Forza Motorsport 7 im Test

Viel hilft viel – eine immer wieder zutreffende Weisheit … und ja zugegeben auch ein durchaus etwas ausgelutschtes Sprichwort. Dennoch trifft es auf den siebten Teil der Forza Motorsport Serie überaus treffend zu. Denn mit etwas über 700 Autos, insgesamt mehr als 200 Streckenvariationen in 32 Locations und einer Menge unterschiedlicher Events ist Forza 7 nicht nur das umfangreichste der aktuell zu habenden Rennspiele, sondern auch mit dank einiger Detailveränderungen der erneut beste Teil der Serie.

Heutzutage ein Rennspiel mit Simulationsanspruch auf den Markt zu werfen – gerade wenn man heutzutage wirklich wörtlich nimmt, Stichwort Project Cars 2, F1 2017 und GT Sport – ist ein ziemlich heikler Drahtseilakt. Die Physik-Engine muss gut genug sein, um die Profis zu befriedigen, gleichzeitig muss eben dieser Realismus aber auch auf Wunsch in so viele Lagen flauschige Noob-Hilfen verpackt werden können, dass jeder Käufer Spaß damit hat. Und das – um so viel gleich vorweg zu nehmen – kann kaum einer besser als Turn 10.

Zwei unterschiedliche Lenkungsmodelle – ganz im Stile von DiRT „normal“ oder „Simulation“ – kombinieren sich mit zahlreichen, meist in diversen Stufen einstellbaren Fahrhilfen zu einer Rennspiel-Erfahrung, die sogar absoluten Novizen der virtuellen Raserei Spaß machen kann. Immerhin warten auch Brems- und Lenk-Assistenten, mit denen man eigentlich fast nur noch Gas geben muss um sich nahezu von allein durch das Feld nach vorne zu arbeiten.

Bremspunkt Heckschürze

Apropos durch das Feld nach vorne arbeiten: Fluch und Segen sind in Forza schon seit einigen Teilen die Gegner, gespeist durch die sogenannte Drivatar-KI, also aus dem Fahrverhalten echter Spieler. Segen, weil sie dadurch recht häufig (nicht immer wohlgemerkt) ein durchaus menschliches Verhalten an den Tag legen. Fluch aus den selben Gründen – immerhin sind Zocker nicht immer die fairsten Sportsmänner.  Dafür gibt es aber theoretisch die Option die „Aggressivität zu reduzieren“ – ich habe aber keinen Unterschied gemerkt: Die KI-Opponenten sind immer recht „durchsetzungsfreudig“, beharren auf ihre Linie und schrecken auch nicht davor zurück, mit einem um den spätest-möglichen Bremspunkt zu fighten. Gerade in höheren Schwierigkeitsgraden der KI, wo die Fahrer dann auch wirklich die volle Leistung der Autos abrufen, ergibt sich auch dadurch aber ein Problem:

In den Rennen der Karriere startet ihr immer in der hinteren Mitte des Feldes (Qualifying gibt es keines). Starke KI-Fahrer stehen hingegen schon beim Start ganz vorne. Heißt: Diese setzen sich oft schon früh weit vom restlichen Feld ab, während ihr euch mühsam durch selbiges nach vorne kämpfen müsst. Sind die Rennen dann nur zwei oder drei Runden lang, ist es (wohlgemerkt nur in den höheren Schwierigkeitsgrad-Stufen) häufig schwer bis unmöglich ein Rennen zu gewinnen, ohne sich sehr rabiater und eigentlich unfairer Mittel zu bedienen. Also zum Beispiel unter Verwendung der allseits beliebten Karrosseriebremse (bei engen Kurven statt normal zu verzögern einfach einem weiter vorne in der Kurve fahrenden Kontrahenten in die Karre fahren, ihn somit rausschieben und sich selbst wieder auf Linie bringen).

Telepathen am Werk?

