Game Stick Lite 4K im Test

Erlebe deine Kindheitserinnerungen mit unserer Retro-Spielkonsole! Vollgepackt mit tausenden von Spieleklassikern wartet eine nostalgische Reise auf dich. Machen Sie jede Spielzeit zu etwas Besonderem.

So oder ähnlich lautet die Werbung für eine Mini-Spielekonsole, die seit einiger Zeit auf unzähligen Social-Media und anderen Werbekanälen zu sehen ist. Auch YouTube ist voll mit Videos über die Konsole. Der Anbieter (Verkäufer) ist unterschiedlich, das Produkt jedoch weitgehend ident. Es handelt sich dabei immer um einen kleinen Stick mit dem Namen Game Stick Lite 4K, der zusammen mit (im Regelfall) zwei Wireless Controllern und „tausenden“ klassischen Spielen verkauft wird. Auf der Packung wird das Produkt nur mit 2.4G Wireless Controller Gamepad bezeichnet, obwohl auch eine kleine Retrospielkonsole in Stick-Format enthalten ist. Die Preise bewegen sich zwischen gut 10 EUR (billigster China Direktversandshop) bis zu aktuell rund 90 EUR bei diversen inländischen Onlineshops und offiziellen Importeuren. Geworben wird immer mit 4K Unterstützung und tausenden inkludierten Spielen. Die Verkäufe dürften gut laufen, offensichtlich besteht eine ordentliche Nachfrage nach einem derartigen Gerät. Grund genug, uns das Ding einmal genauer anzusehen.

Handelt es sich dabei wirklich um den perfekten Einstieg in die Emulation von den ganzen alten Konsolenklassikern? Könnt ihr damit wirklich die Oldies von Nintendo, Atari und Sega ohne viel Aufwand wieder spielen?

Die Bestellung

Ich habe mich für den Kauf direkt in China entschieden. Mit „Erstbesteller-Rabatt“ hat mir die Luxusversion (mit einer 64 GB Speicherkarte für die Spiele, das Gerät wird auch mit kleinerer Speicherkarte angeboten) sowie 4 statt der üblichen 2 Gamepads, alles inklusive (Steuer, Versand, Zoll…) nur gut 20 EUR (!) gekostet. Der „reguläre“ Preis wären bei diesem Verkäufer auch nur knapp 28 EUR gewesen. Ein derartiger Preis sollte eigentlich zu denken geben, das kann doch nur Schrott sein, oder? Ich bin jedenfalls davon ausgegangen, dass selbst bei einem Totalausfall der Konsole die vier inkludierten drahtlosen Gamepads und die 64 GB TF Karte (TransFlash, MicroSD) alleine schon die Kosten wert waren. Auf der TF Karte ist übrigens alles oben – Betriebssystem, Emulatoren sowie Spiele.

Der Versand ist zügig erfolgt und ich habe mein Paket nach weniger als 2 Wochen in den Händen gehalten. Kein zusätzlicher Zoll, Inhalt wie bestellt. Der Produktkarton war billig, aber ich erwarte keine stylische Designerverpackung in dieser Preisklasse.

Der Aufbau

Beginnen wir mit dem Anschluss der Konsole. Eine brauchbare Anleitung werdet ihr in der Packung nicht finden, nur ein kleiner Zettel in Chinesisch/Englisch, der aber nicht einmal den Anschluss (oder sonst irgendetwas…) erläutert. Die Konsole selbst schaut aus wie ein etwas größerer USB-Stick und wird direkt an den HDMI-Port des Fernsehers oder Monitors angeschlossen. Hoffentlich hat euer Gerät einen freien HDMI-Port, sonst müsst ihr jedes Mal umstecken. Beiliegend ist ein kurzes HDMI-Verlängerungsbabel, da wohl bei vielen Geräten zu wenig Platz vorhanden ist, das Ding direkt anzuschließen. Das Kabel ist nützlich, es liegt auch anderen ähnlichen Geräten (wie dem Amazon Fire TV Stick oder dem ersten Google Chromecast) bei. Dann braucht die Konsole natürlich auch noch Strom. Es reicht zur Stromversorgung bereits ein USB-Port (zB direkt vom Fernseher/Monitor), es kann aber auch über ein USB Netzteil mit Strom versorgt werden. Das benötigte USB-Mikrokabel liegt bei. Im Gegensatz zu stromhungrigeren Geräten (Fire Stick…) hat die direkt an den Fernseher angeschlossene Konsole bei mir gut funktioniert. Ein eigenes USB Netzteil (falls ihr keine USB Buchse in der Nähe habt) liegt nicht bei.

