Ein umfangreiches Open World Action-Adventure, kombiniert mit Parkourlauf-Elementen? Klingt ungewöhnlich, aber genau das hat das japanische Entwicklerstudio Luminous Productions für Publisher Square Enix mit Forspoken entwickelt. Die Entwickler wollten etwas Neues Ausprobieren, und das ist ihnen auch gelungen.
Forspoken ist am 24. Jänner für PlayStation 5 und für den PC (auf Steam) erschienen. Die Kritik vor allem an der PC Fassung war beträchtlich, also haben wir uns das Spiel einmal genauer angesehen. Sind die Hardewareanforderungen wirklich so enorm? Sind die Dialoge so schlecht? Plagen ungewöhnlich schwerwiegende Fehler das Spiel? Die Grafik schaut ja schon einmal ziemlich gut aus. Mal sehen!
Frey Holland
Unser Spielcharakter ist nicht unbedingt der große Sympathieträger. Wir spielen Frey Holland, ein Waisenkind. Sie lebt ganz alleine (nur mit ihrer Katze Homer) in einem verlassenen Gebäude in einer gefährlichen Gegend von New York. Sie ist in illegale Aktivitäten verwickelt, hat bereits mehrere Vorstrafen und schrammt gerade ganz knapp (und nur aufgrund einer gnädigen Richterin) an einer langen Haftstrafe vorbei. Sie wird von einer Gang gejagt, die offensichtlich noch eine offene Rechnung mit ihr hat, nachdem der letzte Auftragsdiebstahl nicht so gut funktioniert hat. Sie träumt von einem neuen Leben ohne Verbrechen, Polizisten und in frischer Luft, will aus der Stadt abhauen, um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Dazu hat sie bereits Geld gespart, aber natürlich klappt die Flucht aus der Stadt nicht wie geplant. Ihr Geld verbrennt, ihre Unterkunft ebenso, und sie steht nun ganz allein auf der Straße. Im Winter. Zumindest für ihre Katze Homer hat sie noch eine Unterkunft gefunden. Als Frey gerade diesen absoluten Tiefpunkt erreicht hat, findet sie in einem verlassenen Geschäft Cuff – ein sprechendes Armband, das sie in eine neue Welt teleportiert. Im ersten Kapitel des Spieles wird ganz massiv auf die sentimentale Ader gedrückt…
A Fairy Tale
Einige Spieler:innen finden die Dialoge schwach – aber ich finde die Gespräche zwischen Frey und Cuff ziemlich witzig und überaus gut übersetzt und vertont. Einige der anderen Dialoge sind manchmal allerdings schon etwas seltsam, zumindest nicht gerade literarisch hochwertig… aber nun ja, es handelt sich hier um ein Computerspiel, keinen Klassiker der Weltliteratur. Außerdem stammt Frey aus sehr schwierigen familiären Verhältnissen und nicht gerade der besten Gegend von New York – da kann sie ruhig ein wenig unsympathisch rüberkommen.
Die Grafik und Animationen sind derart aufwendig, vielleicht fallen dadurch die manchmal etwas schwächeren Dialoge umso mehr auf. Man sollte auch nicht vergessen, dass es sich bei Forspoken um ein modernes Märchen handelt – unsere Heldin wird aus dem heutigen New York in eine mysteriöse andere Welt teleportiert, in der Magie und schreckliche Monster vorkommen. Wir kämpfen gegen böse Zauberer, bewundern riesige Drachen und suchen in mittelalterlichen Gebäuden Schutz. An unserem Arm ist ein sprechendes, sehendes Armband, mit dem wir untrennbar verbunden sind.
We wanted to break boundaries and try new things.
Dank ihrem neuen Armband (und besten Freund Cuff…) verfügt Frey nicht nur über Kampffähigkeiten mit einem umfangreichen Arsenal an Angriffs- und Unterstützungsmagie, sondern kann dank Magie auch Parkour laufen. Sie bewegt sich nicht nur unglaublich schnell, sondern kann auch über Hindernisse wie Mauern sprinten. Im Laufe des Spieles erlernen wir immer neue Zaubersprüche, die in Angriffsmagie und Unterstützungsmagie unterteilt sind. Die Lackierung unserer Fingernägel beeinflusst unsere Charakterwerte und eine automatische Karte sorgt dafür, dass wir uns in der weitläufigen Welt nicht mehr so leicht verlaufen.