Doch auch abseits der KI muss sich Turn 10 ein wenig Kritik in Sachen Geschehen auf der Rennstrecke gefallen lassen. Zum Beispiel sehe ich es als nicht weniger denn schwer irreführend, in Trailern und auf Screenshots mit Boxencrews zu werben, die dann im fertigen Spiel aber schlichtweg fehlen. Fährt man hier an die Box, bleibt der Wagen einfach an seinem Pit-Platz stehen, man hört ein paar Räderwechsel-Geräusche und wenige Augenblicke später düst man auch schon wieder mit frischen Reifen und vollem Tank wieder los … das können die beiden bereits erschienenen Kontrahenten, Project Cars 2 und F1 2017, um Welten besser.

Natürlich gibt es aber auch Bereiche, in denen die genannten Mitbewerber das Nachsehen haben. Zum Beispiel beim Umfang: 700 Autos und fast 200 Strecken-Layouts sind rekordverdächtig. Allerdings kann ich mir auch hier eine gewisse Meckerei nicht verkneifen. Natürlich ist es schön, dass man nicht nur auf klassische Straßenrennwagen in allen Farben und Formen zurückgreifen kann, sondern auch hinterm Volant eines Baja-Buggys, Quads oder Rally-Wagens Platz nehmen darf. Wenn man schon solche Offroad-Monster im Spiel hat, wäre aber auch schön gewesen wenn man diese dann nicht über klassische Asphalt-Rennstrecken „quälen“ muss, sondern sie auch in ihrem natürlichen Lebensraum, also abseits befestigter Straßen bewegen dürfte. Darf man aber nicht. Schade.

Zumindest darf man sich aber über ein schickes Wettermodell freuen, das zwar nicht ganz so elaboriert ist wie das aus Project Cars 2, aber dennoch sowohl optisch, als auch in Sachen Fahrverhalten eine Menge auf dem Kasten hat.

Stundenlanger Spaß

Doch weg von all den Details – blicken wir zurück auf das große Ganze: Kernstück von Forza Motosport 7 ist der „Forza Drivers Cup“ genannte Karrieremodus. Dieser ist in sechs Meisterschaften unterteilt, in denen wiederum diverse Einzel-Events warten, die in fast beliebiger Reihenfolge angegangen werden können. „Fast“ deswegen, weil manche erst durch das Erreichen eines gewissen Fahrer-Levels freigeschalten werden müssen. Jedenfalls cool: Ihr müsst euch nicht erst stundenlang mit kleinen Rennsemmeln herumschlagen um euch endlich den ersten gscheiten Wagen leisten zu können, sondern dürft von Beginn an auch Events auswählen, die euch in richtig schnelle Karren stecken. Das trifft vor allem auf die speziellen Showcase-Events zu, von der jede der sechs Meisterschaften je eine Handvoll zu bieten hat. Hier müsst ihr dann zum Beispiel in einem Porsche 918 eine Horde alter Käfer überholen, in einer Corvette C7R ein Langstrecken-Rennen in Spa absolvieren oder mit einer Stretchlimo auf der Top Gear Teststrecke möglichst viele Bowling-Pins umhauen. Die meisten davon sind überaus spaßig und eine tolle Auflockerung des sonst „ernsten“ Rennalltags.

Zusätzlich aufgelockert und erweitert wird der Karrieremodus durch die etwas umgemodelte Art und Weise wie man vorankommt. Neben den üblichen Credits und Erfahrungspunkten, die man durch erfolgreiche Rennen sammelt, steigt man nun auch in Sachen Auto-Sammler-Hierarchie in Stufen auf. Sprich: Erst, wenn die eigene Autosammlung einen gewissen Punkte-Wert übersteigt, bekommt man Zugriff auf weitere und immer seltenere Fahrzeuge. Das kann dazu führen, dass man sich ab und an quasi gezwungen sieht ein Töfftöff anzuschaffen, oder beim Stufenaufstieg als eine von drei möglichen Prämien zu wählen (man hat stets die Wahl zwischen Cash, einem Auto – manchmal gratis, oft stark reduziert – oder einem Outfit), das man sonst eigentlich gar nicht wollen würde. Das aber führt wiederum dazu, dass man vielleicht in den Genuss eines Fahrerlebnisses kommt, das man sonst verpasst hätte … und vielleicht gefällt es einem ja.

