Gears 5 im Test

Zur einführenden Klarstellung: Bei Gears 5 handelt es sich nicht um einen erneuten genrefremden Ableger der Gears of War-Spielreihe, sondern um einen waschechten fünften Teil. Aber im Kommunikations-Zeitalter von zunehmenden Abkürzungen hat man es bei Microsoft anscheinend für eine gute Idee gehalten, den Titel zu vereinfachen. Auch wenn nun auf der Verpackung etwas anderes draufsteht, inhaltlich will man doch die gewohnt actionreiche Serienkost bieten – mit ein paar kleinen Neuerungen.

Wir rekapitulieren kurz die Story von Teil 4: Rund 25 Jahre nach dem Sieg der Menschen über die Locust hat sich die Bevölkerung des Planeten Sara in zwei verschiedene Lager gespalten, die Koalition der ordentlichen Regierungen (KOR) und die Outsider, welche in den entlegenen Territorien außerhalb des Einflussbereiches des KOR leben. In den Wirren dieser „Post-Locust“-Welt sind es nun J.D. Fenix, der Sohn der Gear-Veteranen Marcus Fenix und Anya Stroud, welcher sich zusammen mit seinen Freunden Delmont „Del“ Walker und Kait Diaz einer neuen Bedrohung entgegenstellen muss. Gears 5 setzt storytechnisch nahtlos an seinen Vorgänger an. Im Mittelpunkt steht dieses Mal aber Kait, die sich nicht nur ihren inneren Dämonen stellen muss, sondern auch mehr über ihre Herkunft und die Rolle in diesem Krieg herausfinden muss.

Die Geschichte unterteilt sich in insgesamt vier Kapitel mit mehreren Akten und nach etwa 10-12 Spielstunden ist man dann beim Abspann angelangt. Dieser kommt ziemlich abrupt – was aber auch nicht anders zu erwarten war, bildet der fünfte Teil doch die Mitte der zweiten Gears of War-Trilogie. Natürlich darf man sich serientypisch keine sehr tiefgründige Story erwarten, spannend und temporeich erzählt ist sie aber auf jeden Fall. Dazu kommt noch, dass seit dem Generationenwechsel im Vorgänger auch die Charaktere deutlich mehr Tiefe verliehen bekommen haben und dieser Stil in Gears 5 nicht nur fortgesetzt, sondern sogar deutlich ausgebaut wird. Die Handlungen und Emotionen der Protagonisten sind nun nachvollziehbarer und orientieren sich nicht mehr so sehr an den Klischees eines Action-Blockbusters der Achtziger Jahre. Trotz dem großen Bruch der Spielreihe, und das dazu auch noch mit einer neuen, weiblichen Heldin, bleiben diese Veränderungen eher subtil, denn natürlich steht weiterhin die Action im Vordergrund.

Jack und die offene Welt

Vor allem im ersten Akt in der Rolle von J.D. Feenix bleibt auch spielerisch alles beim Alten. In der Third-Person-Perspektive kämpfen wir uns von Deckung zu Deckung durch die Schlauchlevel und eliminieren mit einem altbekannten Arsenal an Waffen die Schergen des Schwarms. Kenner der Spielreihe werden sich aufgrund der altbewährten, actionreichen Kämpfe und der adrenalingeladenen Inszenierung sofort heimisch fühlen. Darüber hinaus sind es die abwechslungsreichen Schauplätze und die vielfältigen Aufgaben, die dafür sorgen, dass keine Langeweile aufkommt. Leider wird dann in Akt II und dem Spielerwechsel zu Kait ein Stilbruch vollzogen, der etwas Tempo aus der Gameplay nimmt. Anstatt sich durch die Schlauchlevel mit geskripteten Ereignissen zu kämpfen, wird diese nämlich in die offene Welt der Eislandschaften in Tyrus und danach die rotsandige Wüste Vasgar geschickt. Grundsätzlich werden zwar auch hier stets die primären Missionsziele vorgegeben, sodass man sich stets an der linearen Kampagne orientieren kann, aber es gibt zahlreiche Nebenaufgaben, für die besondere Belohnungen winken. Unterwegs ist man dabei mit dem Skiff-Gleiter, der eine schnelle Reise zwischen den einzelnen Orten ermöglicht. Weil man dabei aber in der Regel nicht mit Angriffen oder sonstigen unerwarteten Ereignissen rechnen muss und die Nebenmissionen auch nicht unbedingt spannend sind, scheint diese neue Pseudo-Open-World eher der Spielzeitverlängerung zu dienen und bietet eigentlich keinen spielerischen Mehrwert.

