Ghostwire: Tokyo im Test

Fünf Jahre ist es her, dass uns Shinji Mikami mit seinem Team von Tango Gameworks mit einem Horrorabenteuer beschenkt hat. Im März 2022 war es dann endlich soweit und wir bekamen mit GhostWire: Tokyo den ersten First Person Titel der Entwickler geliefert. Doch hat das neuste Werk der Macher von The Evil Within das Zeug zum Horrorklassiker oder reicht es gerade noch für ein B-Movie? Wie sich Ghostwire: Tokyo spielt und ob ihr beim Zocken lieber das Licht anlassen solltet, verrate ich euch in meinem Test.

Ein mysteriöser Nebel breitet sich in den Straßen Tokyos aus und lässt alle Bewohner*Innen auf einen Schlag verschwinden – zurück bleiben nur noch die Kleidungsstücke ihrer vormaligen Besitzer*Innen. Zudem wuchert an vielen Stellen die sogenannte Verderbnis, die die Form von leuchtenden, baumähnlichen Gebilden angenommen hat. Da wir bereits zu Beginn des Spiels das Zeitliche segnen, könnte uns das eigentlich egal sein. Wäre da nicht ein Geist namens KK, der kurzerhand beschließt, unseren leblosen Körper zu übernehmen und so sich selbst, aber auch uns, rettet. Ein leuchtender Riss in unserer Handfläche spricht zudem plötzlich zu uns und erklärt, dass es jetzt unsere Aufgabe ist, Hannya, den Verursacher dieser Tragödie, zu finden und aufzuhalten. Da Hannya auch unsere Schwester Mari in seine Gewalt genommen hat, passt das ja ganz gut.…Ach ja und ganz nebenbei sollen wir auch noch die Seelen der verschwundenen Menschen retten und zurück bringen. Sage und schreibe 240.300 verirrte Seelen gilt es einzusammeln. Doch wir nehmen unser Schicksal sehr schnell an. Kein Jammern oder Meckern. Wir sind eben einfach zum Helden geboren. Ähm…ich meinte gestorben.

Outdoor Geisterbahn

Überall in der Stadt laufen sogenannte „Besucher“ umher, die, wenn sie nicht gerade in die Scheiben verlassener Autos starren, nur ein Ziel haben: Uns zu töten! Kopflose Schulmädchen, gesichtslose Männer im Anzug und Frauen mit riesigen Scheren sind nur drei von ungefähr zehn, von der japanischen Mythologie inspirierten, Gegner-Typen, die uns jagen. Zwar laufen auch noch Hunde und Katzen durch die Gegend, die finden für uns aber, wenn sie nicht gerade von uns gestreichelt oder gefüttert werden, keine Beachtung. Das einzige Ziel in ganz Tokyo sind also wir. Ganz Tokyo klingt vielleicht nach einem riesigen Spaß, doch das Gefühl einer großen Open World vergeht schnell, da uns der tödliche Nebel immer nur „kleine“ Areale untersuchen lässt. Erst durch das Reinigen sogenannter Tori können wir uns neue Gebiete erschließen.

Neue Fähigkeiten

Dank unseres neuen „Untermieters“ haben wir nun einige besondere Fähigkeiten. So beherrschen wir nun das namensgebende Geisterweben, welches wir durch den Gebrauch von Äther, sowohl als Waffe als auch zur Fortbewegung nutzen können.

Unsere Aufgabe ist es nun herumirrende Seelen mit sogenannten Katashiros, das sind kleine Puppen aus Papier, einzusammeln und zu befreien. Da wir aber mit einem Katashiro Püppchen immer gleich 100 oder mehr Seelen einsammeln, kommen wir gut voran. Leider müssen wir diese Puppen aber auch wieder „entleeren“. Dazu müssen wir in umgebaute Telefonzellen. Dort angekommen tauschen wir die gesammelten Seelen gegen Erfahrungspunkte und Geld (Meika) ein. Das gerade eben verdiente Geld können wir dann gleich wieder ausgeben und uns noch mehr Katashiros kaufen, um noch mehr Seelen transportieren zu können.