Nach der Stromversorgung benötigt die Konsole noch eine Verbindung zu den Controllern. Dafür liegt ein kleiner USB-Adapter in der Packung. Meine Hoffnung war, dass es sich dabei um einen Bluetooth-Adapter handelt. Leider nein, es ist ein eigener Adapter, der ausschließlich mit den mitgelieferten Gamepads funktioniert. Und zwar mit zwei Stück. In meiner Packung waren jedoch vier Controller und ein weiterer USB-Adapter. Wie verbinde ich die denn nun? Zur Lösung liegt in der Packung ein Billigsdorfer 1 auf 4 USB-Hub (ein weiteres Ding, das ich nach etwaiger Entsorgung der Konsole anderweitig verwenden könnte…) bei. Dieser wird direkt an der Konsole angeschlossen, die beiden mitgelieferten USB-Adapter für die vier Controller kommen nun in den USB-Hub. Die Controller benötigen jeweils 2 AAA Batterien (nicht mitgeliefert).

Soweit zum Aufbau des Gerätes. Fernseher anschalten, auf den korrekten HDMI-Eingang wechseln, an dem die Konsole angeschlossen ist, und voila! Los geht’s!

Der Start

Schon begrüßt mich das Startmenü der Konsole. Links eine Liste mit verfügbaren Spielen, rechts ein Screenshot des Spieles. Mit dem Controller 1 kann zwischen den Spielen gewechselt werden. Über die Schultertasten kann zu weiteren Menüpunkten gewechselt werden. Der nächste Menüpunkt besteht in den verfügbaren Systemen. Es sind (auf dem von mir gekauften System) genau neun emulierte Systeme vorhanden, darunter das Nintendo NES (Famicom), der Nintendo Gameboy, das Sega Mega Drive und die Sony Playstation (!). Die Emulation der Spiele erfolgt über verschiedene Emulatoren, im Regelfall Retroarch mit passenden Kernen. Ist es möglich, die verwendeten Emulatoren auszutauschen? Oder zumindest zu aktualisieren? Den von Retroarch verwendeten Kern zu wechseln? Einfache Einstellungen im Emulator zu ändern? Das sind alles Dinge, die durchaus Sinn machen. Auch wenn inzwischen die Emulatoren recht ausgereift sind und unzählige Spiele in der Emulation fast genauso gut laufen wie auf der Originalhardware, so gibt es viele verschiedene Emulatoren (auch für dasselbe Original-System). Oft läuft Spiel A mit diesem Emulator am besten, Spiel B jedoch mit diesem. Weiters erlauben die meisten Emulatoren spezielle Einstellungen, die oft bei bestimmten Spielen sinnvoll oder gar notwendig sind, bei anderen Spielen jedoch anders gesetzt werden sollten. Darüber hinaus werden viele der Emulatoren laufend weiterentwickelt und es erscheinen regelmäßig Updates. Könnt ihr also die Konsole an eure Wünsche anpassen?

Die klare Antwort ist NEIN. Ihr erhaltet ein fertig konfiguriertes, vollkommen undokumentiertes System. Viele der original Retroarch Files sind umbenannt oder liegen auf seltsamen Pfaden und versteckten Partitionen. Änderungen sind theoretisch möglich, verlangen in der Praxis jedoch fundiertes Fachwissen. Im Regelfall ruiniert ihr euch mit einem manuellen Eingriff schlichtweg die TF-Karte und könnt den ganzen Stick nicht mehr verwenden. Also unbedingt vorher ein Backup (nicht die Dateien, sondern ein komplettes Image der TF-Karte inklusive der etwaigen versteckten Partitionen!) anlegen. Selbst wenn ihr einfach ein neues Image (sei es nur zur Wiederherstellung oder für ein Update) im Internet herunterladen wollt, kann das schwierig werden. Ihr werdet nämlich nicht so einfach einen Hersteller finden, was wohl auch mit dem nächsten Punkt zusammenhängt (legal/nicht legal). Auch sind die Game Stick Lite 4K hardwaremäßig nicht alle ident, es gibt hier (teils winzige) Revisionen, und bereits eine minimale Änderung der Hardware kann dazu führen, dass eine auf einem anderen System laufende TF-Karte auf eurem System nicht mehr funktioniert. Wenn ihr also auf irgendwelchen dubiosen v.a. chinesischen oder russischen Internetseiten Wiederherstellungsimages (oder Updates) findet, kann es leicht sein, dass diese mit eurem Gerät nicht funktionieren.