Cuff unterstützt uns auf vielfältige Weise. Mit seiner Hilfe können wir die Umgebung scannen und so (hinter Mauern) versteckte Feinde oder herumliegende Ressourcen entdecken. Wir sammeln Pflanzen und andere nützliche Dinge, um damit an Arbeitstischen Heiltränke herzustellen und unsere Ausrüstung (den Mantel bzw. spezielle Halsketten) zu verbessern. Crafting ist zwar nicht so ausgeprägt wie in einem typischen Survival-Spiel, aber durchaus ein wesentliches Spielelement. Cuff kann uns auch den Weg zeigen. Einmal auf den richtigen Knopf am Gamepad gedrückt, und schon fliegt eine kleine Feuerwerksrakete in Richtung unseres nächsten Zieles. Verirren ist mit dieser Unterstützung (und der automatischen Karte) nicht mehr möglich.
Combat
Aus unserer Hand schießt ein magischer Blitz (RT) hervor, wir können Verteidigungszaubersprüche benutzen (LT), Feinde werden mit RS markiert, RT+LS erzeugt einen extrem mächtigen Angriff, schwer verletzte und kurzfristig betäubte Gegner können mit einem Finisher spektakulär endgültig getötet werden. Das Kampfsystem ähnelt vergleichbaren Spielen, die überwiegend auf Fernkampf ausgelegt sind. Stamina gibt es nicht, dafür aber magische Energie, die sich automatisch langsam wieder auffüllt. Durch gewonnene Kämpfe (und die Erfüllung bestimmter Aufgaben) erhalten wir Erfahrungspunkte um unseren Charakter im Rang aufsteigen zu lassen. Athia ist voll mit Ressourcen wie Erzen oder medizinisch nutzbaren Pflanzen, die wir wann immer möglich einsammeln sollten. Die Welt ist auch voll mit Orten wie magischen Brunnen, Häusern in denen wir schlafen können, Monumenten und Schnellreiseportalen. Es gibt immer etwas zu tun.
The World of Athia
Das Land Athia steht am Rande des Abgrundes. Eine mächtige und geheimnisvollen Kraft, genannt der Bruch, verdirbt alles, was sie berührt, einschließlich der Bewohner von Athia und der Tantas, der einst gütigen Matriarchinnen, die nun als böse und wahnsinnige Zauberinnen über das Land herrschen. Der Bruch hat sich bereits fast über das gesamte Land gelegt. Frey kommt zu Beginn in die Stadt Cipal, einer der letzten Orte, der noch nicht vom Bruch verdorben wurde. Schon seit Jahren sind keine Menschen mehr von außerhalb in die Stadt gekommen. Daher ist sie der Stadtregierung verdächtig und wird gleich einmal in den Kerker geworfen, aber auch sehr rasch von einer ihr wohlgesonnenen Bürgerin, Johedy, befreit. Diese hat erkannt, dass Frey sich offensichtlich auch außerhalb der Stadt bewegen kann, ohne vom Bruch korrumpiert zu werden. Scheinbar ist Frey gegen die Auswirkungen des Bruches immun – ob das an ihrem geheimnisvollen Armband liegt? Nachdem wir den nach uns suchenden Wachen entwichen sind, versprechen wir unserer neuen Freundin, ihr bei der Suche nach ihrer Familie außerhalb der Stadt zu helfen. Wir lernen auch ein junges Mädchen kennen, das uns einen Weg aus der Stadt heraus zeigt.
Technische Probleme
Spieler:innen haben von technischen Problemen mit dem Spiel berichtet – und auch wir wurden davon (am PC) nicht ganz verschont. Sowohl bei Release als auch nach Patch 1.002 ist uns das Spiel mit der Fehlermeldung „File was broken, please try re-install“ abgestürzt. Eine Reparatur des beschädigten Files ist unter „Properties/Local Files/Verify integrity of game files“ direkt in Steam zwar relativ einfach möglich, aber der Fehler kann wieder auftreten. Durch das Einfügen von „-noDirectStorage“ bei „Properties/General/Launch Options“ scheint das Problem aber dauerhaft behoben worden sein.