Die dadurch verdienten Erfahrungspunkte investieren wir anschließend in unsere Fähigkeiten. Große Sprünge dürfen wir dabei aber nicht erwarten. Mal ein paar Prozent mehr Schaden austeilen oder sich im Schleichmodus schneller fortbewegen, mehr kommt dabei nicht rum. Es gibt in Ghostwire: Tokyo also keine großartigen neuen Fähigkeiten oder wirklich spürbare Verbesserungen im Kampf. Wer mitzählt merkt, dass vielleicht mal ein Treffer weniger nötig ist, um den Gegner umzuhauen, doch nicht mal eine Ausweichfunktion war beim Skillen freischaltbar. Da wäre auf jeden Fall mehr drin gewesen!

Nichtsdestotrotz spielen sich die Kämpfe durchaus gut. Die Attacken fühlen sich zum Teil wuchtig an (ich sag nur roter Äther). Luft als Standard, Wasser für den direkten Nahkampf und Feuer für Gruppen oder massivere Gegner. Das Wechseln zwischen den Waffen und Elementen geht wahlweise über ein Waffenauswahlrad oder aber das Touchpad locker von der Hand. Das Touchpad dient außerdem dazu, Siegel an Türen oder gefesselten Seelen zu brechen. Auch die Bewegung durch die Stadt läuft nach einiger Zeit flüssig. Wir ziehen uns mit Äther-Fäden auf Dächer hoch, indem wir uns an Tengus festhalten und können dann von Dach zu Dach gleiten. Die Bewegungsfreiheit eines Spider-Man darf man sich hier aber nicht erwarten.

So kennt man Tokyo

Fortan bewegen wir uns durch ein unglaublich schönes Tokyo. Die Lichter der Neon Reklamen spiegeln sich in den Regenpfützen auf den Straßen und an Fenstern von Autos und Gebäuden. Werbespots erklingen aus den Convenience Stores und vermitteln uns mit ihrer fröhlichen Musik den Eindruck eines fast schon normalen, nur eben sehr leergefegten, Tokyos. Wahrzeichen wie der Tokyo Tower oder die aus Filmen bekannte Kreuzung in Shibuya, mit dazugehöriger Metro Station, können aus nächster Nähe betrachtet werden. Leider können wir nicht viele Gebäude betreten. Manchmal können wir über Treppen einen Wohnkomplex hochlaufen, an anderen Stellen aber aus keinem ersichtlichen Grund eben nicht. Schaffen wir es aber auf eines der höheren Gebäude bekommen wir als Belohnung einen wunderbaren Ausblick über eine der faszinierendsten Städte der Welt.

Und wo bleibt da bitte der Horror?

Tja das mit dem Horror ist so ’ne Sache. Zwar ist es immer Nacht und es wimmelt nur so von durchaus gruseligen Gesellen zwischen den Gebäuden, doch macht es uns das Game manchmal zu leicht. Mit drei verschiedenen Angriffsarten fühlen wir uns eigentlich fast schon übermächtig. Zudem haben wir noch Talismane um Gegner zu betäuben oder abzulenken. Ach ja und Pfeil und Bogen bekommen wir auch schon recht früh im Spiel.

Aber wenn uns mal die Munition ausgeht?

Oh ja das wäre schlimm…Wäre es, denn das kommt so gut wie nie vor. Zum einen regenerieren wir immer eine kleine Menge Munition in Form von Äther, wenn wir Gegner besiegen und ihnen ihre sogenannten „Kerne“ entziehen. Zum anderen können wir jederzeit im Kampf um die nächste Ecke laufen und finden dort Äther in Form von farbig leuchtenden Gegenständen, wie Mülleimern oder Straßenschildern, die einfach herumschweben.

Ziemlich ähnlich verhält es sich auch mit unserer Lebensenergie. Wir könnten in den Convenience Stores vorbeischauen, wo uns freundliche Yokai in Form von schwebenden Katzen bedienen. Neben nützlichen Gegenständen wie Talismanen und Pfeilen, gibt es dort auch jede Menge japanische Köstlichkeiten um unsere Lebensenergie aufzufüllen, die es aber auch so häufig in der Spielwelt zu finden gibt. Wer möchte kann also seinen Kaufrausch befriedigen aber wirklich notwendig ist das zu keiner Zeit.

