Die Welt wird in ewiges Eis gehüllt und die letzten Überreste der Menschheit müssen in der schneebedeckten Wildnis um ihr Überleben kämpfen. Frostpunk macht euch zum Anführer der letzten Stadt der Erde und stellt euch als solcher nicht nur vor die Herausforderung, das Leben und die Gesundheit eures Volkes zu bewahren, sondern auch ihr moralisches Oberhaupt zu sein – eine Aufgabe, die euch an eure eigenen ethischen Grenzen treibt und euch auf Pfade führt, auf denen ihr niemals wandeln wolltet …
Klimawandel mit fatalen Folgen
Unsere Welt im späten 19. Jahrhundert – mit einem prägnanten Unterschied: Eine plötzlich einbrechende Eiszeit wirft die Menschheit aus ihrer Blütezeit und zwingt sie dazu, ihre Städte zu verlassen und im hohen Norden um ihr Überleben zu kämpfen. Als Anführer der Londoner Expedition zieht ihr also mit einer Handvoll Leuten los, um eine neue Heimat inmitten der frostigen Wildnis zu gründen – nahe lebenswichtigen Rohstoffvorkommen und weit weg vom bisherigen Luxus und Überfluss, der bloß ein paar Jahre zuvor so selbstverständlich schien. Und kaum könnt ihr am Anfang eurer Reise ahnen, welche Herausforderungen euch dabei erwarten werden – als politischer Leiter eurer neuen Gemeinde sowie als moralischer Vorstand der allem Anschein nach letzten Bastion der Menschheit.
Aufbaustrategie mit dem gewissen Twist
Frostpunk nennt sich selbst das erste Society Survival Game und kombiniert als solches Elemente aus diversen bekannten Spielekategorien, um ein innovatives Strategie-Erlebnis zu bieten, das dem etwas eingestaubten Genre gekonnt frisches Leben einhaucht. Im Herzen von Frostpunk steckt dabei eine klassische Aufbau-Strategie: Inmitten eines Kraters, der Schutz vor Wind und Wetter sowie reichlich Rohstoffe bietet, errichtet ihr euren Generator – den Lebensfunken eurer Siedlung, deren größter Feind die immer tiefer sinkenden Temperaturen sind. Zunächst gilt es, Kohle abzubauen, um für Wärme zu sorgen; weiter geht es mit dem Sammeln von Lebensmitteln, Holz und Stahl, um Mahlzeiten, passende Unterkünfte, Krankenstationen für die medizinische Versorgung und mehr zu schaffen – und auch die Forschung darf nicht vernachlässigt werden, denn die Kälte wird immer bitterer und ohne ausreichende Fortschritte in Sachen Heizmittel, Rohstoffgewinnung, Nahrungsmittelverarbeitung und mehr ist auch die letzte Stadt der Menschheit dem Untergang geweiht.
Neben traditionellen Rohstoffen ist eure wichtigste Ressource dabei vor allem euer Volk: Eingeteilt in drei Kategorien, Arbeiter, Techniker und Kinder, können bestimmte Einrichtungen so beispielsweise nur von Technikern besetzt werden, während andere, einfachere Aufgaben im Bedarfsfall auch von Kindern übernommen werden können – und hier kommen wir auch schon zu jenem Aspekt, der Frostpunk von anderen Strategiespielen gekonnt abhebt: Während ihr euch Genre-üblich in erster Linie um die Infrastruktur und gegebenenfalls Kampfkraft eurer Ansiedlung kümmert, dreht sich in Frostpunk alles um das Wohlbefinden und letztendlich das Überleben eures Volkes. Die wichtigsten Werte eures Spiels sind somit der Hoffnungs- sowie Unzufriedenheitswert, die beide am unteren Bildschirmrand eingeblendet sind. Ersterer sollte dabei stets möglichst hoch und zweiterer möglichst niedrig gehalten werden. Beeinflusst werden die Werte dabei nicht nur davon, wie gut ihr die Gebäude und Einrichtungen eurer Stadt managt – Gibt es Unterkünfte für alle Einwohner? Ist es überall ausreichend warm? Ist genügend Nahrung vorhanden? Gibt es medizinische Versorgung für Kranke und Verletzte? –, sondern auch maßgeblich von euren gesellschaftlichen Entscheidungen.