Ganz anders verhält es sich dabei mit einer anderen Neuerung: Die fliegende Drohne Jack. Die ist unser ständiger Begleiter und unterstützt uns mit seinen diversen Fähigkeiten. Kann er anfangs nur einfache Arbeiten erledigen, wie Schlösser knacken, für uns nicht erreichbare Objekte bringen und versteckte Gegner mit seinem Impuls aufspüren, so dürfen wir ihn im Verlauf der Geschichte mit diversen Zusätzen ausstatten und damit seine Funktionen erweitern. Ermöglicht wird dies durch so genannte Komponenten, die überall in der Spielewelt zu finden sind. So können wir etwa seinen Zapper-Strahl upgraden, seine Gesundheit erhöhen oder die Tarnfähigkeit verbessern. Hinzu kommen noch zahlreiche Spezialfähigkeiten die wir im Lauf der Kampagne erhalten oder durch die bereits erwähnten Nebenmissionen verdienen. Vom Grundprinzip her also wie in einem Rollenspiel- auch wenn nur ein einer sehr rudimentären Light-Version davon. Trotzdem: Der kleine Jack ist mir schnell ans Herz gewachsen und spätestens nachdem er mir mehrfach den Allerwertesten gerettet hat, wollte ich ihn auch nicht mehr missen. Deswegen ist es auch sehr schön, dass man ihn sowohl in der kooperative Kampagne, als auch in diversen Multiplayer-Modi als spielbare Figur auswählen kann.

Taktisch, abwechslungsreich, schön

Jeder neue Teil einer Spielreihe bringt auch meistens zusätzliche und modifizierte Gegner mit sich – das ist bei Gears 5 nicht viel anders. Neben Elite-Versionen von diversen Feind-Typen, waren es vor allem die Boss-Kämpfe gegen die Matriarch, einem genetisch veränderten Berserker, und dem Warden, der mit seinem Doppelbrecher-Streitkolben mächtig viel Schaden austeilen kann, die mir im Gedächtnis geblieben sind. Nicht ganz so gefährlich, dafür aber umso lästiger ist der Swarm Flock, ein Scharm von fliegenden Blutegeln, der seine Gegner in Zombies verwandeln kann. Die erweiterte Vielfalt an unterschiedliche Feinden sorgt auch für viel Abwechslung, denn jeder verlangt nach einer ganz eigenen Vorgehensweise, um besiegt zu werden. Das erfordert natürlich auch eine Erweiterung des Waffenarsenals. Hinzugekommen sind nun unter anderem eine Railgun, Blendgranaten oder Kryokanonen. Darüber hinaus gibt es nun auch so genannte Reliktwaffen. Dabei handelt es sich um seltene Versionen bereits bekannter Schießprügel mit einzigartigen Skins und Fähigkeiten, die während der Kampagne von Gears 5 entdeckt werden können. Die Kampfsystem selbst gestaltet sich dank der brauchbarer Gegner-KI und neuer Entscheidungsfreiheiten als deutlich anspruchsvoller. So spielt nun auch die Umgebung eine deutlich wichtiger Rolle, denn viele Objekte und Gebäudeteile können jetzt zerstört werden. Den Kessel, der sich in der Näher meiner Gegner befindet, kann ich mit gezielten Schüssen zerstören, um diese dann mit dem austretenden heißen Dampf zu verbrühen oder ich zerstöre die vereiste Oberfläche eines Gewässers und befördere dadurch alle darauf befindlichen Feinde mit einem Schlag ins tödliche, kalte Nass. Aber dieses neue Feature bringt nicht nur Vorteile, denn natürlich gilt das gleiche für meine Deckung: Unter Dauerbeschuss bietet diese irgendwann keinen Schutz mehr und ich bin gezwungen meine Stellung zu wechseln. Aber trotz all dieser Neuerungen – ein Taktik-Shooter wird aus Gears 5 natürlich trotzdem nicht – zumindest sorgen sie für frischen Wind im Gameplay und für Abwechslung.

Technisch baut das Spiel, wie gewohnt, auf der aktuellen Version der Unreal Engine auf. Die Präsentation kann dabei in ganzer Linie überzeugen, vor allem was die Grafik betrifft. Hier sind es vor allem das dynamische Beleuchtungssystem, die voluminösen Explosions-Effekte sowie die sehr detaillierten Charaktermodelle, die für viel Atmosphäre sorgen. Das alles flimmert stets rundum flüssig und ohne merkbare Slowdowns über den Bildschirm. Die Nase klar vorne hat dabei natürlich die PC-Version. Nicht nur weil man auf der XBox One X auf 60 FPS beschränkt ist, sondern auch aufgrund viel umfangreicherer Options-Möglichkeiten, mit denen man aus dem Rechner weit mehr rausholen kann, als aus der Konsole. Die empfohlenen Systemanforderungen fallen dabei sogar sehr moderat aus und auch auf der leistungsschwächeren XBox One konnten wir keinerlei spielbeeinträchtigende Qualitätseinbußen feststellen. Gears 5 unterstützt im Übrigen auch Cross-Play und Cross-Save auf allen Plattformen, einschließlich der verschiedenen PC-Versionen im Microsoft Store und Steam. Damit es aber in den Ranglistenspielen stets fair bleibt, haben Xbox-Spieler die Möglichkeit, das Cross-Play in zu deaktivieren, wenn sie es vorziehen, nur gegen andere Konsolenspieler anzutreten.