So! Wo zum Teufel ist denn aber nun der Horror??

Wie ihr schon merkt, drücke ich mich ein wenig davor das Thema Horror anzuschneiden und das aus gutem Grund. Zwar waren hier die selben Leute wie bei The Evil Within am Werk – und auch Shinji Mikami, uns bekannt als der Erfinder der Resident Evil-Reihe hatte hier seine Hände im Spiel – aber in Sachen Horror sind wir weit von den eben genannten Titeln entfernt. Das gilt aber nicht für das komplette Game. In einigen Hauptmissionen (und auch in der ein oder anderen Nebenmission) finden sich durchaus Momente die uns regelrecht MIKAMI ins Gesicht schreien.

Wenn sich Räume verzerren, die Wände blutrot färben, sich Bilder an den Wänden selbständig machen oder Fernseher mit Bildrauschen einsam in einem Zimmer stehen, bekommen wir auf jeden Fall das Gefühl in einem typischen J-Horror-Game zu stecken. Leider kommen diese Momente nur selten vor, weshalb wir jeden einzelnen auskosten sollten.

Die ungefähr 40 Nebenmissionen (jede einzelne in unter 30 Minuten zu schaffen) haben da definitiv mehr Gruselfaktor als die Hauptstory, welche ihr in rund 11 Stunden abgeschlossen habt. Die Missionen bestehen aus kleinen Geschichten, die sowohl einen Einblick in die menschlichen Abgründe als auch in die japanische Mythologie geben. Wollt ihr alle diese Nebenmissionen machen, müsst ihr ab und an den Pfad der Hauptstory verlassen, da manche Nebenaufgaben nicht mehr verfügbar sind, sobald ihr einen gewissen Punkt in der Geschichte erreicht habt. Keine Sorge ihr werdet darauf hingewiesen.

Nicht unbedingt gruselig aber spannend sind außerdem die Missionsabschnitte in denen wir von unserem Geisterfreund KK getrennt werden. So ganz ohne unsere neuen Fähigkeiten müssen wir uns, nur mit Pfeil & Bogen und Talismanen bewaffnet, unseren Weg durch die geisterverseuchten Gebiete bahnen. Geduckt schleichend kann man schon mal hochschrecken, wenn man aus Versehen einen Gegenstand in der Umgebung umstößt. Die krachenden Geräusche der Bewohner klingen durch die Lautsprecher des DualSense der PS5 und warnen uns vor herannahenden Gegnern.

Klangkulisse für Audiophile!

Wo wir gerade beim Thema Sound sind: Das Sound Design ist den Entwicklern wirklich unglaublich gut gelungen. Nicht nur die Geräusche der Dämonen und Geister geben dem ganzen Spiel einen besonderen Flair. Einen sehr großen Anteil daran hat auch Masatoshi Yanagi, welcher auch schon für The Evil Within die musikalische Begleitung gemacht hat. Zudem könnt ihr im Spiel auch Tracks freischalten und diese dann auf eurem Mediaplayer einschalten. So entscheidet ihr selbst, welche Musik zu welchem Zeitpunkt laufen soll. Und ich sage euch, mit der richtigen Musik macht Bosse verkloppen nochmal deutlich mehr Spaß!

Ach und wenn ihr das Ganze in der deutschen Sprachausgabe spielt und euch seit Beginn des Spiels fragt „Woher kenn ich denn bloß diese Stimme?“ – Kein geringerer als Tommy Morgenstern leiht unserer Hauptfigur Akito seine Stimme. Fans wissen sofort, dass wir hier die deutsche Synchronstimme von Son Goku aus Dragon Ball Z haben. Alle Anderen haben dabei vielleicht Bilder von Norman Reedus aus The Walking Dead oder Chris Hemsworth vor ihrem inneren Auge. Sowohl die deutsche, als auch die japanische, Synchronisation sind nicht zuletzt wegen der erfahrenen Sprecher*Innen sehr gut gelungen.

Zusammenfassung

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