Wenige In-Game-Stunden nach dem Start eurer Niederlassung werdet ihr so bereits vor die erste Probe gestellt: Die Arbeit nimmt kein Ende, doch die Arbeitskraft ist begrenzt – soll Kinderarbeit erlaubt werden? Die Entscheidung trefft ihr, indem ihr im Gesetzbuch die entsprechende Option wählt: Kinderarbeit einführen oder stattdessen Schutzhäuser für die Kinder bauen? Nur eines davon kann gewählt und die Entscheidung nicht rückgängig gemacht werden. Jede Option kommt dabei mit Vor- bzw. Nachteilen, aber auch mit Verpflichtungen, die ihr eurem Volk gegenüber eingeht. In diesem Fall stehen euch bei ersterer Wahl beispielsweise Kinder fortan als Arbeitskräfte zur Verfügung – jedoch sinkt euer Hoffnungswert. Wählt ihr hingegen die Schutzhäuser, steigt die Hoffnung, ihr verpflichtet euch aber auch dazu, innerhalb einer gewissen Zeit eben Unterkünfte für alle Kinder der Stadt zu bauen, was einen höheren Ressourcenverbrauch darstellt.
Weitere Entscheidungen, denen ihr euch im Laufe des frühen Spiels gegenüberseht, sind beispielsweise die Einführung von längeren Arbeitsschichten, sodass eure Einrichtungen nicht nur tagsüber, sondern bis in den späten Abend hinein operieren – oder gar die Einführung von gelegentlichen 24-Stunden-Notschichten –, Entscheidungen darüber, wie mit Kranken verfahren oder wie mit der ständig drohenden Nahrungsmittelknappheit umgegangen werden soll. Jede Entscheidung hat dabei weitreichende Auswirkungen: Legt ihr etwa fest, dass anstatt vollständiger Mahlzeiten bloß Sägespäne serviert werden soll, werden mehr Arbeiter krank werden und der Unmut der Bevölkerung steigen. Macht ihr hingegen Versprechungen, die ihr nicht einhaltet, riskiert ihr Aufstände oder die Formierung von Widerstandgruppen, die damit drohen, die Stadt zu verlassen und euch somit wertvolle menschliche Ressourcen zu kosten.
Auch bestimmte Events triggern Entscheidungen – stirbt etwa der erste Einwohner eurer Stadt, gilt es zu entscheiden, wie mit Toten verfahren werden soll: Verbrennen oder begraben – praktisch und ressourcenbedacht oder rituell, um den Menschen Hoffnung zu geben? Und auch größere Entscheidungen für unterschiedliche Storypfade gilt es zu treffen: Als eure Stadt wächst und ihr in der Lage seid, Späher auszusenden, um euch auf die Suche nach anderen Überlebenden zu machen, wird schnell klar, dass es anderen Ansiedlungen noch viel schlechter als euch erging und dort niemand überlebt hat – der Angst steigt, die Hoffnung sinkt und es herrscht Handlungsbedarf: Möchtet ihr die Ordnung in der Stadt durch harte Disziplin wiederherstellen? Oder setzt ihr hingegen lieber auf spirituelle Unterstützung durch Priester und Tempel? Je nachdem, welchen Pfad ihr wählt, werden andere Gebäude und Einheiten verfügbar und eure Strategie muss entsprechend angepasst werden.
Dicht erzählte Story und fesselnde Atmosphäre
Wie bereits angedeutet, führt euch der Hauptmodus von Frostpunk, der Story-Modus, auf eine Reise, die vom Aufbruch aus London über die Anfänge eurer Siedlung bis hin zum Erforschen der Umgebung, der Rettung anderer Überlebender sowie der Anlage von Außenposten reicht. Wo man dabei gerade im Strategie-Genre mit einem eher seichten Plot rechnen würde, der gerade mal als Hintergrund für das eigentliche Gameplay dient, trumpft Frostpunk mit einer gut durchdachten, fesselnd erzählten und obendrein auch audiovisuell wundervoll präsentierten Story auf, die sich durch die Auswirkungen eurer Entscheidungen zudem äußerst persönlich anfühlt. Im Laufe des Spiels folgt ihr so nicht nur stur Missionen, die vom Bau diverser Gebäude bis hin zum Erforschen anderer Ansiedlungen reichen, sondern werdet auch immer wieder mit einzelnen Schicksalen eurer Einwohner und den Konsequenzen eurer Handlung konfrontiert. Das alles sorgt für eine unglaublich tolle Atmosphäre und hebt Frostpunk weit über das in dieser Hinsicht üblicherweise eher nüchterne Strategie-Genre hinaus.