Nach der Kampagne ist vor dem Spiel

Wie von der Spielreihe gewohnt bietet auch Gears 5 ein umfangreiches Mehrspieler-Erlebnis. Zusätzlich zum kooperativen Gameplay der Kampagne, die sowohl online als auch offline im Splitscreen mit bis zu drei Spielern gemeinsam durchlebt werden kann, ist dieser in drei verschiedene Bereiche unterteilt: Versus, Horde und Escape. Bei Ersterem handelt es sich um klassische 5vs5-Partien in neun verschiedenen Spielarten sowohl auf neuen, als auch auf klassischen Maps. Sein Debüt feiert dabei der neue schnelle Arcade-Modus, in dem man mit bekannten Charakteren wie Kait und Marcus spielt, die jeweils ihre eigenen Fähigkeiten und Waffen-Upgrades besitzen. Natürlich sind die aus Gears of War 4 beliebten Spielvarianten wie Team Deathmatch, Dodgeball, King of the Hill und Co. ebenfalls wieder mit dabei. Der Koop-Klassiker Horde, in dem man gemeinsam versucht mehrere Wellen an KI-Gegnern abzuwehren, wurde im direkten Vergleich zum Vorgänger etwas verändert, denn auch hier spielen die individuellen aktiven, sowie passive Fähigkeiten der Charaktere eine wichtige Rolle. Diese sammeln dazu auch noch Erfahrungspunkte, welche man nach einer Partie in bestimmte Boni, wie etwa höheren Schaden, investieren kann. Allesamt sinnvolle und spielerisch motivierende Neuerungen, welche das althergebrachte Gameplay deutlich aufwerten.

Absolutes Highlight im Mehrspieler-Bereich ist aber sicherlich der Escape-Modus. Dabei handelt es sich um eine Koop-Variante für drei Spieler, die zusammenarbeiten müssen, um die feindliche Schwarmstöcke von innen zu zerstören. Zu Beginn einer Partie pflanzt ihr dort eine Bombe, die nach genau 60 Sekunden detoniert und dann das ganze Monsternest mit Giftgas überflutet. Euer Ziel ist es nun, euch unter ständigem Zeitdruck durch die Gegnerhorden zu schnetzeln und bis zum Ausgang zu gelangen. Auch hier spielen die verschiedenen Charakterklassen und ihre individuellen Fähigkeiten eine wichtige Rolle. Obwohl gerade in diesem Spielmodus die Tugenden eines Deckungs-Shooters großteils über Bord geworfen werden  – oder vielleicht auch gerade deswegen – spielt sich der neue Modus wunderbar erfrischend anders und stellt eine große Bereicherung für das gesamte Spielerlebnis dar. Einziger Wermutstropfen: Die Figuren-Auswahl ist stark limitiert und es stehen auch nur vier Maps zur Auswahl. Dafür gibt es einen eigenen Karten-Editor mit dem man selbst für Nachschub sorgen oder welche von der Community spielen kann.

FAZIT

Eigentlich wollte ich mein Fazit jetzt mit einem Vergleich zu den brachialen Action-Blockbustern eines Michael Bay beginnen – aber sorry Michael, so etwas wie Gears 5 wirst du vermutlich niemals auf die Leinwand zaubern können. Was das Feuerwerk an Explosionen und die perfekt choreografierten Kampf-Sequenzen, mit all ihren optischen und akustischen Reizen anbelangt, kannst du vielleicht noch mithalten, aber in Sachen Inszenierung und der erzählten Geschichte mit all den vielschichtigen Charakteren – da spielt das neue Gears of War in einer komplett anderen Liga. Trotz der bombastischen Action kann ich mich als alter Fan der Reihe aber mit einigen der Neuerungen leider so rein gar nicht anfreunden, allen voran die Pseudo-Open-World mit ihren zahlreichen, meist irrelevanten, Nebenmissionen. Das nimmt sehr viel Tempo aus dem Spiel heraus und zieht die Geschichte nur unnötig in die Länge, ohne jeglichen spielerischen Mehrwert. Im sechsten Teil kann man sich das von mir aus dann gerne wieder sparen! Obgleich dieser kleineren Kritikpunkte ist Gears 5 trotzdem mein persönliches Action-Highlight des Jahres und das nicht nur aufgrund der erstklassigen Kampagne, sondern auch weil die Mehrspieler-Modi mehr als nur ein nettes Beiwerk sind. Besonders hervorheben möchte ich hier die Fluchtmissionen in „Escape“, denn die werden mich jetzt nach Abschluss der Kampagne sicherlich noch eine Weile beschäftigen, besonders dann, wenn der eine oder andere Kumpel bei mir zum Zocken vorbeischaut und wir gemeinsam auf der Couch den Hive in Schutt und Asche legen.

Was ist Gears 5? Das fünfte Kapitel des Kampfs der Koalition gegen den Schwarm, inklusive neuer und überarbeiteter Mehrspielermodi.
Plattformen: PC, XBox One
Getestet: XBox One
Entwickler / Publisher: The Coalition / Microsoft
Release: 10. September 2019
Link: Offizielle Webseite

Gesamtwertung: 8.8

Einzelwertungen: Grafik: 10 | Sound: 10 | Handling: 8 | Spieldesign: 8 | Motivation: 8

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