Kein Fehler, aber die Ladezeiten zwischen den einzelnen Abschnitten dauern relativ lange. Das liegt wohl am Umfang des Spieles, aber manchmal war ich mir nicht mehr sicher, ob das Spiel nicht abgestürzt ist. Ich bin das Warten bei aktuellen Spielen auf meiner aktuellen Hardware (M.2 SSD, 32 GB RAM, Ryzen 5) scheinbar nicht mehr gewöhnt. Das Spiel ist auch alle 15 Sekunden immer kurz ins Stocken geraten (bei normaler Grafikeinstellung, es ist neben low auch high oder ultra möglich). Nachdem ich die Auflösung von 4K (2840×2160) jedoch auf FullHD (1920×1080) reduziert habe, gab es keine Probleme mit einer flüssigen Darstellung mehr.
Zusammenfassung
Grafik
Die Grafik ist schnell und flüssig, dazu überaus detailliert und stimmig. Hier gibt es nichts auszusetzen, zumindest wenn man die Einstellungen an die Leistungsfähigkeit seines PCs anpasst. Die Hardwareanforderungen sind hoch – unbedingt auf die Mindestanforderungen achten (i-7 oder Ryzen 5, dazu RX 5500 XT oder GTX 1060, 16 GB RAM, 150 GB Platz auf der Festplatte, Windows 10).
Sound
Für eine dem ehrgeizigen Umfang der Produktion angemessene Musik sorgen der God of War Ragnarök-Komponist Bear McCreary und der Komponist der Bioshock-Serie Garry Schyman. Auch die vollständige Übersetzung und die komplette Sprachausgabe in Deutsch, die von professionellen Sprechern aufgenommen wurde, zeigen, dass es sich bei Forspoken um kein kleines Indie-Projekt handelt. Die (englische) Stimme von Frey und ihr (verdammt gutes) Aussehen stammt übrigens von der Schauspielerin Ella Balinska, die beispielsweise aus „3 Engel für Charlie“ (2019) oder der Resident Evil Netflix-Serie bekannt ist.
Handling
Die Steuerung auf der PlayStation 5 erfolgt mit dem Controller – womit auch sonst? Es werden die üblichen Knöpfe verwendet, sodass erfahrene Spieler:innen nicht lange über die Tastenbelegung nachdenken müssen. Am PC könnt ihr zwischen Tastatur oder Gamepad wählen, wobei bei Benutzung eines PlayStation Controllers am PC auch die PlayStation Symbole im Spiel angezeigt werden. Der XBox Controller funktioniert natürlich genauso gut.
Spieldesign
Unsere Heldin Frey bewegt sich in großen Spielumgebungen und kann selbst entscheiden, ob sie Gegner angreifen oder doch lieber an ruhigeren Orten Blumen (für Zaubertränke…) sammeln will. Die Kämpfe sind natürlich ein zentrales Element, aber nicht jeder Gegner muss vernichtet werden, um in der Geschichte voran zu kommen. Erfahrungspunkte, die zum Aufleveln von Frey benötigt werden, gibt es aber vor allem durch gewonnene Kämpfe.
Motivation
Unsere Heldin bewegt sich mit ungeheurer Geschwindigkeit und magischer Parkourfähigkeit durch eine offene Fantasy Welt, die voller Quests, Kämpfe und interessanter Orte ist. Gekämpft wird mit Angriffs- und Verteidigungs-Zaubersprüchen, um die zahlreichen Gegner (inklusive mächtiger Drachen) auf Distanz zu halten und schließlich zu besiegen.
FAZIT
Forspoken ist ein gut aussehendes Action-Adventure, gemischt mit einem Parkourspiel. Das ist ungewöhnlich und sicher nicht Jedermanns Sache. Eine Wand hochlaufen, über die Wiese sprinten, über einen Abgrund springen, einen Feuerball auf einen Feind abfeuern und mit defensiver Magie einen anderen Gegner verlangsamen. Dazu eine umfangreiche Fantasywelt erkunden, Ressourcen sammeln und damit Gegenstände herstellen oder verbessern, neue Zaubersprüche oder andere Fähigkeiten lernen, Nebenmissionen erfüllen… das hat ein wenig vom Suchtfaktor der Spiele mit der Ubisoft-Formel. Hier noch eine Herausforderung, da noch ein Kampf, dort noch eine Miniquest. Da vergisst man doch leicht auf seine Hauptaufgabe – die Rettung der Welt. Allerdings ist das Prinzip an einigen Ecken leider nicht zu Ende gedacht und das vorhandene Potential wurde von den Entwicklern schlussendlich nicht ganz ausgeschöpft.