Die tausenden Spiele

Für die jeweiligen Systeme sind unterschiedlich viele Spiele enthalten. Bei meiner TF-Karte waren es für das Nintendo (NES) System aus dem Jahr 1983 rund 3.300 Spiele, für den Gameboy 209, den Gameboy Advance 1.130, den Gameboy Color 163, das Mega Drive 610, das Super Nintendo 3.400, die Atari VCS (erschienen 1977) nur 20, die PlayStation 1 88 und für MAME (Arcade) 1.080 Spiele. Die Zusammenstellung der Spiele kann jedoch je nach Anbieter auch vollkommen unterschiedlich sein.

Bei der Version und Sprache der Spiele solltet ihr nicht wählerisch sein, außerdem sind viele „unterschiedliche“ Spiele schlichtweg mehrere Versionen desselben Spieles. Während es einfach möglich ist, nahezu jedes irgendwo herunterladbare Image für die alten Systeme zu inkludieren (Größe von ein paar KB), so sind von den rund 4.000 weltweit erschienenen PlayStation 1 Spielen aus Platzgründen nur eine kleine Auswahl auf der Konsole enthalten.

Die Hardware

Ist die Hardware der Konsole stark genug, um die enthaltenen Systeme originalgetreu zu emulieren? Nein, das Gerät ist nicht gut genug, die neueren Konsolen (v.a. PlayStation) vernünftig zu emulieren. Diese Spiele sind (meistens) extrem langsam, ruckeln, haben Grafikfehler oder stürzen einfach ab. Vor allem bei den älteren Systemen (8 und auch 16bit) wäre die Hardware jedoch durchaus ausreichend, um ein vernünftiges Spielerlebnis zu ermöglichen. Manche laufen auch super, bei vielen anderen tauchen jedoch kleine (oder größere) Fehler auf. Die könnte man u.U. durch Updates, bessere Images, andere Emulatoren oder einfach nur andere Emulatoren-Einstellungen beheben… aber dazu müsste man einfach auf diese Dinge zugreifen können, was bei der vorliegenden Konsole nur für Experten möglich ist. Genauso wenig wie ihr neue Spiele/Screenshots hinzufügen oder bestehende Spiele einfach entfernen könnt, könnt ihr auch sonst nichts an dem gelieferten System ändern (sofern ihr euch nicht tief in das Linux System eingraben wollt).

Es ist relativ egal, welche Version des Game Sticks ihr kauft, ob da jetzt beispielsweise ein RK3228A oder ein älterer RK3032 Chip verbaut ist, hat keinen relevanten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Emulation. Die Angabe der „4K Auflösung“ ist übrigens auch kompletter Schwachsinn – der Emulator verwendet natürlich die original Auflösungen der Systeme, und das schaut beim Gameboy auf einem 4K Fernseher dementsprechend aus… immerhin funktioniert die Konsole auch auf einem 4K Fernseher, ebenso wie auf jedem anderen Fernseher/Monitor mit HDMI Eingang.