Einziger kleiner Wermutstropfen dabei ist, dass durch den Fokus auf Story und Ästhetik ein klein wenig auf Übersichtlichkeit vergessen wurde: Die Gebäude verschwimmen optisch ein wenig ineinander und sobald die Stadt eine gewisse Größe erreicht hat, fällt es so teilweise schwer, schnell die gewünschte Einrichtung ausfindig zu machen und anzuwählen. Auch, was die eingeteilten Arbeitskräfte anbelangt, wäre eine einfache Übersicht wünschenswert gewesen. Zwar sieht man beim Bewegen der Maus über eine der Arbeitergruppen, wo diese gerade eingeteilt sind und auch gibt es eine prinzipielle Übersicht über alle Gebäude und der Anzahl der dort Beschäftigten, Einstellungen wie das Abziehen oder Zuteilen von bestimmten Arbeiterkategorien kann man allerdings dennoch nur im Fenster der jeweiligen Einrichtung selbst erledigen. Ein kleiner Regler dafür direkt in der Übersicht hätte die Kontrolle der Stadt weitaus einfacher gestaltet. Durch die Möglichkeit, die In-Game-Zeit bei wichtigen Events anzuhalten, um in aller Ruhe zu reagieren (oder aber die Zeit zu beschleunigen, um Wartezeiten zu vermeiden), relativiert sich das Problem jedoch wieder.
Herausforderungen über den Story-Modus hinweg
Neben dem Story-Modus von Frostpunk hält das Spiel noch einige andere Varianten parat: So schaltet ihr mit fortschreitendem Spielverlauf neue Szenarien frei, die ihr vom Hauptmenü aus anwählen könnt und auch weitere Modi sind für die Zukunft angekündigt. Durch die Möglichkeit, alle Szenarien anzupassen, könnt ihr zudem immer neue Ausgangssituationen schaffen – beispielsweise ein Spiel, in dem die Bevölkerung besonders anspruchsvoll ist oder in dem die Ressourcen noch knapper als gewöhnlich sind.
FAZIT:
Wie eingangs erwähnt, nennt sich Frostpunk das erste Society Survival Game der Welt, und wie es scheint, hat es 11 bit Studios hier tatsächlich geschafft, ein völlig neues – und absolut lohnendes – Spielerlebnis zu kreieren. Während der Strategiepart gut umgesetzt ist und Laune macht, lebt Frostpunk jedoch vor allem von seinen gesellschaftlichen und moralischen Entscheidungen, deren Konsequenzen während des gesamten Spielverlaufs hautnah spürbar sind und somit für massig Atmosphäre sorgen. Kombiniert mit der schönen audiovisuellen Präsentation und der Tatsache, dass es an Frostpunk auch in Sachen Technik und Handhabung kaum etwas zu meckern gibt, bekommen wir hier einen Titel geliefert, der beinahe von vorne bis hinten begeistern kann und sowohl Strategie- wie auch Story-Fans garantiert für zahlreiche Stunden bestens unterhalten wird.
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Was ist Frostpunk? Ersters Society Survial Game und als solches eine Aufbau-Strategie mit Fokus auf Story und soziale Entscheidungen
Plattformen: PC
Getestet: Steam-Version
Entwickler / Publisher: 11 bit Studios
Release: 24. April 2018
Link: Offizielle Webseite
Gesamtwertung: 8.8
Einzelwertungen: Grafik: 8 | Sound: 8 | Handling: 8 | Spieldesign: 10 | Motivation: 10