Wie dem auch sei: Wenn man in jeder Rennserie immer nur die nötigsten Events absolviert um sich den Pokal und so den Aufstieg in die nächste Meisterschaft zu sichern, ist man nach ca. 25 Stunden mit der Karriere „fertig“. Ist man darauf bedacht tatsächlich alle Events zu gewinnen, braucht man ca. doppelt so lang. Die Motivation bleibt dabei in der Regel gewohnt hoch. Immerhin locken die Entwickler ständig mit immer neuen Belohnungen. Ganz neu dabei sind die „Loot-Boxen“, mittels derer man Autos, Outfits oder aber Mods erhalten kann. Diese können nach Belieben aktiviert werden und sorgen für Credit- und XP-Zuwächse in Austausch zu besonderen Erschwernissen während des Rennens.

Technik

In Sachen Bild und Ton leistet sich Turn 10 keinen Schnitzer. Die mit dem Erwerb eines Spiels automatisch auf PC und Xbox spielbare Hatz sieht da wie dort gut aus, wobei die PC-Version mit maximalen Details im Vergleich zur „regulären“ Xbox One noch einmal deutlich die Nase vorn hat. Es wird spannend zu sehen, ob die Xbox one X-Version da dann mithalten kann. 4K, HDR und volle Details sind jedenfalls schon vor dem Start der vermeintlich stärksten Gaming-Konsole der Welt schon jetzt auf dem PC zu erleben. Das „Problem“ daran: Wiederum im Gegensatz zur restlichen Konkurrenz wie PC2 oder F1 2017 unterstützt Forza 7 nur 16:9-Auflösungen. 16:10- oder Ultrawide-Auflösungen kommen zwangsläufig mit schwarzen Balken daher. Dafür sind die Anforderungen nicht unbedingt astronomisch hoch. Um in Full-HD in den Genuss maximaler Details zu kommen reicht schon Mittelklasse-Hardware. Dann kann man sich dafür an tollen Spiegelungen, scharfen Schatten, schicken Effekten, detaillierten Autos und sehr lebendigen Strecken erfreuen. Apropos Strecken: Von den 32 enthaltenen Locations kennt man 26 schon aus dem Vorgänger. Einige andere kehren aus noch früheren Teilen zurück. Wirklich neu sind nur wenige – etwa die fiktive Strecke in Dubai. Dafür sieht jede einzelne davon richtig schick aus.

Wenig zu meckern gibt’s beim Sound: Die Motorengeräusche klingen authentisch und kernig, zusätzliche Effekte wie Wind- und Reifengeräusche oder das Heulen der Getriebe wurden ebenso gut aufgenommen und fein gemischt. Der Soundtrack überzeugt auch, gibt sich aber unauffällig. Einzig die Soundeffekte bei einer Kollision konnten mich nicht so ganz überzeugen … sie klingen fast immer gleich und haben was von einem zugeknallten Mistkübel-Deckel. Dafür fein: Das Schadensmodell, das wie gewohnt von kosmetischen Lackschäden bis zu gravierenden, technischen Problemen alles zu bieten hat. Nur bleiben alle Teile stets am Auto – Reifenverlust und Co. gibt es nicht.

FAZIT

Turn 10 setzte bei der Entwicklung von Forza Motorsport 7 auf Evo-, statt Revolution. Leichte Veränderungen in so ziemlich jedem Bereich – vom Karriereaufbau über das Fahrverhalten und die Streckenauswahl – sorgen für ein noch einmal besseres Gesamtpaket als beim Vorgänger ohne dabei zu riskieren irgendeinen Fan vor den Kopf zu stoßen. Einzig die Loot-Boxen riechen ein wenig nach der Vorstufe zu bereits fix geplanten Micro-Transactions. Dennoch: Forza 7 fährt sich gut, sieht gut aus, bietet eine Menge Content und hat dermaßen viel Inhalt zu bieten, dass Autonarren jeder Couleur lange beschäftigt sein dürften. Kann man kaufen.

Gesamtwertung: 9.2

Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 10 | Handling: 10 | Spieldesign: 8 | Motivation: 10

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