, wenn man den Zuschauer für ein Weilchen in dem Glauben lässt, einfach einen weiteren 08/15 Horrorfilm zu sehen. Allerdings hätte dieses Weilchen dann aber wesentlich spannender aufgebaut sein müssen.

Sobald der Film allerdings Fahrt aufnimmt und die Hintergründe der obskuren Ereignisse langsam erkenntlich werden, schlägt Wir einen Haken und driftet ein ganzes Stück weit ins Surreale ab. Und das ist gut so, denn die Ideen und vor allem Fragen, die er aufwirft und nur sehr unzulänglich bis gar nicht beantwortet, sind es, die nach dem Abspann im Kopf des Zuschauers hängen bleiben. Zu diesen spannenden Fragen gesellen sich allerdings aber auch die eine oder andere nach der Logik gewisser Elemente. Die aberwitzigen Ideen, die Wir auftischt, erheben absolut keinen Anspruch auf Realitätsnähe oder logische Schlüssigkeit, trotzdem erfordert es einiges an gutem Willen, um nicht über die eine oder andere Ungereimtheit zu stolpern und quasi aus dem Film zu fallen, weil die Immersion flöten geht.

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All diesen Kritikpunkten zum Trotz, hat Jorden Peele es ein weiteres Mal geschafft, einen spannenden, streckenweise richtig unangenehmen Horrorfilm abzuliefern. Die Besetzung ist in diesem Zusammenhang ein Schlüsselpunkt, gilt es doch für die Hauptdarsteller, eine Doppelrolle zu spielen. Die junge Oscar-Preisträgerin Lupita Nyong’o hat hier die schwerste Aufgabe, da ihre Charaktere die komplexesten sind, was sie aber bravourös meistert. Auch der Rest des Hauptcasts kann überzeugen, einschließlich der Kinder, die hier einmal nicht den Schwachpunkt der Besetzung darstellen. Einen solchen gibt es hier auch nicht, selbst die Nebenrollen sind hochqualitativ besetzt und überzeugen.

Wie schon in Get Out beweist Peele ein Gespür für einprägsame Bilder, denn auch hier gibt es einige davon. Überhaupt ist die Cinematografie hervorragend, mit viel Fantasie machen Kamera und Schnitt viel von der Frischheit des Films aus. Die ein kleines bisschen „falschen“ Gesichter der Doppelgänger sind wohl ein Zusammenspiel aus Maske und CGI, das hier außerordentlich gut funktioniert. Dazu kommen State-of-the-Art Blut und Gore Effekte und besonders am Ende ein unheimliches Setdesign. Die Musik fügt sich perfekt in die unangenehme Stimmung ein, mit Klängen, die ein ganz klein wenig neben dem liegen, was man erwartet und als angenehm empfunden werden kann.

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FAZIT

Auch beim zweiten Anlauf ist Jordan Peele ein eigenständiger Horrorfilm gelungen, der im Gegensatz zu den allermeisten Genre-Vertretern die ausgetretenen Pfade verlässt und mit ganz eigenständigen Ideen daherkommt. Trotzdem kann Wir mit seinem Erstling nicht ganz mithalten. Dafür sind die Logiklücken einen Hauch zu groß und die erste Hälfte eine Winzigkeit zu langsam und konventionell. Wer allerdings das Horror- sowie das Sci-Fi Genre mag und mal etwas anderes als den hundertsten Aufguss der selben Story sehen will, dem sei Wir wärmstens empfohlen.

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