Das Urheberrecht

Sind diese Spiele eigentlich legal? Die Antwort ist eindeutig NEIN. Es handelt sich bei sämtlichen auf der TF-Karte enthaltenen Spielen um illegale Raubkopien. Die Rechteinhaber erhalten keinerlei Vergütung. Daher werdet ihr auch keinerlei Unterstützung von einem Verkäufer der Konsole (oder vom Rechteinhaber der Spiele…) erhalten, wenn ihr ein Problem mit einem Spiel habt. Sind die Spiele in einer fehlerfreien Fassung, also in der letzten veröffentlichten Version? Oder gar in einer deutschen Fanübersetzung? Nein, es befinden sich irgendwelche im Internet herumschwirrende ROM-Dumps der Spiele auf der Konsole. Oft sind die ROMS sogar als „beta“ bezeichnet, oft sie die ROMs in irgendeiner Sprache, oft gibt es zu einem Spiel einen ganzen Stoß verschiedene bezeichneter Versionen (beta, russisch, chinesisch, japanisch, US…), wobei es völlig unklar ist, was tatsächlich für eine Version gestartet wird. Eine deutsche Importversion werdet ihr jedenfalls nirgends finden (wobei sehr viele dieser Spiele natürlich auch im Original nie ins Deutsche übersetzt wurden). Wer Spaß an japanischen Originalfassungen hat, findet jedoch genügend Auswahl. Die Benennung und Bezeichnung des Spieles im Menü stammt vom Ersteller der TF-Karte, und oftmals ist nicht einmal der Name des Spieles fehlerfrei geschrieben oder der angezeigte Screenshot zum Spiel gehörig.

Macht ihr euch strafbar, wenn ihr das Ding kauft? Nein, zumindest da droht keine wirkliche Gefahr. Schlimmstenfalls kann die bezahlte Konsole vom Zoll eingezogen werden und ihr bekommt keine Lieferung, aber sonst droht euch rechtlich keine Gefahr.

Die Gamepads

Wie sind denn die mitgelieferten Controller? „Schrott“ ist die kurze Antwort. Etwas ausführlicher handelt es sich bei den mitgelieferten Gamepads um billige PlayStation 3 Dualshock Controller Imitate. Die Knöpfe und Sticks sind alle vorhanden, Zusatzfunktionen wie Bewegungssensor, Vibration oder Bluetooth gibt es aber nicht. Die Stromversorgung erfolgt über zwei AAA Batterien. Das Plastik ist dünn, die Dinger sind absolute Fliegengewichte. Die Verbindung zur Konsole wird über einen 2.4G USB Adapter hergestellt. Ein Adapter ist fest mit zwei Controllern eingestellt. Verliert ihr den Adapter, ist der Controller nicht mehr zu verwenden. Es besteht keine Möglichkeit, den Controller über ein Kabel zu benutzen, Bluetooth Funktionalität ist wie gesagt auch nicht vorhanden. Der Controller ist nicht gerade ein qualitativ hochwertiges Gerät, aber er erfüllt die grundlegenden Anforderungen und kann zur Steuerung der Konsole verwendet werden. Manche der am Stick enthaltenen Spiele benötigen andere Controller mit beispielsweise mehr Tasten. Diese Spiele werdet ihr nicht vernünftig spielen können. Andere Gamepads funktionieren mit der Konsole nicht.

Kann ich die mitgelieferten Controller wenigstens wie von mir erhofft auch auf einem PC verwenden? Nicht wirklich. Angeblich funktionieren sie unter älteren Windows Versionen (XP, 7, 8). Unter Windows 10 sind sie laut Herstellerangaben nicht lauffähig, und das hat sich im Test leider auch bewahrheitet. Der USB Adapter wird zwar von Windows erkannt, und es kann auch eine Verbindung zum Gamepad hergestellt werden, allerdings werden nicht alle Sticks und Tasten fehlerfrei erkannt. Steam identifiziert das Gerät als PlayStation 1 Controller, lässt jedoch weder die Konfiguration des RS noch der Steuerkreuze oder der PlayStation (Menu)-Taste zu. Ihr könnt damit am PC  u.U. Spiele zocken, die nur die verfügbaren Tasten benötigen. Meine Versuche den Stick selbst zu programmieren (z.B. mit der Steam Controller Konfiguration oder über Drittprogramme) waren nicht erfolgreich, manche Knöpfe/Sticks funktionieren, manche werden schlichtweg nicht erkannt. Für eine sinnvolle Verwendung am PC sind die Dinger nicht zu gebrauchen.

Zusammenfassung

Passende Beiträge

Mandragora erscheint am 17. April 2025 für den PC

Flint: Treasure of Oblivion erscheint am 17. Dezember

War Robots: Frontiers-Playtest – Mech-Action auf PlayStation und Xbox